Wildunfallprävention: Sind Reflektoren effektiv?
Das Risiko von Autounfällen mit Wildtieren steigt im Herbst wieder an. Für Autofahrende gibt es nützliche Verhaltensregeln. Vielerorts verbaute Reflektoren zur Wildprotektion sind dagegen nicht effektiv.
Reflektoren sind zwar kostengünstig, aber wirkungslos
Dynamische Alternativlösungen sind vielversprechender, aber teurer
Umsichtige Fahrweise minimiert das Risiko am besten
Im Herbst steigt die Gefahr auf Landstraßen. Denn zum Start der dunklen Jahreszeit findet morgens und abends immer mehr Verkehr in der Dämmerung statt. Also genau in der Zeit, in der Wildtiere wie Rehe, Wildschweine und Dachse besonders umtriebig sind.
Die Folge: Mehr Unfälle, vor allem an Landstraßen. Tatsächlich zählen Wildunfälle sogar zu einer der häufigsten Unfallarten in Deutschland. Die deutschen Autoversicherer nahmen letztes Jahr ganze 265.000 Karambolagen auf. Die Polizei hingegen erfasst nur solche Wildunfälle, in denen es zu einem Personenschaden kam. Jedes Jahr registriert sie über 2000.
Der schwierige Schutz vor Wildunfällen
Laut Versicherungswirtschaft kollidiert damit alle zwei Minuten ein Auto mit einem Wildtier. Grund genug für Jagdverbände und Behörden, über sinnvolle Schutzmaßnahmen nachzudenken. Und tatsächlich gibt es einige Methoden, die zur Vermeidung von Wildunfällen beitragen können.
Insgesamt ist diese Art von Unfallschutz aber keine einfache Angelegenheit, wie Dr. Christoph Hecht, ADAC Experte für Wildunfallprävention, weiß. Das liegt zum einen daran, dass die meisten Wildunfälle zwar auf Landstraßen passieren, es örtlich aber große Unterschiede bei Vegetation, Wildtierbestand und Straßenraumgestaltung gibt.
"Präventive Maßnahmen müssen auf die jeweiligen Bedingungen vor Ort angepasst sein", gibt Hecht deswegen zu bedenken. "Zudem ist die räumliche Aktivität von Wildtieren artspezifisch und schwankend, auch im Laufe der Jahreszeiten und im Tagesverlauf." Manche Arten pilgern deshalb gerade im Herbst von ihren Sommer- zu ihren Winterplätzen, teils legen junge Tiere auf der Suche nach neuen Revieren große Distanzen zurück. Und möchten deswegen unbedingt eine Landstraße überqueren.
Reflektoren: Effektiv oder nur Optik?
Wildunfallprävention muss also eine Balance der Sicherheitsmaßnahmen finden, um Wild und Autos möglichst voneinander fernzuhalten. Dabei soll nicht zu drastisch in den Straßenverkehr und die Mobilitätsbedürfnisse der Tiere eingegriffen werden.
Vielerorts wird deswegen inzwischen mit Wildwarnreflektoren gearbeitet. Reflektierende Materialen am Straßenrand sollen das Scheinwerferlicht der Autos bündeln, weiterleiten und zwischen Fahrbahn und Wald einen "Lichtzaun" erzeugen. Am häufigsten kommt dabei blaue, reflektierende Folie zum Einsatz, die an den Leitpfosten angebracht wird. Reh, Wildschwein und Co. sollen dann von der Lichtwand daran gehindert werden, die Straße zu überqueren, bevor der gefährliche Pkw vorbeigefahren ist.
In der Praxis ist die Idee allerdings wirkungslos. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg prüfte in einem dreijährigen Projekt*, wie Rehe und Füchse auf rund 100.000 Wildwarnreflektoren auf den Straßen des Bundeslandes reagieren. Sie konnte keinen signifikanten Einfluss der Reflektoren auf das Unfallgeschehen feststellen.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) geht offiziell davon aus*, dass Reflektoren "keine ausreichenden optischen Reize" für Wildtiere bieten. Und erst im September ließ die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) wissen, dass es in ihrem Bundesland keine Reduzierung der Wildunfälle durch die Lichtzäune gegeben habe.
Gibt es Alternativen zu Wildwarnreflektoren?
Auch ADAC Experte Hecht sieht die blauen Leitpfosten-Folien skeptisch. Die Erfolge, die ihnen vor allem von Jagdverbänden oft zugeschrieben werden, sieht er eher in der Statistik begründet. "Wenn es ein, zwei Jahre lang in einem Gebiet recht hohe Wildunfallzahlen gab, werden als Reaktion oft Reflektoren installiert. Doch die Zahlen schwanken stark und wären deshalb ohnehin zurückgegangen. An den Reflektoren lag es dann aber nicht."
Viel entscheidender seien daher langfristige Analysen. Und die hätten – wie die oben genannten – allesamt keinen signifikanten Effekt der Reflektoren nachweisen können. Für vielversprechender hält Hecht dynamische Warnsysteme wie etwa Wildwechselwarnanlagen: Die Straße wird auf längerer Strecke umzäunt, nur an ausgewiesenen Stellen können Tiere auf einer Furt die Straße überqueren. Das Wild wird dort von Infrarotkameras erfasst, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf elektronischen Verkehrszeichen beschränkt und die Autofahrenden vor den Tieren gewarnt.
Solche Systeme sind aber natürlich deutlich teurer in Aufbau und Instandhaltung als etwa Leitpfosten-Reflektoren. Noch kostenintensiver sind etwa Wildbrücken, die Tieren den Wechsel zwischen zwei Waldteilen etwa über eine Autobahn hinweg ermöglichen.
Herbst: Defensives Fahren schützt am besten
Regulatorische Möglichkeiten, Verkehrsteilnehmende vor Wildunfällen zu schützen, gibt es also viele. Allerdings sind sie nicht alle gleich effektiv und eine absolute Sicherheit vor Zusammenstößen zwischen Tier und Mensch gibt es nie.
Doch Autofahrende können selbst etwas dazu tun, damit die Unfälle zumindest glimpflicher verlaufen: Eine niedrige Fahrgeschwindigkeit ist entscheidend, denn sowohl der Brems- und Anhalteweg, als auch die potenzielle Kollisionsgeschwindigkeit nehmen dadurch ab. Als Pkw-Insasse ist das Risiko schwerer Verletzungen durch einen Wildunfall bis unter 80 km/h nur gering.
ADAC Experte Hecht rät außerdem dazu, die Verkehrsauffassungsgabe gerade von Rehen nicht zu überschätzen. Auch wenn ein Wildtier am Straßenrand den Pkw gesehen zu haben scheint, ist noch lange nicht sicher, dass es auch vorsichtig reagiert. Es kann auch ganz unerwartet und unmittelbar vor dem eigenen Auto noch auf die Straße springen. Zudem ist es sinnvoll, gerade während dämmrigem Morgen- und Abendlicht und Wald- oder Feldumgebung besonders wachsam und bremsbereit zu sein.
Sollte es einmal trotzdem zu einem Wildunfall gekommen sein, gibt es Tipps und Richtlinien, wie man sich verhalten sollte.
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