E-Auto laden in Tourismusregionen: Wo es knapp werden könnte

Ein grauer Tesla an einer Stromladestation vor Alpenkulisse in Berchtesgaden, Bayern
Noch gibt es vielerorts in Deutschland ein Überangebot an E-Ladesäulen, doch schon in wenigen Jahren könnte das Gegenteil der Fall sein – vor allem in beliebten Urlaubsorten© Shutterstock/BarthFotografie

Ein neues Online-Tool des ADAC zeigt, wie sich der Ladebedarf für E-Autos in Deutschland bis 2030 entwickeln könnte, wenn man den Tourismus einbezieht. Vielerorts droht Ladestau.

  • Regionaler Tourismus bei Infrastrukturplanung bisher zu wenig berücksichtigt

  • Online-Tool veranschaulicht künftigen Ladebedarf von Reisenden mit E-Autos

  • ADAC regt unterstützende Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen an

Mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw will die Bundesregierung bis 2030 auf die deutschen Straßen bringen. Inklusive Plug-in-Hybriden sollen es 17 Millionen E-Fahrzeuge sein. Aktuell gibt es erst rund 2,3 Millionen zugelassene E-Autos. Auch an einer Million öffentlich zugänglichen Ladepunkten bis zum Ende des Jahrzehnts hält die Ampel-Koalition fest. Noch sind es gut 90.000.

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland geht allerdings langsam voran. Der ADAC setzt sich deshalb dafür ein, dass er mit der steigenden Zahl der E-Autos Schritt hält – auch in touristischen Orten. Denn der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ziel sollte sein, dass für jedes E-Auto künftig ein bedarfsgerechtes Angebot an öffentlicher Ladeinfrastruktur besteht.

Der ADAC hat deshalb Prognosen zum lokalen Ladebedarf bis zum Jahr 2030, die im Auftrag der Bundesregierung entstanden sind, um einen Tourismusfaktor erweitert. Der ADAC Projektor E-Ladebedarf in Tourismusregionen basiert auf den aktuellen Daten und Hochrechnungen der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, die für die bisherige Planung wichtige Grundlagen schafft.

So beeinflusst der Tourismus die Elektromobilität

Damit Tourismusregionen den Ladeinfrastrukturausbau vor Ort besser planen können, ist es aus Sicht des ADAC wichtig, Reisende mit E-Autos zu berücksichtigen. Denn sie sind ein bedeutender Faktor der Elektromobilität. Das neue, interaktive Online-Tool des Mobilitätsclubs zeigt, wie sich der Ladebedarf künftig in Deutschland vergrößern könnte, wenn man die örtliche Tourismusintensität einbezieht – also die Übernachtungen je Einwohner – und dafür einen Multiplikator errechnet: den Tourismusfaktor.

Zum ADAC Projektor E-Ladebedarf in Tourismusregionen

Das Delta zwischen der aktuellen Ladeinfrastruktur für Elektroautos und dem künftigen Ladebedarf in Tourismusregionen ist teils erheblich: Während heute vielerorts ausreichende Ladekapazitäten vorhanden sind, weist der ADAC Projektor für die zwei Prognosejahre 2025 und 2030 immer mehr unterversorgte Tourismusorte aus. In der Anwendung kann man den Tourismusfaktor einerseits auf Basis der derzeitigen Übernachtungszahlen eines Jahres und andererseits auf Basis des Monats mit den meisten Übernachtungen aktivieren. Hier zeigt sich: Wird nicht rechtzeitig gehandelt, kann es beim Urlaub mit dem E-Auto in den Hotspots während der Hochsaison zum Ladestau kommen.

Diese Urlaubsorte haben zusätzlichen E-Ladebedarf

ADAC Projektor E-Ladeinfrastruktur Eine Karte zum Thema Ladebedarf in deutschen Tourismusregionen
Das interaktive ADAC Projektor-Tool zeigt, in welchen Tourismusregionen es bis 2030 voraussichtlich erhöhten E-Ladebedarf gibt© ADAC

Der unterschiedliche E-Ladebedarf ist in der Karte des ADAC Projektors farblich kenntlich gemacht: von dunkelgrün für sehr gering bis violett für sehr hoch. Die jeweiligen Darstellungen orientieren sich stets an den Szenarien in den Jahren 2023, 2025 und 2030 im Standort-Tool der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Der dort identifizierte Ladebedarf für E-Autos wird durch den Tourismusfaktor des ADAC um eine wichtige Dimension erweitert. Damit erhalten Tourismusvertreter und Kommunen erstmals konkrete Anhaltspunkte, um die Antriebswende sowie die entsprechenden Anforderungen von Urlauberinnen und Urlaubern besser bewältigen zu können.

Beispiele: Kommunen mit erhöhtem E-Ladebedarf

Kommune

Einwohner

Übernachtungen p.a.

Tourismusintensität

Tourismusfaktor

Potenzialklasse E-Ladebedarf

Potenzialklasse mit Tourismusfaktor

Oberstdorf

9.923

2.560.450

258

1,5

7

9

Ostseebad Binz

5.465

2.105.762

385

1,6

6

9

Baiersbronn

15.826

677.618

43

1,2

7

8

Büsum

4.904

1.052.746

215

1,5

6

9

Bad Dürrheim

12.932

658.827

51

1,3

5

6

(c) ADAC 9/2023

Die Zoom-Funktion des ADAC Projektors verdeutlicht, dass vor allem in Reisezielen in ländlicheren Regionen und in deutschen Grenzgebieten bis zum Ende dieses Jahrzehnts durch den Tourismus zusätzlicher E-Ladebedarf entstehen kann. Etwa im Allgäu, in Garmisch-Partenkirchen, im Harz oder in Büsum und Sankt Peter-Ording an der Nordseeküste. Ein genauer Blick zeigt außerdem: Beliebte Inseln wie Sylt und Föhr hat die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur bisher nicht einkalkuliert. Der ADAC Projektor kann deshalb hier auch noch keine touristischen E-Ladebedarfe ausweisen.

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Mit der ADAC Ladesäulen-Karte finden Sie eine geeignete Ladestation in Ihrer Nähe oder auf Ihrer Route. Über 38.000 Ladestationen lassen sich mit diesem Online-Tool ganz einfach nach Standort, Ladeleistung und Steckertyp sowie Anbieter filtern.
Hier geht es zur ADAC Ladesäulen-Karte.

Das kann die Infrastukturplanung besser machen

Der ADAC hält es für notwendig, dass nicht nur der Alltags- und Fernverkehr bei der Infrastrukturplanung in Deutschland berücksichtigt wird, sondern auch der E-Auto-Ladebedarf, der durch den Tourismus entsteht. Denn dieser weicht in der Regel von den üblichen Berufs- und Freizeitfahrten ab – zeitlich wie auch räumlich. Die zusätzlichen Ladevorgänge finden etwa oft zu gesetzlichen Feiertagen oder in Schulferien statt und konzentrieren sich auf touristisch attraktive Regionen inklusive der Zubringer.

Karlheinz Jungbeck Porträt

Wir wollen, dass unsere Mitglieder ganz beruhigt in den Urlaub fahren können – auch mit ihrem Elektrofahrzeug.

ADAC Tourismus-Präsident Karlheinz Jungbeck©Steffen Leiprecht/sl-pictures.de

Der Mobilitätsclub regt deshalb an, die Übernachtungszahlen von Urlauberinnen und Urlaubern in saisonalen Spitzenzeiten und perspektivisch auch den Tagestourismus bei der Bedarfsschätzung der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur zu berücksichtigen. Darüber hinaus schlägt der ADAC vor, die Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene so auszurichten, dass sie für touristische Anbieter nutzbar und attraktiv sind. Damit diese eine eigene Ladeinfrastruktur aufbauen, die das öffentliche Ladenetz ergänzen kann.

Lesen Sie hier die ausführlichen Schlussfolgerungen des ADAC zum Thema
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Methodik

Die Grundlage für den "ADAC Projektor eLadebedarf in Tourismusregionen" bildet das Standort-Tool der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Dieses gibt einen Überblick über den Bestand bei der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum und die entsprechenden Bedarfe bis 2030. Die Leitstelle plant im Auftrag der Bundesregierung den Ausbaubedarf der Ladeinfrastruktur in Deutschland und sorgt mit der Ausschreibung zum Deutschlandnetz dafür, das Netzlücken geschlossen werden.

Spezifische Daten zum Tourismus und zu touristischer Mobilität in den Zielgebieten fließen im Standort-Tool bisher nicht ein. Deshalb hat der ADAC einen Tourismusfaktor errechnet und die staatlichen Modelldaten damit gewichtet. Er ergibt sich aus dem Verhältnis der Übernachtungs- zu den Einwohnerzahlen in den Kommunen. Dafür sind amtliche Statistiken ausgewertet worden.

Der E-Ladebedarf im öffentlichen Raum ist von der Leitstelle für die Jahre 2023, 2025 und 2030 kalkuliert worden. Er hängt von der erwarteten Zahl an Elektroautos ab und auch von der Annahme darüber, zu welchem Anteil Ladevorgänge im privaten Raum erfolgen. Der ADAC orientiert sich bei beidem am Standort-Tool (Anteil öff. Laden dauerhaft bei 25 %; Anteil priv. Laden sinkt von 85 auf 60 %).