Bundesverfassungsgericht zu Rohmessdaten – Einsichtsrechte: ja, Pflicht zur Speicherung: nein
Polizeiliche und kommunale Geschwindigkeitsmessungen sind nicht bei jedem beliebt, doch für die Verkehrssicherheit unverzichtbar. Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass Daten herausgegeben werden müssen, gibt es nun weitere Vorgaben.
Geschwindigkeitsmessung muss fair, korrekt und nachprüfbar sein
Daten müssen herausgegeben werden, wenn sie vorhanden sind
Eine Pflicht, dass nur Geräte verwendet werden, die speichern, gibt es nicht
Wer geblitzt wird, kann die Messung überprüfen lassen. Aber hier gilt: Nur wenn sich dabei Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung ergeben, besteht überhaupt die Chance, dass ein Einspruch vor Gericht Erfolg haben könnte. Wer aktuell ein offenes Bußgeldverfahren (z.B. einen neuen Bußgeldbescheid) hat, sollte daher anwaltlichen Rat einholen. In manchen Fällen sind für die Überprüfung sogenannte Rohmessdaten erforderlich.
Herausgabe der Rohdaten der Messung
Bereits 2020 hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 12.11.2020, Az. 2 BvR 1616/18) entschieden, dass dem Verteidiger bei Geschwindigkeitsmessungen auch die Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, die sich nicht in der Akte befinden, aber im Messgerät gespeichert sind. Das bedeutet, dass die Behörde auf Antrag des Anwalts verpflichtet ist, die Daten zur Überprüfung der Richtigkeit der Messung herauszugeben, selbst wenn sie nur als Rohmessdaten oder in Form einer Lebensakte vorliegen.
Kein Anspruch auf Speicherung
Trotz dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen, dass es keine Pflicht gibt, nur Geräte einzusetzen, die eine Speicherung der Rohdaten vorsehen. Auch die Hersteller sind nach der Entscheidung des BVerfG nicht dazu verpflichtet, die Daten zu speichern (BVerfG, Beschlüsse vom 20.6.2023, Az.: 2 BvR 1082/21 (PoliScan M1 HP), 2 BvR 1090/21 (TraffiStar S350) und 2 BvR 1167/20 (Leivtec XV3)).
Die Richter argumentierten, dass Daten, die nicht gespeichert sind, weder der Bußgeldstelle, noch dem Betroffenen zur Verfügung stehen und alle somit den gleichen "Wissensstand" haben. Zudem sei es keine Aufgabe des Staates, Beweismittel bereitzuhalten oder zu schaffen.
Das bedeutete, dass die Hersteller der Geschwindigkeitsmessgeräte nicht dazu verpflichtet werden können, die Daten abzuspeichern, um eine Kontrolle zu ermöglichen.
ADAC bedauert die Entscheidung
Während die erste Entscheidung zur Akteneinsicht vom ADAC begrüßt wurde, ist es aus Sicht des ADAC abzulehnen, wenn Daten nicht gespeichert werden, gerade um eine solche Überprüfung zu vereiteln. Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit, dies zu berichtigen, nicht genutzt, was der ADAC bedauert.
Das bedeuten die Urteile für Autofahrer
Die Möglichkeit, eine Messung anhand von Rohdaten zu überprüfen, ist trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichts vom November 2020 nach wie vor nur bei Geräten möglich, die jetzt schon diese Daten abspeichern, so dass sich die rechtlichen Möglichkeiten nicht wirklich erweitert haben.
Service der ADAC Juristen
Obwohl die Messsicherheit der amtlich zugelassenen Geschwindigkeitsmessanlagen in den letzten Jahren dank verbesserter Technik deutlich zugenommen hat, gibt es je nach eingesetztem Geschwindigkeitsmessverfahren unterschiedliche Fehlerquellen.
ADAC Mitglieder können Checklisten unter Angabe des bei der Geschwindigkeitsmessung konkret eingesetzten Messverfahrens anfordern: Stellen Sie hier Ihre Anfrage per Mail.
Für Geschwindigkeitsmessungen mit folgenden Messverfahren hat der ADAC recherchiert und Checklisten für die bei diesen Verfahren häufig verwendeten Messgeräte erstellt:
Einseitensensoren ("Lichtschranken")
Handlaser
Laser mit Videodokumentation
Laserscanner ("Lidar")
Piezoelektrische Sensoren ("Starenkästen")
Induktionsschleifen ("Starenkästen")
Radar
Auch bei Geschwindigkeitsmessungen der Polizei können Fehler auftreten. Nur: Sie nachzuweisen, ist außerordentlich aufwendig. Dazu braucht man Sachverständige, die die Akten auswerten, Messunterlagen sowie die Beweisfotos analysieren.
Erst auf dieser Basis kann ein Richter über die Aufhebung eines Bußgelds oder der Strafe entscheiden. Da für solche Gutachten hohe Kosten entstehen können, empfiehlt es sich, vorab zu prüfen, ob eine eintrittspflichtige Verkehrsrechtsschutzversicherung besteht, und dort anzufragen, ob diese die Kosten des Gutachtens übernimmt.
Download: ADAC Standpunkte
Lesen Sie hier auch die Standpunkte des ADAC zu "Verkehrsüberwachung" und "Transparenz in der Geschwindigkeitsüberwachung":