XTL, HVO-Diesel & Co.: Was steckt hinter den neuen Kraftstoffen?
Seit Ende Mai 2024 dürfen die paraffinischen Diesel HVO oder C.A.R.E. an der Tankstelle verkauft werden – aber nicht jedes Fahrzeug darf damit betankt werden. Lesen Sie, was alles bei den neuen Kraftstoffsorten zu beachten ist.
Gesetzgeber hat neue alternative Kraftstoffe zugelassen
Nutzbar nur bei Freigabe des Pkw-Herstellers
Auch E-Fuels sind prinzipiell zugelassen
Es gibt Alternativen zu Erdöl
Erdöl ist beileibe nicht mehr der einzige Stoff, um den sich alles dreht in der Mineralölindustrie. Die Grundstoffe für Tankstellensprit sind vielfältig geworden. Die Produktion alternativer Kraftstoffe funktioniert inzwischen sowohl auf Basis von diversen Pflanzen (Raps, Rüben, Mais etc.) als auch von Holzresten, Gülle, Klärschlamm oder Speiseabfällen. Es werden derzeit sogar Verfahren entwickelt, durch die Plastikabfälle in Treibstoff umgewandelt werden können.
Hintergrund ist, dass die klimaschädlichen CO₂-Emissionen aus dem Verkehrsbereich reduziert werden müssen. Nicht nur durch den Umstieg auf Elektroantrieb, sondern mit allen Möglichkeiten, die sich bieten – auch bezogen auf den aktuellen Fahrzeugbestand und die vielen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Deswegen arbeiten Forschung und Industrie seit vielen Jahren mit Hochdruck daran, CO₂-reduzierte, idealerweise sogar CO₂-neutrale Kraftstoffe zu (er-)finden.
Entscheidend für die Verfügbarkeit an der Tankstelle ist aber auch, ob es genügend Grundmaterial gibt, den jeweiligen Kraftstoff in ausreichenden Mengen zu produzieren. Und was der Kraftstoff in der Herstellung kostet, um wirtschaftlich zu sein.
Von den neuen Spritsorten, die es aus den Entwicklungslaboren bis an die Tankstelle schaffen, ist aktuell Kraftstoff aus hydriertem Pflanzenöl, offiziell bezeichnet als paraffinischer Diesel oder HVO, als Alternative gesetzt und seit Ende Mai 2024 zum Verkauf freigegeben. Als noch zukunftsträchtiger gelten E-Fuels, strombasierte Kraftstoffe. Mit ihnen verbinden sich größte Hoffnungen, den Verkehrsbereich ein für allemal klimaschonend zu machen: zu Lande, zu Wasser und in der Luft.
Gesetzgeber regelt Kraftstoffnormen
Wegen all dieser technischen Möglichkeiten wurde es Zeit, dass der Gesetzgeber formal den Weg für neue Spritsorten ebnet. Er wacht mittels der Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImschV) darüber, dass nur solcher Sprit an der Tankstelle verkauft wird, der unbedenklich in den Verkehr gebracht werden kann und der einen möglichst umweltpolitischen Nutzen hat. Nun wurde die Verordnung novelliert.
Deutschland ist hier übrigens europäischer Nachzügler. Vor allem in Skandinavien, aber auch in den Niederlanden ("Blauwe Diesel"), Italien (bei Eni) und Österreich sind Tankstellen, die paraffinischen Diesel anbieten, schon weit verbreitet: 2250 Stationen bieten ihn schon in Reinform (100 Prozent) an, über 11.000 zumindest in Beimischungen. Der Mehrpreis gegenüber Mineralöldiesel liegt in diesen Ländern für die Reinform-Variante etwa bei 5 bis 20 Cent.
Was bedeutet HVO, HVO100 und XTL?
Die neuen Kraftstoffe werden an der Tankstelle mit XTL gekennzeichnet. Das Kürzel XTL steht für "X To Liquid". Das bedeutet: Ein beliebiges Ausgangsmaterial wird in einen flüssigen Energieträger umgewandelt. Das "X" ist der Platzhalter für die verschiedenen Rohstoffe, aus denen der neue Kraftstoff gewonnen wird. Die Endprodukte unterliegen der Norm DIN EN 15940 für paraffinischen Diesel.
Anhand der Herstellungsweise werden üblicherweise zwei paraffinische Kraftstoffarten unterschieden: synthetische Kraftstoffe, die nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren hergestellt werden, und paraffinischer Diesel aus hydrierten Pflanzenölen.
Bei Fischer-Tropsch-Kraftstoffen wird zuerst das sogenannte Synthesegas erzeugt, eine Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Im nachfolgenden Schritt wird aus dem Synthesegas der paraffinische Kraftstoff erzeugt. Als Ausgangsprodukt können dabei verschiedene Rohstoffe verwendet werden: Kohle (CTL – Coal-to-Liquid), Erdgas (GTL – Gas-to-Liquid) oder Biomasse (BTL – Biomass-to-Liquid).
Als paraffinischer Diesel aus hydrierten Pflanzenölen (HVO, englisch: Hydrotreated Vegetable Oils) werden Pflanzenöle bezeichnet, die durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff (Hydrierung) in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Durch diesen Prozess werden die Pflanzenöle in ihren Eigenschaften an fossile Kraftstoffe (insbesondere Dieselkraftstoff) angepasst. Hydrierte Pflanzenöle können – wie Biodiesel – dem Dieselkraftstoff beigemischt werden (z.B. Diesel R33) oder auch in 100-prozentiger Reinform angeboten werden, zum Beispiel als HVO100 oder C.A.R.E..
Beide paraffinischen Dieselarten werden in Reinform an der Tankstelle unter der Kennzeichnung XTL geführt. Wo man bereist jetzt HVO tanken kann, ist über die Suchfunktion auf der Seite von Clever Tanken ersichtlich.
Was ist Diesel B10?
Diesel B10 ist, wie der Name sagt, ein Diesel mit einer zehnprozentigen Beimischung von Biodiesel. Bisher war die Biobeimischung beim Diesel auf maximal sieben Prozent (B7) begrenzt. Der größte Unterschied für den Kunden besteht darin, dass B10 nur dann getankt werden darf, wenn der Hersteller eine spezielle Freigabe für die Verwendung erteilt hat, genau wie es bei der Verwendung von Super E10 der Fall ist.
Aufgrund der geänderten Verordnung dürfen nun Tankstellenbetreiber Zapfsäulen mit XTL sowie Diesel B10 einrichten. Die beiden neuen Kraftstoffe können fortan die bekannten Sorten Super E5, Super Plus E5, Super E10 und Diesel B7 ergänzen.
Es ist zu erwarten, dass die Einführung von B10 an den Tankstellen in Deutschland sukzessive erfolgt, eine Pflicht besteht jedoch nicht.
Die Symbole der neuen Kraftstoffe
Um Fehlbetankungen zu vermeiden, ist eine einheitliche Kennzeichnung für die verschiedenen Kraftstoffsorten sowohl am Fahrzeug (in der Bedienungsanleitung und dem Tankdeckel) als auch an der Tankstelle (Zapfsäule und Zapfpistole) vorgeschrieben.
Die Zapfsäulen werden mit der Bezeichnung "Diesel B10" sowie dem Quadrat-Symbol mit "B10" im Mittelpunkt gekennzeichnet. Die Zapfsäulen für paraffinische Dieselkraftstoffe müssen – unabhängig vom Herstellungsverfahren, also HVO und XTL – mit der Bezeichnung "Paraffinischer Diesel" sowie dem Quadrat-Symbol mit "XTL" im Mittelpunkt gekennzeichnet werden.
Wichtig: Freigabe des Autoherstellers
Um eine der neuen Spritsorten tanken zu können, sind modellspezifische Freigaben der Hersteller notwendig. Eine Umfrage des ADAC zum Jahreswechsel 2023/2024 zeigte, dass derzeit nur wenige Pkw-Modelle für die Verwendung von XTL oder B10 seitens der Automobilhersteller freigegeben sind.
Die DAT hat eine offizielle Freigabenliste in Abstimmung mit den Fahrzeugherstellern/-Importeuren erstellt. Unter www.dat.de/b10-xtl/ gibt es die Liste als PDF-Datei zum Herunterladen sowie eine Onlinerecherche unter Eingabe der Automarke oder des Modells. Informationen sind zum Teil auch auf den Internetseiten der Automobilhersteller zu finden (z.B. Mercedes: Mercedes-Benz Operating Fluids).
Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt der ADAC auch die Angaben in der Bedienungsanleitung und im Tankdeckel zu prüfen. Bei Unklarheiten fragen Sie bitte bei Ihrem Vertragshändler nach und lassen sich die Eignung des Fahrzeuges individuell bestätigen!
E-Fuels: Noch in der Warteposition
Seit Inkrafttreten der novellierten Verordnung im Mai 2024 ist den Tankstellen darüber hinaus auch möglich, E-Fuels in den Verkauf zu bringen. Damit verbinden sich große Zukunftshoffnungen: E-Fuels sind nicht biogenen Ursprungs, sie basieren auf Wasserstoff und CO₂ als Grundstoff. Ist der zu seiner Produktion verwendete Strom regenerativer Natur (Wind oder Sonne), sind E-Fuels klimaneutral.
E-Fuels können in zwei Fraktionen synthetisiert werden: Als E-Fuel-Benzin oder E-Fuel-Diesel. Sie unterliegen jeweils der gleichen Kraftstoffnorm wie herkömmliches Benzin und herkömmlicher Diesel, der DIN EN 228 bzw. DIN EN 590 und dürften – wenn sie die Norm erfüllen – heute schon verkauft werden.
Doch bei E-Fuels ist es noch überhaupt nicht absehbar, ob und wann sie an der Tankstelle bereit stehen werden. Zum einen fehlen Industrieanlagen, die die erforderlichen Mengen davon herstellen könnten. Zum anderen ist derzeit auch kein konkurrenzfähiger Preis in Sicht.