Außergewöhnliche Treppen in aller Welt
Spektakuläre Treppen müssen nicht unbedingt sehr hoch sein, sie dienen auch als Aussichtspunkte, Kunstwerk oder Fitnessgerät – eine Weltreise über unzählige Stufen.
In der Schweiz gibt es die längste Treppe der Welt
Für eine Treppe in England gibt es eine Geisterforscherin
Ganz modern sieht eine 1300 Jahre alte Treppe in Indien aus
Im Treppenhaus des Frankfurter Tower 185 stieg 2014 Christian Riedl 71 Mal nach oben. Macht bei jeweils 988 Stufen den Weltrekordwert von 70.148 Stufen bzw. über 13 Kilometer. Rein optisch ist diese Treppe nicht so aufregend. Von Wuppertal bis zur Westside von Manhattan gibt es architektonisch wesentlich spannendere.
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Tiger and Turtle: Tierisches in Duisburg
Für die Kulturhauptstadt Ruhr.2010 entwickelten die Künstlerinnen Heike Mutter und Ulrich Genth eine begehbare Skulptur, die die Heinrich-Hildebrand-Höhe im Angerpark in Duisburg-Angerhausen krönt. Wie bei einer Achterbahn ("Magic Mountain") ist auch ein Looping eingebaut, der allerdings nicht zu betreten ist. Aber es bleiben immerhin 220 der 349 Stufen in Form von Gitterrosten übrig.
Von der höchsten begehbaren Stelle 13 Meter über dem Boden reicht der Ausblick von hier auf die Duisburger Innenstadt und das Ruhrgebiet, den Rhein entlang bis nach Düsseldorf mit dem Rheinturm und dem Tower des Flughafens. Näher liegen die Hüttenwerke, der Binnenhafen, aber auch dichte, naturbelassene Waldgebiete. Tiger and Turtle erinnert in seiner Geschmeidigkeit tatsächlich an einen Tiger, auch wenn es nur im Schildkrötengang zu erleben ist. Eine besondere Wirkung entfalten die Tiere, wenn sie nachts von 880 LED-Lampen in den Handläufen beleuchtet sind.
Treppauf, treppab in Wuppertal
Zwischen dem Tal der Wupper und Stadtteilen wie Elberfeld liegen bis zu 95 Meter Höhenunterschied. Das erklärt die Zahl von 469 Treppen in Wuppertal, die sich zu 12.383 Stufen addieren. Die längste gerade durchgehende ist mit 155 Stufen die denkmalgeschützte Jakobstreppe, manchmal auch Jakobs- oder Himmelsleiter genannt. Am bekanntesten, auch durch ein Lied, ist das Tippen-Tappen-Tönchen, benannt nach dem Geräusch, das einst Holzschuhe beim Treppensteigen machten. Schon fast hochherrschaftlich wirkt die Vogelsauer Treppe, in zwei Etappen 1904 und 1929 angelegt. Sie ist aus Bruchsteinen und Basaltlava aufwändig gestaltet.
Zu einer Kunstinstallation machte 2006 der Künstler Horst Gläsker 2006 die damals über 100 Jahre alte Holsteiner Treppe hinauf zum Engelnberg. Jede ihrer 112 Stufen ist in einer anderen Farbe gestrichen und trägt in deren Komplementärfarbe den Schriftzug eines Gefühls. So schuf Gläsker eine Skala der Emotionen wie zum Beispiel Begeisterung, Nähe, Ehrlichkeit. Ursprünglich war das Werk nur temporär angelegt, doch wegen seiner Beliebtheit erhält es alle paar Jahre einen neuen Anstrich.
Niesenbahn: Weltrekord in der Schweiz
Im Berner Oberland führt die Niesenbahn in zwei Etappen auf den 2362 Meter hohen Berg gleichen Namens über dem Thuner See. Die Treppe entlang der Gleise ist mit 11.674 Stufen offiziell die längste der Welt und normalerweise nur für Menschen zugänglich, die Wartungsarbeiten an der Bahn durchführen.
Einmal im Jahr aber lockt der Niesenlauf Frauen und Männer aus aller Welt an. Zu schlagen ist der Rekord von Emmanuel Vaudan, der die 1643 Höhenmeter 2011 in weniger als einer Stunde bewältigte – Wanderer brauchen von Mülenen hoch zum Niesen rund fünf Stunden. Angetreten wird im Einzel- und Staffellauf, und die Ausschreibung für das Event sieht vor, dass die Kandidaten "fit und trainiert" sind. Den Weg zurück ins Tal legen sie dann in der 1910 fertiggestellten Standseilbahn zurück.
Kongresshaus: Zweckfreies in Biel
Hatte hier der Architekt einen Aussetzer? Oder die Baufirma gepatzt und das Geländer vergessen? Was ist das überhaupt? Wie so oft bei solchen Fragen handelt es sich um Kunst, in diesem Fall um Kunst am Bau. Der stammt aus dem Jahr 1966, ist das Kongresshaus der Stadt Biel im Schweizer Kanton Bern und gilt als Hauptwerk von Max Schlup. Immer wieder bleiben Passanten stehen, den Blick auf den Turm gerichtet, wo sich in luftiger Höhe eine Treppe ohne Handlauf um eine Ecke zieht.
Als der Architekt 2009 nach der Dramaturgie seines Entwurfes gefragt wurde, sagte er: "Sie ist einfach so entstanden. Allerdings mit einem Willen dahinter." Den Rest ließ er offen und sein Werk für sich selbst sprechen. Daher sollen auch die 18 Stufen weiter ihr Geheimnis bewahren. Eine Gefahr stellen sie nicht dar, denn niemand kann sie betreten: Die zum Inneren des Hochhauses führenden Türen sind fest verschlossen.
Spanische Treppe: Römischer Laufsteg
"Fare una bella figura" – gut auszusehen gehört zur italienischen Lebensart, dem muss sich manchmal auch die Natur unterwerfen. Im 18. Jahrhundert existierten in Rom zwar schon die elegante Piazza di Spagna und 23 Meter oberhalb die Renaissancekirche Santa Trinità dei Monti. Doch den Abhang dazwischen prägte wild wuchernde Natur, und das gefiel Papst Innozenz XIII. überhaupt nicht. Die Ausschreibung zum Bau einer Freitreppe gewann Francesco De Sanctis mit einer aufwändigen, in der Höhe und in der Breite jeweils dreigeteilten Konstruktion.
Sie schließt zwei Terrassen ein und bildet mit dem barocken Barcaccia-Brunnen am Ende der Via Condotti und dem Sallustiano-Obelisk vor der Kirche eines der bekanntesten Motive Roms. Im Italienischen ist die Scalinata di Trinità dei Monti nach der Kirche benannt, im Deutschen nach der Piazza di Spagna, Adresse der Spanischen Botschaft beim Vatikan. Touristen aus aller Welt dient sie als Fotospot und früher sogar Picknickplatz, was immer wieder zu Problemen führte. Seit 2019 ist es daher verboten, sich hier hinzusetzen.
Gaztelugatxe: Filmreifes Baskenland
Die steile Treppe auf diesem Inselchen hoch zur Einsiedelei San Juan de Gaztelugatxe und ihrer Kirche hat zwar nur 237 Stufen. Doch die Dramatik der Landschaft im Norden Spaniens macht das mehr als Wett: Fernab jeder Ortschaft umtost das kantabrische Meer die baskische Küste und Gaztelugatxe. Vom Festland und besonders vom Monte Burgoa – Teil eines Biosphärenreservats – haben Wanderer den besten Blick auf das winzige Eiland, bevor sie die schmale Brücke überqueren.
Fans von Game of Thrones kennen den Ort aus der siebten Staffel: Dort heißt er Drachenstein, und statt der Einsiedelei wurde eine imposante Burg ins Bild montiert, Wohnsitz von Daenerys Targaryen alias Emilia Clarke. Mit ein wenig Vorstellungskraft sieht man vor Ort auch die drei Drachen der Herrscherin, die auf dem Weg zur Burg Brücke und Treppe überfliegen.
Carrer del Calvari: Besinnliches auf Mallorca
Ein besonders schönes Beispiel für einen Kalvarienberg ist der oberhalb von Pollença im Norden Mallorcas. Aus dem Zentrum hoch zur Kapelle Eglésia del Calvari führt eine Freitreppe aus 365 Stufen. Flankiert ist sie von 14 drei Meter hohen Kreuzen. Zuerst entstand ihr oberer Abschnitt im Stil des Neoklassizismus, mit niedrigen Stufen und Zypressen zu beiden Seiten, 1906 war auch der untere Teil fertiggestellt. Wer das Schöne mit dem Nützlichen verbinden möchte, fährt am Sonntag in das Städtchen, wenn der Wochenmarkt eine große Auswahl an Lebensmitteln, Kunsthandwerklichem und Pflanzen bietet.
Immer am Karfreitagabend tragen Gläubige eine Jesusstatue in einem beleuchteten Sarkophag von der Kapelle die Treppe hinab zur Gemeindekirche. Besonders stimmungsvoll ist die Prozession, weil sie in völliger Stille und nur von Fackeln beleuchtet stattfindet, getragen von den Mitgliedern mehrerer Bruderschaften.
La Muralla Roja: Echte Illusion in Spanien
Jeder kennt die von M. C. Escher abgebildete so genannte Penrose-Treppe: Der Verstand sagt dem Betrachter, dass sie physisch nicht möglich ist, das Auge erliegt der Illusion, man laufe auf ihr endlos hinauf bzw. hinunter. Die Treppenanlagen in der Apartmentsiedlung La Muralla Roja, die nach Plänen des Architekten Ricardo Bofill 1973 an der Costa Blanca entstand, kommen dieser Illusion recht nahe.
Sie bilden ein ausgeklügeltes Wegenetz, auch wenn einige von ihnen zweckfrei im Nichts enden. Die Bewohner der “Roten Mauer“ brauchen also einen gut ausgebildeten Orientierungssinn, da die Anlage ohnehin schon einem Labyrinth ähnelt und jede Etage einen anderen Grundriss hat. Überraschungen sind garantiert, und das Auge erfreut sich an den geometrischen Strukturen in Knallrosa und Babyblau allemal.
Tulip Stairs: Gespenst in Greenwich
Ab 1616 entstand nach Plänen von Inigo Jones nahe London die königliche Residenz Queen's House. Der Architekt war auch sehr erfinderisch und dachte sich als Verbindung zwischen Erd- und Obergeschoss die erste geometrische freitragende Treppe Großbritanniens aus. Und als Ästhet ließ er ihr blau gestrichenes Geländer aus Schmiedeeisen mit Tulpenblättern und -blüten verzieren. Als Wohnung diente Queen's House nur selten, es ist heute Teil des UNESCO-Welterbes Maritime Greenwich.
Englische Schlösser gelten als bevorzugte Wohnsitze von Gespenstern, und Queen's House ist dafür ein gutes Beispiel: Als 1966 ein kanadischer Tourist die menschenleere Große Halle fotografierte, tauchte auf dem entwickelten Bild am Fuß der Treppe eine Gestalt in einem wallenden weißen Gewand auf. Bis heute gibt es keine rationale Erklärung. Für Forschungen zu den Geistersichtungen beschäftigen die Königlichen Museen in Greenwich sogar eine eigene Mitarbeiterin.
Chand Baori: Abwärts in Indien
Im Dorf Abhaneri im trockenen indischen Bundesstaat Rajasthan ließ König Chand Raja im achten Jahrhundert einen 20 Meter tiefen Brunnen graben. An drei Seiten des Quadrats führen insgesamt 3500 Stufen zum Wasserholen nach unten, verteilt auf 13 Stockwerke. Damit ist er der größte und tiefste Stufenbrunnen Indiens. Seine perfekte Geometrie erzeugt Effekte aus Licht und Schatten und steht für das Prinzip "Form follows function". Das wurde 1852 erstmals in England genannt, in Indien aber schon 1000 Jahre zuvor angewendet.
Chand Baori diente über Jahrhunderte der Wasserversorgung und als Versammlungsort der Gemeinde, ist es doch an seinem schattigen Grund meist fünf bis sechs Grad kühler als an der Erdoberfläche. Als Kulisse zeigt sich der Stufenbrunnen in mehreren Bollywood-Filmen und in “Best Exotic Marigold Hotel“. Inzwischen ist er hauptsächlich eine Touristenattraktion, auch wenn sich der Ansturm wegen der Lage abseits der Hauptreisewege in Grenzen hält.
Taihang Mountain: Riesenbohrer in China
Die bis zu 2882 hohen Taihang-Berge in China sind vor allem Ziel einheimischer Reisender. Um sie leichter zugänglich zu machen, wurde an einem ihrer senkrechten Felswände eine Spiraltreppe installiert, die an einen riesigen Bohrer erinnert. Über 91 Meter hoch schrauben sich die Besucher darin nach oben und wieder nach unten. Damit niemand unterwegs kollabiert und den Weg verstopft, ist der Zugang auf Menschen unter 60 Jahre begrenzt. Und diese müssen den Betreibern schriftlich versichern, dass sie keine Herz- oder Lungenprobleme haben.
Natürlich wäre an dieser Stelle auch der Bau eines spektakulären Aufzugs möglich gewesen. Doch es wurde bewusst die Treppe gewählt, mit dieser offiziellen Begründung der lokalen Behörden: "Auf diese Weise schüttelt der Wind die Menschen durch, Vögel fliegen an einem vorbei, und die Stufen knarzen. Das ist doch viel authentischer als die Fahrt in einem Lift!"
Sanxiantai Bogenbrücke: Hybrid in Taiwan
Ein Hybrid aus Treppe und Brücke: Wer von der Insel Taiwan auf das vorgelagerte Eiland Sanxiantai kommen möchte, muss ein Kuriosum aus unzähligen Stufen, verteilt auf acht wellenartige Bögen, bewältigen. Sanxiantai war nur bei Ebbe zu Fuß zu erreichen, bis 1987 die Brücke mit ihrer roten Pflasterung entstand. Sehr schnell hat sie sich zu einem Wahrzeichen der taiwanesischen Ostküste entwickelt. Daher gibt es auch ein Besucherzentrum. Und Erosions- und Sturmschäden an dem 400 Meter langen Bauwerk werden zügig behoben.
Aus der Entfernung hat die Fußgängerbrücke die Kontur eines Seedrachens. Und weil der Drache in China ein Symbol für Glück ist, kommen viele Ausflügler nicht nur reichlich erschöpft, sondern auch mit einem seligen Lächeln an.
Fels von Guatapé: Schwindel erregendes Kolumbien
400 Kilometer nordwestlich der kolumbianischen Hauptstadt Bogota ragt ein Monolith aus Granit 220 Meter über der Gemeinde Guatapé auf. Erst 1954 gelang erstmals die Besteigung, abenteuerlich ist sie heute immer noch, auch wenn inzwischen eine Treppe aus rund 700 Stufen hilft. In Serpentinen arbeiten sich die Besucher nach oben, sie können auf halbem Weg die Jungfrau Maria um Beistand bitten. Oben lässt sich von einem dreistöckigen Aussichtsturm die Landschaft aus Seen, Inseln und Halbinseln bewundern.
Mit seiner Form und schwarzen Farbe erinnert der "Peñon" an den Zuckerhut in Rio, und von seiner touristischen Anziehungskraft will außer Guatapé auch der Ort El Peñol profitieren. Weil nicht abschließend geklärt ist, auf wessen Gemeindegebiet der Fels liegt, wollten Einwohner von Guatapé ihre Besitzansprüche sichern, indem sie den Namen ihres Ortes mit weißer Farbe in riesigen Buchstaben auf den Fels malten. Das "G" gelang ihnen noch, doch mitten im "U" wurden sie von Nachbarn aus El Peñol unterbrochen. Der Ausgang des Streits ist aktuell noch ungeklärt.
The Vessel: Bienenkorb in New York City
Beim Treppensteigen verbraucht man rund 800 Kilokalorien pro Stunde. In New York kommen dabei seit 2019 designverliebte Fitnessjunkies voll auf ihre Kosten. Der britische Architekt Thomas Heatherwick baute an der Westside Manhattans die so genannte Vessel. Das "Gefäß" ist von der Grundform ein 15 Etagen hoher Bienenkorb, bestehend aus 80 Plattformen und 154 Treppen mit zusammen 2500 Stufen – zusammengenommen sind sie eine Meile, also rund 1,6 Kilometer lang.
Der Architekt sieht seine wabenartige Konstruktion ganz pragmatisch als ein Klettergerüst. Von oben erlaubt es Ausblicke auf den Hudson River und die Hudson Yards, einen über einem Zugdepot errichteten Büro- und Wohngebäudekomplex. In der Struktur sind maximal 1000 Sport-, Design- oder Aussichtsfans gleichzeitig zugelassen. Die Einzelteile des 200 Millionen US-Dollar teuren Gefäßes samt den mit Kupfer belegten Stufen waren in Italien gefertigt und erst vor Ort zusammengesetzt worden.