Bei Busunfall schwerst verletzt: Schrittweise wieder leben gelernt

• Lesezeit: 4 Min.

Von Roman Breindl

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Rückholung aus Barcelona mit dem Ambulanzflieger nach einem Busunfall
Im ADAC Ambulanz-Jet nach Hause: Julian M.© privat

Julian M. wurde bei einem Busunfall in Spanien schwerst verletzt. Der 18-jährige Augsburger erzählt, wie er sich aus dem Koma ins Leben zurückkämpft und wie ihm ein Parfüm und der ADAC geholfen haben.

"Ich war mit meinen Eltern und meiner Freundin in Spanien, um eine Kreuzfahrt zu machen. Am zweiten Tag besuchten wir Barcelona. Als ich an einem Stopp aus dem Bus stieg, fuhr ein zweiter Bus mit fast 50 km/h auf unseren stehenden Bus.

Das schleuderte mich meterweit aus dem Bus. Ich landete mit dem Kopf auf dem Asphalt. Ein großes Metallteil flog hinterher und zertrümmerte meine Beine. Ich erlitt einen Schädelbruch, viele offene Wunden klafften vor allem an den Beinen.

Bei dem Unfall wurden insgesamt 60 Menschen verletzt, davon vier schwer. Ich überlebte, weil nach dem Crash viele Menschen halfen. Eine junge Frau band mir sofort die Oberschenkelarterie ab. Andernfalls wäre ich an der Unfallstelle verblutet. Ich fiel ins Koma.

Neun Operationen

Zwei Polizisten, Laura und Victor, legten mir später eine professionelle Aderpresse an, Sanitäter hoben mich auf eine Trage, so wurde mir erzählt. Meine Beine mussten ja vorsichtig auf die Trage gelegt werden, weil sie nur noch mit Sehnen, Blutgefäßen und Muskeln mit mir verbunden waren.

Ein Krankenwagen brachte mich in Barcelona in eine Klinik, in der ich neunmal operiert wurde. Meine Eltern erzählten mir später, dass nach jeder Operation alle beteiligten Ärzte und Ärztinnen erklärten, was sie gemacht hatten.

Die Hilfe war für uns Eltern und Julians Freundin sehr wertvoll. Es folgte eine lange Krankenhauszeit: künstliche Beatmung, viele Medikamente, Gewichtsverlust, neue Diagnosen, Infektionen, viele Ängste – kaum vorstellbar. Julian kämpfte sich in sechs Monaten ins Leben zurück, musste lernen, wieder eigenständig zu atmen, zu sprechen, zu essen und sich zu bewegen.

Wencke M., Julians Mutter

Ein Teddybär zum Trost

Ich wachte nach über zwei Wochen aus dem Koma auf. Meine Eltern waren nach Barcelona gezogen, meine Freundin besuchte mich, sooft sie konnte. Während ich im Koma lag, erzählten sie mir von früher, berührten mich und sangen mir vor. Das soll Komapatienten bei der Rückkehr helfen.

Eine Reaktion zeigte ich, als meine Mutter mir ein Parfüm auf den Körper sprühte – ein Geschenk meiner Freundin. Erst bemerkte sie ein Augenflimmern, dann erwachte ich langsam. Zuerst bewegte ich nur die Augen. Dann versuchte ich allmählich alle Muskeln anzusteuern. Irgendwann konnte ich alles wieder bewegen.

Die Polizisten Victor und Laura besuchten mich, ein Pfleger lernte extra Deutsch, und zum tränenreichen Abschied nach zwei Monaten bekam ich von der Klinik einen Teddybären geschenkt, versehen mit den Unterschriften aller Ärztinnen und Ärzte, aller Pflegerinnen und Pfleger. Der Bär begleitete mich im ADAC Ambulanz-Jet.

Mitte April sagt Julian erste Worte, wird nur zeitweise beatmet. Trotz des schweren Schädel-Hirn-Traumas erkennt er Menschen und kann leichte Rechenaufgaben mit Augenblinzeln für 'Ja' bestätigen. Ein mühsamer Weg folgte, den er mit viel Disziplin und Training ging.

Wencke M., Julians Mutter

Freundschaft geschlossen

Rückholung aus Barcelona mit dem Ambulanzflieger nach einem Busunfall
Ein Album erinnert an den schweren Unfall© ADAC/Philipp Breuer

An eine Rückkehr nach Hause war lange nicht zu denken, da waren sich die spanischen und die deutschen Ärzte vom ADAC Ambulanz-Service einig. Denn über die ADAC Notrufstation in Barcelona hatten meine Eltern mit dem ADAC Kontakt aufgenommen. Meine Verletzungen zwangen mich, rund zwei Monate in der Klinik in Barcelona zu bleiben.

Die Brüche, die Wunden und weitere Verletzungen mussten halbwegs verheilen, Pilzinfektionen und Keime teils operativ behandelt werden. In dieser Zeit entstanden Freundschaften zu dem Team der Kinderintensivstation und zu den Dolmetschern. Zu meinem 18. Geburtstag hier in Deutschland erreichten mich sogar Päckchen und Briefe aus Barcelona.

Im Ambulanz-Jet nach Hause

Rückholung aus Barcelona mit dem Ambulanzflieger nach einem Busunfall
Ein wichtiger Fortschritt für Julian: Im Rollstuhl sitzen© privat

Zwei Monate nach dem Unfall war ich "fit to fly". Die ADAC Notrufstation in Barcelona kümmerte sich um den Transport von der Klinik zum Airport, wo ein Learjet des ADAC Ambulanz-Service bereitstand. Auf dem zweistündigen, von medizinischem Personal betreuten Flug in die Nähe von München begleitete mich meine Mutter.

Vom Flugplatz ging es für drei weitere Operationen in die BG Unfallklinik nach Murnau. Dort konnte ich erstmals in einem Rollstuhl sitzen. Ich war das erste Mal im Garten und roch die Wiese, spürte die Sonne. Das war sehr schön.

Aufrecht durch das Leben

Erst in der nächsten Klinik in Burgau lernte ich wieder gehen. Heute wohne ich wieder zu Hause und gehe in die Schule. Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und weitere Arztbesuche gehören immer noch zum Alltag. Mein Ziel war, an meinem 18. Geburtstag ohne Hilfsmittel gehen zu können. Das habe ich erreicht.

Viele Helfende attestierten mir Ausdauer, Energie und Willenskraft. Diese vielen Menschen und ein wenig schwarzer Humor haben mir geholfen, wieder aufrecht durch das Leben zu gehen."