DAR: Fachzeitschrift für Deutsches Autorecht
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Aktuelles:
Auslegung des Vorliegens von „unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umständen“ nach Art. 12 Abs. 2 RL 2015/2302/EU – lediglich Indizwirkung einer Reisewarnung des Auswärtigen Amts - EuGH vom 29.2.2024, Rs. C-299/22
Der EuGH hat am 29.2.2024 zwei Vorabentscheidungen zur Auslegung des Art. 12 Abs. 2 RL 2015/2302/EU getroffen.
In der Rechtssache C-584/22 (abgedruckt im DAR 2024, 201) legt der EuGH den Art. 12 Abs. 2 RL 2015/2302/EU dahingehend aus, dass der Rücktrittszeitpunkt als für die Feststellung unvermeidlicher außergewöhnlicher Umstände maßgeblich ist.
In der Rechtssache C-299/22 (Volltext siehe unten verlinkte pdf-Datei) legt der EuGH den Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie in weiteren Teilen aus:
Voraussetzung für die Feststellung „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ ist nicht, dass die zuständigen Behörden Reisenden offiziell davon abraten, sich in das betreffende Gebiet zu begeben, oder das betreffende Gebiet offiziell als „Risikogebiet“ einstufen.
„Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände …, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“ umfasst nicht nur die Unmöglichkeit einer Pauschalreise, sondern auch Umstände, die dazu führen, dass die Gesundheit und Sicherheit der Reisenden – ggf. unter Berücksichtigung persönlicher Faktoren – gefährdet wäre.
Eine Situation, die der Reisende zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Pauschalreisevertrags bereits kannte oder vorhersehen konnte, gilt nicht als „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“. Die Situation kann sich aber nach Vertragsabschluss verändern, so dass eine neue Situation entsteht, die dann unter die Definition des Begriffs „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ fällt.
Für die Feststellung, ob am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auftretende unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände „die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“, können auch Beeinträchtigung berücksichtigt werden, die am Abreiseort oder an den Orten, die mit dem Beginn der Reise und mit der Rückreise verbunden sind, auftreten und sich diese auf die Durchführung der Pauschalreise auswirkt.
Prof. Dr. Staudinger hat beide Entscheidungen in einer Anmerkung, abgedruckt in DAR 2024, 203, besprochen.
Erfolglose Verfassungsbeschwerde wegen fehlender "Rohmessdaten" bei Geschwindigkeitsmessung – BVerfG vom 20.6.2023, Az. 2 BvR 1167/20
Im Wege der Verfassungsbeschwerde trug der Betroffene eine Pflicht zur Speicherung von Rohmessdaten vor. Im vorliegenden Fall wurde das Messgerät Leivtec XV3 verwendet.
Der Betroffene war mit dem Messgerät bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung erfasst worden. Er legte Einspruch ein und beantragte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Tatsache, dass die Messung mangels Rohmessdatenspeicherung nicht überprüfbar sei. Der Antrag wurde vom Amtsgericht abgelehnt, der Betroffene verurteilt. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Dagegen wandte sich der Betroffene mit der Verfassungsbeschwerde, er sei in seinem Recht auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren verletzt, da mangels Rohmessdaten eine Überprüfung nicht möglich sei. Daraus resultiere, dass nur Messgeräte verwendet werden dürften, die diese Daten speichern.
Die Verfassungsbeschwerde wurden nicht zur Entscheidung angenommen.
Eine Anmerkung von Prof. Dr. Niehaus ist in DAR 2023, 446 ff. abgedruckt.
Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe
Das DAR-Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe können Sie hier downloaden.
DAR-Vorschau des aktuellen Dezember-Heftes
Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw der Marke Land Rover in die (Portal-)Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der zur serienmäßigen Fahrzeugausstattung gehörende Heckspoiler abgerissen, wodurch Schäden am Heck des Pkw entstanden. Der Kläger verlangte von dem beklagten Waschanlagenbetreiber Schadensersatz in Höhe von ca. 3.200,- €. Das AG Ibbenbüren verurteilte den Betreiber der Autowaschanlage antragsgemäß. Auf dessen Berufung hin wies das LG Münster die Klage jedoch ab.
Die Revision des Klägers führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Nach Ansicht des BGH steht dem Kläger ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe zu.
Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Waschanlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs lag vorliegend allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers. Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für den Schaden in Betracht.
Ferner hat sich die Beklagte auch nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Nach Ansicht des BGH reicht das in der Waschanlage angebrachte Schild und auch ein darunter angebrachter Zettel, auf dem der Waschanlagenbetreiber die Haftung für Schäden an Anbauteilen und Heckspoilern ausschließt, nicht aus, die Verantwortung für den Schaden auf den Fahrzeughalter zu übertragen. Der ausgehängte Zettel mache nicht klar, dass auch serienmäßig verbaute Heckspoiler für die Anlage ein Problem sein könnten.
(BGH, Urteil vom 21.11.2024, Az. VII ZR 39/24)
Zwei Erwerber von Mercedes-Dieselfahrzeugen verlangen vor dem LG Duisburg Schadensersatz von der Mercedes-Benz Group AG als Herstellerin der Fahrzeuge. Sie machen geltend, dass in den Fahrzeugen verbotene Abschalteinrichtungen verbaut seien. Das LG legte dem EuGH hierzu verschiedene Fragen vor, zu denen der Generalanwalt nun seine Schlussanträge gestellt hat.
Der Generalanwalt beantragt, dass der Emissionsgrenzwert im realen Fahrbetrieb eingehalten werden müsse. Gesetzlich vorgegebene Emissionsgrenzwerte würden dann nicht eingehalten, wenn das warmgelaufene Fahrzeug (das der Euro 5-Norm unterliegt) mehr als 180 mg/km an Stickoxiden ausstößt, wenn es in diesem Zustand den Fahrzyklus durchfährt.
Zudem müsse der Hersteller einen Teil der Beweislast für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche tragen. Zwar gelte hier grundsätzlich deutsches Recht, doch schlage er vor, nationale Regelungen dann als unionsrechtswidrig anzusehen, wenn sie dem Käufer die volle Beweislast dazu auferlegen, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden sei und ob diese durch eine Ausnahmegenehmigung zulässig sei, wenn nicht der Hersteller des Fahrzeugs Informationen beisteuere.
Die Frage, ob die Rechtsprechung des BGH zum „Differenzschaden“ mit EU-Recht vereinbar sei, d.h. der Käufer das Fahrzeug behalten muss und lediglich den Betrag erstattet verlangen kann, um den er das Fahrzeug angesichts der mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat, beantwortet der Generalstaatsanwalt damit, dass der Erwerber grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Vermögensdifferenz hat. Die Mitgliedstaaten müssen aber keinen Anspruch auf die volle Höhe der Erwerbskosten gewähren.
Zur vom BGH festgelegten Schadensersatz-Höchstgrenze von 15% des Kaufpreises äußert sich der Generalanwalt nicht, da in den vorgelegten Fällen kein höherer Schaden entstanden sei.
(Schlussanträge des Generalanwalts vom 21.11.2024, Rs. C 251/23 und Rs. C 308/23)
DAR-Leseprobe 03/2023
Hier finden Sie exklusive Leseproben zu ausgewählten Literatur- und Praxis-Beiträgen des Deutschen Autorechts - DAR.
„Verantwortlichkeiten für Verkehrsverstöße in Europa – Überblick und Ergänzung zum Arbeitskreis II des 61. VGT 2023?“
Beitrag von Peter Jaklin und Michael Nissen
DAR-Online
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VERLAG: Juristische Zentrale des ADAC e.V.
Hansastr. 19, 80686 München
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