Teilschuld wegen Überholen bei unklarer Verkehrslage

Blick in den Seitenspiegel eines PKW wärend ein rotes Auto überholt
Überholverbot bei unklarer Verkehrslage© dpa/fotototo

Ein Auto hält hinter einem parkenden Lkw. Es ist unklar, ob es vorbeifahren oder parken will. Wer in dieser Situation überholt, den kann bei einem Unfall eine Teilschuld treffen. So urteilte das Gericht.

Der Fall: Eine Autofahrerin hielt hinter einem parkenden Lkw an. Ein Linienbus kam von hinten und setzte zum Überholen an. Im gleichen Moment scherte das Auto nach links aus, um an dem Lkw vorbeizufahren. Es krachte. Der Busfahrer behauptete, die Autofahrerin habe rechts geblinkt. Diese sagte, sie habe links geblinkt und nur angehalten, um den Gegenverkehr durchzulassen. Eindeutige Zeugenaussagen dazu gab es nicht. Der Streit um die Schuld an dem Unfall landete vor Gericht.

Unfall: Pflichten beim Linksabbiegen missachtet

Das Amtsgericht sah eine Teilschuld von 50 Prozent bei beiden Unfallbeteiligten. Die Autofahrerin habe ihre Pflichten beim Linksabbiegen verletzt. Aber auch der Busfahrer habe seine Pflichten missachtet. Die Sache ging in die zweite Instanz.

Teilschuld: Überholen bei unklarer Verkehrslage

Das Landgericht Lübeck bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. In der konkreten Situation sei unklar gewesen, wie sich die Autofahrerin nach dem Stopp hinter dem parkenden Lkw weiter verhalten würde. Der Fahrer des Linienbusses müsse sich daher vorwerfen lassen, in einer unklaren Verkehrslage überholt zu haben, so das Gericht. Die Autofahrerin trage ebenfalls eine Teilschuld, denn sie habe – wie schon das Amtsgericht festgestellt hatte – gegen ihre Pflichten beim Linksabbiegen verstoßen. Beide Unfallbeteiligte mussten daher zu 50 Prozent für den Schaden des Unfallgegners haften.

LG Lübeck, Urteil vom 6.10.2022, Az.: 14 S 13/22