Umdrehen zum Kind auf dem Rücksitz während der Fahrt ist grob fahrlässig

Dreht sich der Fahrer während der Fahrt auf der Autobahn im stockenden Verkehr vollständig zu seinem Kind auf dem Rücksitz um, handelt er grob fahrlässig. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt.
Stockender Verkehr auf der Autobahn
Ein Familienvater mietete ein Auto. Im Mietvertrag wurde für selbstverschuldete Unfälle eine Selbstbeteiligung von 1.050 Euro vereinbart. Den darüber hinausgehenden Schaden zahlt die Versicherung/ der Vermieter selbst. Bei grober Fahrlässigkeit sah die Vereinbarung vor, dass der Fahrer über diesen Betrag hinaus haftet. Der Vermieter kann den Mieter in diesem Fall je nach Grad des Verschuldens an der Haftung für den darüberhinausgehenden Schaden beteiligen.
Vater dreht sich beim Fahren vollständig zu seinem Kind um
Der Familienvater fuhr mit 50 bis 60 km/h auf der Autobahn, der Verkehr kam nur stockend voran. Auf dem Rücksitz saßen seine acht bzw. neun Jahre alten Söhne. Bei einem kurzen Schulterblick wegen eines Spurwechsels nahm der Vater wahr, dass der Sohn auf dem rechten Rücksitz einen Gegenstand in der Hand hielt. Er konnte nicht erkennen, was das für ein Gegenstand war, hielt ihn aber für gefährlich. Daher drehte sich der Vater nach dem Spurwechsel vollständig zu seinem Sohn auf der Rückbank um. Er hatte den Verkehr vor ihm nicht mehr im Blick und fuhr auf ein vor ihm fahrendes Motorrad auf, weil er nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte. Der Schaden am Mietwagen betrug über 10.000 Euro.
Haftung zu 50% wegen grober Fahrlässigkeit
Der Vater zahlte nur die vereinbarte Selbstbeteiligung. Der Autovermieter verlangte dagegen eine Beteiligung zu 50% an dem weiteren Schaden und klagte. In der ersten Instanz wurde die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nur ein sogenanntes "Augenblicksversagen" vorlag. Im Berufungsverfahren gaben die Richter des OLG Frankfurt gaben dem Autovermieter Recht. Sie sprachen ihm Schadensersatz in Höhe von 50% des weitergehenden Schadens zu, weil der Mieter den Unfall grob fahrlässig verursacht hat.
Mit dem Umdrehen gegen einfachste Grundregel verstoßen
Durch das Umdrehen nach rechts hinten konnte der Fahrer den Verkehr vor sich nicht mehr beobachten und darauf nicht mehr reagieren. Gerade bei stockendem Verkehr muss der Fahrer die Autos vor sich aber ständig beobachten, so das Gericht. Er hatte seine Aufmerksamkeit aber während der Fahrt seinem Kind auf der Rückbank zugewandt. Dadurch kam es zu der hochgefährlichen Verkehrssituationen.
Umdrehen ist kein "Augenblicksversagen "
Das Verhalten ist auch kein sogenanntes reflexartiges Augenblicksversagen. Vielmehr hat sich der Vater nach dem Bemerken eines Gegenstands in der Hand seines Sohnes zunächst wieder nach vorne gewandt und hat den Spurwechsel ausgeführt.
Mit dem Umdrehen konnte der Vater die Gefahr ohnehin nicht bannen. Er hätte vielmehr seine Kinder erst einmal danach fragen können. Auch ohne Blickkontakt hätte er dann Anweisungen geben können, wie sich die Kinder verhalten müssen, bis er eine sichere Haltemöglichkeit gefunden hat.
OLG Frankfurt, Urteil vom 12.2.2020, Az.: 2 U 43/19
Hinweis: Das Urteil ist rechtskräftig.