Euro-7-Abgasnorm: Die geplante Reform im ADAC Check
In der Europäischen Union müssen neue Automodelle Abgasnormen erfüllen, um zugelassen zu werden. Derzeit wird die neue Norm Euro 7 vorbereitet. Alle Infos zur aktuellen Diskussion – und was der ADAC dazu sagt.
Neue Grenzwerte: Das Aus für die Verbrenner?
Prüfverfahren werden überarbeitet
Einführung Euro-7-Norm: Wahrscheinlich ab 2025
Autos, besonders solche mit Verbrennungsmotor, stoßen Schadstoffe und klimaschädliche Gase aus. Noch regelt die Abgasnorm Euro 6, wie viel Schadstoff ein Fahrzeug verursachen darf. Derzeit bereitet die EU-Kommission die nächste Stufe der Norm vor. Ihre finalisierte Folgenabschätzung will die Kommission im Juni 2021 vorstellen, der Legislativvorschlag soll Ende 2021 folgen. Die Abgasnorm Euro 7 könnte dann wohl frühestens 2025 in Kraft treten.
Euro 7: Noch wird diskutiert
Über die geplanten Inhalte der neuen Abgasnorm wird bei interessierten Verbänden und Unternehmen heftig diskutiert. Und das von der EU-Kommission beauftragte "CLOVE-Konsortium" präsentierte schon Zwischenergebnisse von vorbereitenden wissenschaftlichen Untersuchungen. Diese sind jedoch, darauf wies die Kommission hin, nicht als Legislativvorschlag zu verstehen. Erst mit Vorlage eines konkreten Verordnungsentwurfs ist deshalb eine Bewertung der zukünftigen Bestimmungen möglich.
Das generelle Ziel der neuen Norm ist dagegen klar: Sie soll die Autohersteller dazu verpflichten, die Schadstoffemissionen ihrer neuen Modelle weiter zu reduzieren. Doch welche Schadstoffe und Gase sollten dann limitiert sein? Wie hoch müssen die neuen Grenzwerte sein? Und reichen die üblichen Prüfverfahren zur Kontrolle aus? Die Diskussion aus Sicht des ADAC.
Abgas: Limitierung von Ammoniak
Die aktuelle Abgasnorm Euro 6 begrenzt den Ausstoß von Kohlenstoffmonoxid (CO), Kohlenwasserstoff (HC), Nichtmethankohlenwasserstoff (NMHC), Stickstoffoxiden (NOₓ), Partikelmasse (PM) und Partikelanzahl (PN). Künftig sollten aus Sicht des ADAC auch noch weitere Abgase, die beim Autofahren entstehen, reglementiert werden. Dazu gehört besonders der unnötige und mit überschaubarem technischem Aufwand begrenzbare Ausstoß des Reizgases Ammoniak (NH₃). Bei schweren Nutzfahrzeugen ist diese chemische Verbindung, die Atemwege und Lungen schädigt, bereits gesetzlich limitiert.
Treibhausgase: Nicht nur CO₂ ist relevant
Bei den klimarelevanten Gasen sollten neben Kohlendioxid (CO₂) auch Treibhausgase wie Methan (CH₄), das vor allem bei CNG-Fahrzeugen emittiert wird, und Distickstoffmonoxid (N₂O) berücksichtigt werden. Distickstoffmonoxid wird zwar nur in geringen Mengen freigesetzt, ist aber 298-mal so klimaschädlich wie CO₂. Das Messverfahren ist mit dem für NH₃ identisch, eine Betrachtung von N₂O wäre somit im Zuge der Einführung eines NH₃-Grenzwertes denkbar.
Feinstaub: Alle Größen einbeziehen
Derzeit gibt es noch keine Vorgaben für Ultrafeinstaubpartikel unterhalb einer Größe von 23 Nanometern. Das, so der ADAC, muss sich mit Euro 7 ändern: In Zukunft sollte das gesamte Größenspektrum der Partikelemissionen erfasst werden. Weil die im Rahmen der Abgasnorm vorgeschriebenen Grenzwerte für Partikelmasse (PM) und Partikelanzahl (PN) derzeit nur für Diesel und Ottomotoren mit Direkteinspritzung gelten, empfiehlt der Club darüber hinaus die Ausweitung des Geltungsbereichs auf Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung: Beim ADAC Ecotest stoßen die Prüfer immer wieder auf Modelle, die hier deutlich erhöhte Emissionen aufweisen.
Der Abrieb von Bremsen und Reifen gilt als mitverantwortlich für die hohe Mikroplastikbelastung im Wasser. Doch aus Sicht des ADAC sollten Grenzwerte für diese Partikel nicht in eine künftige Euro-7-Norm einbezogen, sondern in die Regelungen für Reifen oder Fahrzeugkomponenten integriert werden.
Prüfverfahren: Überarbeitung notwendig
Autos müssen für die Typgenehmigung ein Messverfahren namens Worldwide harmonized Light Duty Test Procedure (WLTP) durchlaufen. Es findet weitgehend unter Laborbedingungen auf einem Prüfstand statt, der Abgasausstoß wird aber auch bei sogenannten Real-Driving-Emission(RDE)-Tests gemessen.
Der ADAC empfiehlt, die in der Vergangenheit fortlaufend erweiterten Prüfverfahren kritisch zu hinterfragen. So bringt das Überprüfen der Übereinstimmung der Produktion (Conformity of Production, COP) wenig Nutzen und könnte daher zukünftig eingestellt werden.
Um den Aufwand der Prüfstandsmessungen zu reduzieren, sollte die "Typ-1-Prüfung", die aktuell bei 23 °C stattfindet, bei der europäischen Durchschnittstemperatur von 10 °C durchgeführt werden. Die ergänzende Prüfung mit Korrekturfaktor für die regional repräsentative Umgebungstemperatur (Ambient Temperature Correction Test, ATCT) könnte dann entfallen.
Dagegen sind Ergänzungen des Labor-Zulassungstests durch Straßenmessungen (RDE) und sogenannte Feldüberwachungen (In-Service-Conformity, ISC) von bereits länger gelaufenen Autos sinnvoll – einschließlich möglicher Konsequenzen bei Nichteinhaltung.
Die Messverfahren bei den RDE-Tests müssen weiterentwickelt werden, mit dem Ziel, dass für Labor- und Straßenfahrtmessung die gleichen Grenzwerte anzuwenden sind – Fachleute sprechen von einem Konformitätsfaktor von 1,0, der heute aufgrund der höheren Messunsicherheit bei RDE-Messgeräten höher liegt. Außerdem sollte mit der gleichen Messung auch der Kraftstoffverbrauch überprüft werden.
Green NCAP: Vorbild für Euro 7
Aus Sicht des ADAC gibt es im Übrigen bereits ein sehr gutes Vorbild für Euro 7, an dem sich der neue Standard orientieren sollte: den Green NCAP. Dr. Reinhard Kolke, Leiter ADAC Test und Technik, sagt: "Das Testverfahren von Green NCAP liefert schon heute Werte, wie sie auch Euro 7 liefern sollte, etwa für Ammoniak und Lachgas sowie bei sehr niedrigen Außentemperaturen und bei anspruchsvollen Realfahrten."
Grenzwerte: Einheitlich für alle Antriebstechnologien
Seit Jahrzehnten fordert der ADAC technologieunabhängige, identische Grenzwerte für Benziner und Diesel – dies sollte mit der neuen Euro 7 endlich durchgesetzt werden. Überdies müssen aus Sicht des ADAC die Grenzwertanforderungen in allen Betriebszuständen eingehalten werden.
Wichtig: Die Einführung der neuen Euro 7 sollte nur in einer Stufe erfolgen. Die vielen Differenzierungen mit zum Teil sehr kurz aufeinanderfolgenden Einführungsfristen im Rahmen der Euro 6 in Form von Euro 6a, 6b, 6c, 6d-TEMP und 6d sowie noch weiteren Unterteilungen haben bei den Verbrauchern und Fahrzeugkäufern zu großer Verwirrung und Unverständnis geführt.
Die Position des ADAC
Der ADAC steht einer Überarbeitung der Verordnungen hinsichtlich der Verringerung der Schadstoffemissionen von Straßenfahrzeugen offen gegenüber.
Für das Erreichen geplanter Ziele der Luftqualität und Lufthygiene begrüßt der ADAC auch die weitere Anpassung von Grenzwerten, sieht jedoch bezüglich einer Grenzwertverschärfung noch erheblichen Diskussionsbedarf. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigen einen deutlichen Rückgang der Emissionen des Straßenverkehrs sowie der Schadstoffkonzentration in den Städten bei Feinstaub und bei Stickoxiden. Die EU-Kommission hat bisher keine Grundlagen veröffentlicht, die eine extreme Absenkung einiger Schadstoffe bei allen Neufahrzeugen begründen.
Emissionsgrenzwerte sollten sich auch am technisch Möglichen orientieren und den Verbrennungsmotor nicht ins Aus manövrieren.