Überhöhte Italien-Bußgelder per Inkasso: So kämpft der ADAC für Sie
Viele italienische Kommunen treiben Bußgelder für Verkehrsverstöße deutscher Touristen über Inkasso-Firmen ein. Der ADAC führt gegen diese Praxis Musterverfahren für Mitglieder.
ADAC Juristen sehen bei Inkasso-Fällen aus Italien Datenschutz verletzt
Inkasso-Unternehmen verlangen außerdem überhöhte Gebühren
Bußgelder aus EU-Staaten vollstreckt das Bundesamt für Justiz
Zu schnell unterwegs und geblitzt, falsch geparkt oder unerlaubt in eine verkehrsberuhigte Innenstadtzone gefahren – viele italienische Kommunen versuchen, Bußgelder für solche Verkehrsverstöße in Deutschland mithilfe von privaten Inkasso-Unternehmen einzutreiben. Mit saftigen Zuschlägen auf die Bußgelder, ein lukratives Massengeschäft. Tausende deutsche Autofahrer und Autofahrerinnen bekommen jährlich derartige Zahlungsaufforderungen, in der Rechtsberatung des ADAC gehören solche Anfragen seit Jahren zu den Top-Themen.
Die ADAC Juristen halten die Gebühren für völlig überhöht und das Inkasso-Geschäft vor allem für datenschutzrechtlich unzulässig: Der Club führt daher jetzt Musterverfahren für zwei Mitglieder. Ein positiver Ausgang hätte Signalwirkung für ähnliche Fälle.
ADAC geht gegen Inkasso-Praxis vor
Ein typischer Inkasso-Fall ist der von ADAC Mitglied Wolfgang B. aus Bayern. Im September 2021 fuhr er versehentlich in der norditalienischen Küstenstadt Grado mit seinem Auto in die verkehrsbeschränkte Innenstadt – eine Zona traffico limitato (ZTL). Ein Verstoß, der etwa 100 Euro Bußgeld kostet. Die Zahlungsaufforderung, die Mitglied B. von einem Kölner Inkasso-Unternehmen bekam, war allerdings deutlich höher: 434,93 Euro. Herr B. wandte sich an die ADAC Rechtsberatung.
Musterverfahren: ADAC klärt rechtliche Grundsatzfragen
In Fällen, bei denen es um die Klärung von rechtlichen Grundsatzfragen geht, die eine Vielzahl von Mitgliedern betreffen, prüfen Clubjuristen, ob ein Musterverfahren infrage kommt. Dabei unterstützt der Club Mitglieder bei einem juristischen Problem und trägt auch das Prozesskostenrisiko.
Die Clubjuristen prüfen den Sachverhalt und entscheiden sich im Fall von Mitglied B. für ein Musterverfahren. Denn zum einen wählen italienische Gemeinden wie Grado mit dieser Inkasso-Praxis den falschen Weg: Öffentlich-rechtliche, also polizeiliche Bußgelder und Strafen aus dem EU-Ausland dürfen in Deutschland ausschließlich über das für die Europäische Bußgeldvollstreckung zuständige Bundesamt für Justiz eingetrieben werden. "Eine Beteiligung privater Inkasso-Unternehmen ist hierzulande nicht vorgesehen, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage", sagt Auslandsjurist Michael Nissen, Leiter Internationales Recht beim ADAC.
Außerdem sieht Nissen in dem Inkasso-Geschäft einen massiven Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung: "Die Weitergabe personenbezogener Daten einer öffentlich-rechtlichen Behörde an ein privates Unternehmen halten wir für unzulässig." Da im Fall des betroffenen Mitglieds das Inkasso-Unternehmen seinen Sitz in Köln hat, legt der ADAC seine datenschutzrechtliche Beschwerde beim Landesdatenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen ein.
Zweites Musterverfahren gegen überhöhte Zuschläge
Flankierend geht der Club in einem zweiten Musterverfahren gegen die saftigen Zuschläge der Inkasso-Firmen vor. "Innerhalb von Italien können Kommunen Inkasso-Dienstleister einschalten, aber die dürfen nur das Bußgeld, doch keine Inkasso-Gebühren verlangen", erläutert Nissen. "In Deutschland machen die von italienischen Kommunen beauftragten Firmen aber ihren eigenen Aufwand geltend."
So wird dann aus einem 100-Euro-Bußgeld für die unerlaubte Einfahrt in eine verkehrsberuhigte italienische Innenstadt zum Beispiel 323,44 Euro. Diesen Betrag verlangt eine ebenfalls in Köln eingetragene Inkasso-Firma von einem ADAC Mitglied. Daher wird dieses ADAC Musterverfahren beim Oberlandesgericht Köln geführt. Es könnte ungemütlich werden für die Inkasso-Branche.
In Österreich war Datenschutzbeschwerde erfolgreich
Was die datenschutzrechtliche Beschwerde angeht, hoffen die ADAC Juristen auf das Vorbild Österreich. Hier gab die Datenschutzbehörde im vergangenen Jahr einem Autofahrer Recht, der nach einem Tempoverstoß in Italien Post von einem österreichischen Inkasso-Unternehmen bekommen hatte. Der Mann berief sich gegenüber der Behörde auf die Verletzung seines Rechts auf Löschung und Geheimhaltung seiner Daten. Mit Erfolg.
ADAC hofft auf Schlag gegen Inkasso-Branche
In Österreich sind nach der Entscheidung der Datenschutzbehörde die Inkasso-Fälle bei italienischen Bußgeldern zurückgegangen. Das erhofft sich ADAC Auslandsjurist Nissen auch für Deutschland. "Wenn unserer Beschwerde stattgegeben würde, wäre das ein enormer Schlag gegen die Inkasso-Branche", sagt er. "Ein Erfolg des Musterverfahrens in NRW hätte auch eine Signalwirkung für andere Bundesländer, da viele der Firmen bundesweit aktiv sind." Und es wäre ein Erfolg für den Verbraucherschutz. Nissen: "Unsere Mitglieder brauchen hier Rechtssicherheit, das wollen wir mit den Musterverfahren erreichen."