Diesel-Partikelfilter: Auch neuere Autos fallen beim "TÜV" durch
Auch neuere Pkw mit Diesel-Partikelfilter fallen schon bei der ersten Hauptuntersuchung durch, weil zu viele Partikel gemessen werden. Gerade Ford-Modelle sind auffällig. Die Hintergründe. Und gibt es Rechtsansprüche gegenüber dem Hersteller?
Reparaturkosten bis zu 3000 Euro
Betroffen sind vor allem Ford-Modelle
Problem: Unterschiedliche Messverfahren
Betroffen: Vor allem Ford-Diesel
Bereits im April 2024 hat der ADAC darüber berichtet, dass es Probleme bei der AU mit neueren Dieseln gibt. Inzwischen sind mehrere Dutzend Beschwerden von Mitgliedern eingegangen, deren Pkw mit Diesel-Partikelfilter schon bei der ersten Hauptuntersuchung (HU) und somit nur drei Jahre nach Erstzulassung die Abgasuntersuchung nicht bestehen – trotz zum Teil auch nur relativ geringer Laufleistung.
Bei genauerer Untersuchung zeigt sich meist, dass der Partikelfilter seiner Aufgabe nicht mehr nachkommt und daher für teuer Geld ausgetauscht werden muss. Je nach erforderlichen Maßnahmen, können die Kosten für die Reparatur bis zu 3000 Euro betragen, was eine erhebliche Investition für Autofahrer darstellt.
Betroffen sind hauptsächlich Ford-Modelle mit 1.5 und 2.0 Liter Ecoblue Motoren. Ford arbeitet aktiv an einer Lösung, hieß es im April 2024, allerdings war der Hersteller von Lieferengpässen der auszutauschenden Partikelfilter betroffen. Zur Prävention sollte auch ein Software-Update notwendig sein.
Ford teilte dem ADAC im April 2024 mit: "In den letzten Wochen wurde die Situation durch Kapazitätsmaximierung bereits deutlich verbessert. Wenn ein DPF-Ersatzteil nicht verfügbar ist, hat der Ford-Händler die Möglichkeit über den Kundendienst leihweise ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus haben wir die Preise für einen DPF-Ersatzteil um bis zu 40 Prozent reduziert. Zusätzlich wird in einzelnen Fällen nun eine Kulanz angeboten."
Was ist die genaue Ursache?
Was aber, wenn nicht der Partikelfilter selbst die Ursache ist, sondern ein anderes Problem die Funktion des Filters beeinträchtigt? Dann wäre auch der Austausch des Filters keine dauerhafte Lösung.
ADAC Technikchef Reinhard Kolke vermutet, dass sich die Regeneration – also das Freibrennen des Filters – auf die Leistungsfähigkeit des Partikelfilters auswirkt. Bei einer zu hohen Temperatur etwa könnte der Filter Schaden nehmen. Denkbar wäre auch, dass das Management von aktiver und passiver Regenration nicht gut aufeinander abgestimmt ist.
„Das Management von aktiver und passiver Regenration könnte nicht aufeinander abgestimmt sein.“
Dr. Reinhard Kolke, Leiter ADAC Technik Zentrum©ADAC/Theo Klein
Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte es trotz der teils vom Kunden getragenen Investition in einen neuen Partikelfilter bei der nächsten AU wieder zu Auffälligkeiten kommen. Jetzt ist also Ford gefragt und muss weiter auf Ursachenforschung gehen – und dringend eine tragbare, dauerhafte Lösung anbieten, um Dieselfahrer nicht weiter im Unklaren zu lassen. Die nächste AU kommt schließlich bestimmt.
Stand Oktober 2024 lässt die Lösung aber weiter auf sich warten. Auf Nachfrage des ADAC antwortet Ford:
"Unser Team arbeitet weiterhin mit höchster Priorität daran, betroffene Kunden mit Preisreduzierungen, erweiterten Garantieregelungen und besserer Verfügbarkeit von Ersatzteilen sowie mit Kulanzmaßnahmen zu unterstützen. Die Garantie der ausgetauschten Diesel-Partikelfilter haben wir auf drei Jahre erhöht. Ebenso ist die Fehleranalyse nahezu abgeschlossen und das Team entwickelt weitere Maßnahmen für die betroffenen Modelle. Aufgrund der laufenden Abstimmungen mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) können wir derzeit keine weiteren Details veröffentlichen."
Wann fällt man bei der HU/AU durch?
Die Partikelzahlmessung für Euro 6 Diesel ist am 1. Juli 2023 in Kraft getreten und ersetzt die bisherige Messung des Absorptionskoeffizienten. Der Grenzwert der Partikelkonzentration liegt bei 250.000 Partikel/cm³. Zum Vergleich: Bei "guten" Partikelfiltern liegt der Wert um 10.000 Partikel/cm³.
Es werden drei Messungen durchgeführt und der Mittelwert gebildet. Der Mittelwert ist ausschlaggebend für ein Bestehen der Abgasguntersuchung (kurz AU). Ein Nichtbestehen der AU wird als erheblicher Mangel gewertet. Damit ist die Hauptuntersuchung (HU) nicht bestanden und es erfolgt keine Zuteilung der Plakette.
Partikelfilter sind in der Lage, mehr als 90 Prozent des Rußes auszufiltern und zu verbrennen – darunter viele feinste Partikel, die im Verdacht stehen, Krebs zu verursachen. Bei den serienmäßig verbauten Modellen handelt es sich in der Regel um sogenannte geschlossene Wandstromfilter. Die Dieselabgase strömen durch eine poröse Filterwand aus Keramik oder Metall. Die Anziehungskraft der Moleküle verschiedener Stoffe (Adhäsion) hält die Rußpartikel im Abgas an der Wand fest, sie sammeln sich an den Filterinnenseiten an.
Weil sich im Lauf der Zeit immer mehr Partikel im Rußfilter ansammeln, werden diese regelmäßig abgebrannt. Hierfür muss die Abgastemperatur über der Rußzündtemperatur von 550 Grad Celsius liegen. Bei diesem als "Regeneration" bezeichneten Vorgang entstehen hauptsächlich Kohlendioxid (CO₂) und Wasserdampf. Ein kleiner Rest bleibt als Asche im Filter.
TÜV-Statistik: Partikelzahlmessung
Die Probleme bei Ford sind kein Einzelfall. Der TÜV-Verband hat im Februar 2024 eine erste Auswertung zur Wirksamkeit der Partikelanzahlmessung veröffentlicht. Auswertet wurden Messungen von 950.809 Fahrzeugen zwischen 1. August und 30. Oktober 2023.
Davon haben 32.285 die Prüfung im ersten Anlauf nicht geschafft – was einer Durchfallquote von 3,4 Prozent entspricht. Bei Fahrzeugen mit einer Laufleistung bis 50.000 Kilometern liegt die Durchfallquote bei 2,8 Prozent. In der Gruppe von 50.000 bis 160.000 Kilometern beträgt die Durchfallquote 3,3 Prozent und bei Fahrzeugen mit mehr als 160.000 Kilometern sind es 4,7 Prozent.
Problem: Unterschiedliche Messverfahren
Wenn bei einem vergleichsweise neuen Fahrzeug die Hauptuntersuchung (HU) bzw. Abgasuntersuchung (AU) wegen Überschreitung der Partikelzahl nicht bestanden wird, besteht folgendes rechtliches Problem: Die Emissionsprüfung im Rahmen der Fahrzeugtypgenehmigung und die Partikelzahlmessung im Rahmen von HU/AU bei Euro 6-Diesel basieren auf unterschiedlichen Messverfahren inklusive Grenzwerten.
Der Unterschied:
Beim Typgenehmigungsverfahren kommt es auf die Einhaltung eines Grenzwerts der Gesamtpartikelanzahl pro Kilometer an.
Aufgrund nationaler Vorgaben wird im Rahmen der HU/AU die Anzahl an Partikel pro Volumen Abgas (Konzentration) gemessen.
Das Problem: Eine Messung wie im Typgenehmigungsverfahren wäre für Überwachungsorganisationen wie TÜV oder Dekra für einzelne Fahrzeuge in punkto Kosten und Aufwand nicht leistbar. Deshalb entschied man sich für die Partikelzahlmessung pro Volumen. Es wurden jedoch im Vorfeld Studien mit Vergleichsmessungen durchgeführt. Anhand dieser Ergebnisse wurde ein relativ hoher Grenzwert von 250.000 Partikel/cm³ festgelegt.
AU nicht bestanden: Was kann man tun?
Aber: Rechtlich bindend sind für den Fahrzeughersteller die Werte der Typgenehmigung. Und ein Durchfallen bei der Volumenmessung der HU/AU bedeutet nicht zwingend, dass die im Rahmen der Typgenehmigung gemachten Vorgaben hinsichtlich der Haltbarkeit von Dieselpartikelfiltern verletzt sind. Bei Nichtbestehen der Abgasmessung im Rahmen der HU/AU kann der Fahrzeughalter also nicht ohne Weiteres Ansprüche an den Fahrzeughersteller richten.
Garantie-/Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Fahrzeughersteller bestehen in der Regel nicht, wenn das Fahrzeug bei einem Alter von 3 Jahren erstmals zur HU/AU kommt. Allenfalls könnten noch Sachmängelhaftungsansprüche gegen den Verkäufer vorhanden sein (max. zwei Jahre ab Kauf).
Auch Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller sind kaum denkbar, weil dies einerseits aus Produkthaftung für das mangelhafte Produkt (Partikelfilter) selbst nicht vorgesehen ist und andererseits überhaupt erst in Betracht kommt, wenn die EU-Grenzwerte nicht eingehalten werden. Damit besteht allenfalls noch die Möglichkeit einer Kostenbeteiligung des Fahrzeugherstellers über Kulanz.
Die Situation ist für betroffene Autofahrer absolut unbefriedigend. Deshalb fordert der ADAC die Automobilindustrie auf:
Die Abgasminderungssysteme der Pkw-Modelle müssen so ausgelegt sein, dass diese im normalen Fahrbetrieb ihre Wirksamkeit – auch bei der Messung im Rahmen der HU/AU – gewährleisten.
Bei Auffälligkeiten im Rahmen der neuen Partikelzahlmessung bei der Hauptuntersuchung sollte eine Kostenbeteiligung auf Kulanz gewährt werden.
Partikelfilter und AU: Tipps für Autofahrer
Lassen Sie den Filterzustand des Dieselpartikelfilters und die Funktion des Regelkreises per Diagnosetool von einer Fachwerkstatt prüfen und ggf. eine Notregeneration durchführen.
Spezialfirmen bieten eine Filterreinigung an. Das kommt in der Regel günstiger als der Tausch des Filters gegen ein Neuteil. Allerdings: Eine Reinigung wird von den Automobilherstellern in der Regel nicht empfohlen.
Kommt man um einen Austausch des Partikelfilters nicht herum, empfiehlt sich ein Antrag auf Kulanzbeteiligung zu stellen, dies ist jedoch nur über eine Vertragswerkstatt möglich. Erfolgt keine Kostenbeteiligung, empfehlen sich ggf. durch Spezialfirmen aufbereitete Gebrauchtteile. Diese können deutlich günstiger als Neuteile sein und haben auch eine Garantie.