Multiple Sklerose: Symptome, Ursachen und Verlauf

Eine junge Frau geht mit Hilfe einer Gehhilfe auf der ein Terrier sitzt in einem Park spazieren
Multiple Sklerose geht meistens mit motorischen Einschränkungen einher© Shutterstock

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark angreift.

  • Meist schubförmiger Verlauf

  • Häufigkeit, Schwere und Symptomatik variabel

  • Lähmungen, Seh- und Gefühlsstörungen sind typische Symptome

Multiple Sklerose (MS) gilt als häufigste chronische Erkrankung des Nervensystems. In Deutschland leben etwa 120.000 bis 150.000 Erkrankte. Meistens macht sich die MS erstmals im Alter von 20 bis 40 Jahren bemerkbar, aber auch Kinder und ältere Menschen können erkranken.

Die chronisch entzündliche Erkrankung betrifft das zentrale Nervensystem (ZNS), also das Gehirn und das Rückenmark. Damit Nervenimpulse schnell vom Gehirn in den Körper oder zurückgeschickt werden können, sind die Nervenzellen im ZNS von einer speziellen Hülle umgeben (Myelinscheide). Bei MS greifen körpereigene Abwehrzellen diese Hülle an. Oft geraten auch die Nervenzellen selbst in Mitleidenschaft. Dadurch verlangsamt sich die Weiterleitung von Nervenimpulsen oder wird vorübergehend ganz unterbrochen. Die Folge: Die von den betroffenen Nerven gesteuerten Körperfunktionen können nicht mehr ungestört ablaufen.

Multiple Sklerose betrifft nicht das gesamte ZNS. Stattdessen bilden sich verstreute Entzündungsherde, was der Erkrankung auch den lateinischen Namen Encephalomyelitis disseminata (ED) – "im Gehirn und Rückenmark verstreute Entzündung" – verliehen hat.

Ursachen der Multiplen Sklerose

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem ist fehlgesteuert und greift fälschlicherweise körpereigene Strukturen an. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Experten gehen davon aus, dass sowohl Umwelteinflüsse (z.B. bestimmte Virusinfektionen, Vitamin-D-Mangel, Nikotinkonsum) als auch erbliche Faktoren eine Rolle spielen. Eine klassische Erbkrankheit ist die Multiple Sklerose jedoch nicht. Vererbbar ist lediglich die Veranlagung und damit ein erhöhtes Erkrankungsrisiko.

Verlaufsformen der MS

In den meisten Fällen verläuft die Krankheit in unregelmäßig auftretenden Schüben. Die Symptome bleiben für ca. sechs bis acht Wochen bestehen, danach bilden sie sich wieder zurück – am Anfang meist deutlich oder sogar vollständig, im weiteren Verlauf zum Teil schlechter. Unbehandelt geht Multiple Sklerose bei etwa jedem dritten bis vierten Betroffenen nach etwa 10 bis 15 Jahren in einen fortschreitenden Verlauf über. Die Symptome verschlechtern sich dann stetig.

Eine schubförmige Ausprägung der MS tritt bei Frauen etwa dreimal so häufig auf wie bei Männern. In selteneren Fällen schreitet die MS von Anfang an stetig fort. Von dieser Form der MS sind Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen.

Symptome der Multiplen Sklerose

Die Multiple Sklerose wird im Volksmund auch als die Erkrankung mit den 1000 Gesichtern bezeichnet, denn die Symptome sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Je nachdem, welcher Teil des Zentralen Nervensystems von einem Schub betroffen ist, fallen unterschiedliche Funktionen aus. Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es nicht, bei Männern und Frauen treten die gleichen MS-Symptome auf.

Wie äußert sich eine MS am Anfang?

Im Frühstadium einer MS kommt es besonders häufig zu

  • Lähmungen

  • Koordinationsstörungen

  • Gefühlsstörungen an Armen, Beinen oder Rumpf (z.B. Kribbeln, Taubheits- oder Spannungsgefühl)

  • Sehstörungen aufgrund einer vorübergehenden Sehnerv-Entzündung (z.B. unscharfes Sehen, Doppelbilder, Lichtblitze)

Zahlreiche weitere MS-Symptome können auftreten oder im Krankheitsverlauf hinzukommen, zum Beispiel

  • Gesichtslähmung

  • Muskelschwäche

  • Gleichgewichtsstörungen

  • Störungen des Geschmackssinns

  • Sprechstörungen

  • Gangunsicherheit

  • Schmerzen

  • Inkontinenz oder Unfähigkeit, Urin abzusetzen (Harnverhalt)

  • Verstopfung

  • Rasche Ermüdbarkeit

  • Konzentrationsstörungen

  • Persönlichkeitsveränderungen (z.B. Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit, Depressionen)

  • Schlaflosigkeit

Wichtig zu wissen:

Die möglichen Symptome einer MS sind vielfältig. Die Multiple Sklerose ist deshalb eine Ausschlussdiagnose: Ärztinnen und Ärzte müssen zunächst andere Erkrankungen ausschließen, um bei Verdacht auf Multiple Sklerose eine sichere Diagnose stellen zu können.

Wie verläuft Multiple Sklerose?

Der Verlauf einer MS ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und lässt sich kaum voraussagen. Einige Betroffene haben lange Zeit nur milde Symptome und können zwischen den Schüben ein nahezu normales Leben führen. Andere haben bereits nach wenigen Jahren Behinderungen, die sie im Alltag deutlich einschränken.

Durch moderne Behandlungsmöglichkeiten hat sich die Prognose der Multiplen Sklerose insgesamt deutlich verbessert. Wird die Krankheit konsequent behandelt, sind nach etwa 25 Jahren im Schnitt noch etwa ein Drittel der Betroffenen arbeitsfähig und etwa zwei Drittel gehfähig.

Erst nach sehr langer Krankheitsdauer ist ein großer Teil der Betroffenen im Alltag auf fremde Hilfe angewiesen. Patientinnen und Patienten mit ausgeprägten Gangstörungen benötigen häufig einen Rollstuhl. Die geistigen Fähigkeiten sind selbst bei erheblichen körperlichen Behinderungen meist nur wenig eingeschränkt. Auch die Lebenserwartung ist bei MS nicht wesentlich verkürzt. Nur im Extremfall endet die Multiple Sklerose tödlich.

Die 5-Jahres-Regel

Als Faustregel für den Verlauf der Krankheit gilt die sogenannte 5-Jahres-Regel. Oft ist die Erkrankung in den ersten Jahren besonders aktiv. Deshalb entspricht der Behinderungsgrad nach einer Krankheitsdauer von fünf Jahren etwa zu drei Vierteln dem Behinderungsgrad nach 10 bis 15 Jahren.

Diagnose der MS

Neben einer gründlichen körperlichen Untersuchung sind weitere Tests erforderlich:

  • Magnetresonanztomografie, um die Entzündungsherde nachzuweisen

  • Untersuchung des Gehirnwassers (Liquor)

  • Laboruntersuchungen zum Ausschluss anderer Erkrankungen

Ist MS heilbar?

Multiple Sklerose ist nicht heilbar, lässt sich aber dank moderner Therapiemöglichkeiten gut kontrollieren. Schwere Behinderungen können häufig durch eine konsequente Behandlung vermieden werden.

Ziel der Behandlung ist es, die Entzündungen im ZNS und die damit einhergehenden Funktionsausfälle einzudämmen. Dabei unterscheiden Ärztinnen und Ärzte zwischen zwei Therapiearten:

  • Die Schubtherapie kommt während eines akuten Schubs zum Einsatz. Fachleute verschreiben für diese Fälle entzündungshemmende Medikamente, insbesondere hochdosierte Glukokortikoide (z.B. Kortison).

  • Die Immunprophylaxe wird zwischen den Schüben angewendet und soll einen neuen Schub so lange wie möglich hinauszögern. Es stehen zahlreiche Wirkstoffe zur Verfügung, die abhängig von der Schwere der Schübe und des Krankheitsverlaufs angewendet werden.

Neben der medikamentösen MS-Therapie spielen auch verschiedene unterstützende Maßnahmen eine wichtige Rolle:

  • Krankengymnastik

  • Ergotherapie

  • Logopädie

  • Psychotherapie

Kann ich mit MS Auto fahren?

Da die Multiple Sklerose individuell sehr unterschiedlich verläuft, lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Erkrankte dürfen Auto fahren, solange körperliche Einschränkungen oder eine Medikation die Verkehrstüchtigkeit nicht gefährden.

Ärztliches Fahrverbot ist bindend

Attestiert die Ärztin oder der Arzt eine Fahruntauglichkeit aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen – wenn auch nur zeitweise –, müssen Verkehrsteilnehmende dem nachkommen. Das "ärztliche Fahrverbot" ist nicht gleichzusetzen mit einem vom Gericht oder der Fahrerlaubnisbehörde verhängten Fahrverbot.

Wer jedoch gegen das ärztliche Fahrverbot verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, wenn er oder sie trotz fehlender Fahrtauglichkeit fährt, und macht sich (z.B. bei einem Unfall) strafbar, wenn andere Personen dadurch gefährdet werden. Bei einem Unfall drohen Geld- und sogar Freiheitsstrafen, wenn jemand verletzt oder im schlimmsten Fall getötet wird. Zudem kann die Kfz-Haftpflichtversicherung bereits an die Unfallgeschädigten ausgezahltes Geld zurückfordern; die Kaskoversicherungen können Leistungen kürzen oder verweigern.

Körperliche Beeinträchtigungen lassen sich durch das Nachrüsten des Autos mit entsprechenden Fahrhilfen ausgleichen, wie zum Beispiel Gas-, Brems- und Lenksystemen.

Hinweis: Diese Informationen wurden sorgfältig recherchiert, ersetzen jedoch nicht die Beratung durch eine Ärztin oder einen Arzt. Alle Angaben ohne Gewähr.

Pschyrembel Online: Multiple Sklerose (MS), unter: https://www.pschyrembel.de/Multiple%20Sklerose/K0EKN (Abruf: 01.07.2024)

Neurologen und Psychiater im Netz: Multiple Sklerose (MS), unter: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/multiple-sklerose-ms/ (Abruf: 01.07.2024)

Universitätsspital Zürich: Multiple Sklerose, unter: https://www.usz.ch/krankheit/multiple-sklerose/ (Abruf: 01.07.2024)

Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e.V.: Multiple Sklerose, unter: https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/was-ist-ms (Abruf: 01.07.2024)

Bundesanstalt für Straßenwesen: Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand 06/2022, unter: https://bast.opus.hbz-nrw.de/opus45-bast/frontdoor/deliver/index/docId/2664/file/Begutachtungsleitlinien+2022.pdf (Abruf: 01.07.2024)