So haben wir getestet
Teilen statt besitzen. Das ist die neue Devise, die auch vor dem Autofahren nicht Halt macht. Hier heißt das Zauberwort Carsharing, also Auto-Teilen. In der Praxis ist das die organisierte gemeinschaftliche Nutzung eines Autos. Anders als bei der seit Langem bekannten Autovermietung kann man bei Carsharing ein Fahrzeug für kurze Zeit, ja sogar wenige Minuten lang, anmieten. Carsharing boomt und es sieht nicht danach aus, dass dieser Trend nachlassen wird. Zum 1. Januar 2016 waren fast 1,3 Millionen Nutzer bei Carsharing-Anbietern registriert. Das ist ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Carsharing-Autos gab es zu diesem Zeitpunkt an genau 537 Orten in der Bundesrepublik. Laut Bundesverband Carsharing beherrschen in den Großstädten Free-Floating-Angebote der Autohersteller den Markt, während sich in kleineren Städten stationsgebundene Angebote etablieren.
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14 Betreiber in neun Städten
Wie aber findet sich der Kunde zurecht in einem Markt, der rasant wächst und sich ständig verändert? Diese Frage griff der ADAC auf mit seinem aktuellen Test „Carsharing in deutschen Städten“. Dabei wurden die Angebote von 14 Carsharing-Betreibern in den neun Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Freiburg im Breisgau, Hamburg, Hannover, Köln, München und Stuttgart begutachtet. Jede der Teststädte verfügt über mindestens zwei Anbieter mit jeweils wenigstens 50 Fahrzeugen. Kleinere Anbieter wurden nicht ausgewählt. Alle Betreiber sind mindestens seit Juni 2014 auf dem Markt und damit etabliert, haben einen ausreichend großen eigenen Fuhrpark und ihr Angebot richtet sich an Privatpersonen. Bot ein Betreiber sowohl Free-Floater als auch stationsgebundene Fahrzeuge an, wurden diese beiden Modelle unabhängig voneinander getestet.
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Recherche und Tests vor Ort
Der Test gliederte sich in zwei Teile. Mit einem Desk Research wurden zum Beispiel Internetseite, Vertragsinhalte, AGB und Gebühren recherchiert. Bei den Testfahrten vor Ort wurden Reservierung und Rechnungstellung sowie Ausstattung und Zustand der Fahrzeuge untersucht, aber auch Reservierung, Erreichbarkeit, Übernahme und Rückgabe. Pro Angebot wurden sechs Fahrten an unterschiedlichen Tagen zwischen dem 3. und 19. August und bei Nachtests vom 20. bis 30. Oktober 2015 zu vorher festgelegten, verschiedenen Zeiten durchgeführt. Alle Startpunkte lagen über das jeweilige Geschäftsgebiet verteilt. Bei stationsbasierten Angeboten wurden Lage der Station und das Fahrzeug aus einer nach bestimmten Erreichbarkeitskriterien zusammengestellten Liste zufällig gezogen. Auch die Startpunkte der Free-Floater wurden unter Berücksichtigung dieser Kriterien gezogen. Der Ort der Rückgabe lag dann in einem Radius von rund zwei Kilometern.
Mit den Tests vor Ort beauftragte der ADAC die team red Deutschland in Berlin, ein Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen auf den Gebieten Verkehrsplanung, Mobilitätsmanagement, Tourismus, Marktforschung, Kommunikation und Informationstechnologien.
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Rund 200 Prüfpositionen
Als Grundlage des Tests diente eine Checkliste mit den Kategorien Information (Gewichtung 15 Prozent), Handhabung (35 Prozent), Fahrzeug (30 Prozent) sowie Kosten und Recht (20 Prozent). Jede dieser Kategorien hatte zahlreiche Unterpunkte. Insgesamt umfasste der Test rund 200 Einzelpositionen. Alle praktischen Prüfpunkte wurden fotografisch dokumentiert.
Bei besonders schwerwiegenden Defiziten griff das sogenannte K.O.-Kriterium: In der Kategorie Handhabung, wenn es auch mit Hilfe der Hotline nicht möglich war, jeweils innerhalb von 15 Minuten, sich anzumelden, ein Fahrzeug zu reservieren, es am angegebenen Platz zu finden, zu entriegeln, zu starten, es wieder zu verriegeln oder sich abzumelden. In der Kategorie Fahrzeug gab es ein K.O., wenn die Profiltiefe eines Reifens bei 1,6 Millimeter oder weniger lag. Das K.O.-Kriterium bewirkt, dass die entsprechende Kategorie im Ergebnis für diese Fahrt auf null Punkte heruntergestuft wird.
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Verschiedene Fahrtszenarien für Kosten
Die Preisberechnungen wurden aus der Sicht eines Neukunden vorgenommen, der das Angebot für wenige ausgewählte Fahrten benötigt. Bei den stationsgebundenen Offerten wurde, falls verfügbar, der Tarif ohne Monatsgebühr gewählt. Bei den Free-Floatern wurden keine vorab zu buchenden Minutenpakete einbezogen. Soweit es fahrtspezifische Sonderangebote gab, die den Kunden aber nicht langfristig banden, wurden sie genutzt. Dabei wurden die Szenarien Business, Besorgungen, Freizeit und Wochenendausflug mit jeweils genau definierten Details zugrunde gelegt.
Die Bewertung eines Carsharing-Angebots drückt sich aus in den Noten sehr gut, gut und ausreichend im positiven, mangelhaft und sehr mangelhaft im negativen Bereich.
Die Deutsche Gesellschaft für Qualität hat die rechnerische Richtigkeit der Auswertung und die daraus abgeleiteten Aussagen im Abschlussbericht überprüft.
Parkraum: Carsharing-Gesetz in der Schwebe bewirkt kreative städtische Lösungen
In Deutschland sind mehr als eine Million Menschen in über 530 Orten als Carsharer registriert – Tendenz weiter steigend. Längst hat das Autoteilen sein Öko-Image abgelegt und ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der Markt ist heiß umkämpft und entwickelt sich in schnellem Tempo. Mehr als 150 Carsharing-Anbieter konkurrieren um die Kunden, unter ihnen etliche große Konzerne. Bei den flexiblen Free-Floatern waren Anfang 2016 nach einer Erhebung des Bundesverbands Carsharing rund 830 000 Nutzer registriert, die stationsbasierten Anbieter verzeichneten 430 000 Teilnehmer. Insgesamt gibt es mehr als 16 000 Carsharing-Fahrzeuge – und sie alle müssen irgendwo parken.
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Großes Gezerre um das neue Carsharing-Gesetz
Ein großes Problem auf den Straßen deutscher Städte, denn der Parkraum ist rar. Carsharing soll zur Entlastung der Parkproblematik beitragen. Aktuelle Forschungsvorhaben besagen, dass ein Carsharing-Auto mindestens drei Privatfahrzeuge ersetzen kann. Diese Argumentation hat sich auch die Politik zu eigen gemacht und berät seit mehreren Legislaturperioden ein Carsharing-Gesetz. Es soll Städten und Gemeinden die Möglichkeit einräumen, spezielle Parkplätze für Carsharing-Anbieter ausweisen zu können, so wie es bisher schon bei Behinderten- und Anwohnerparkplätzen praktiziert wird. Noch steht eine Einigung aus – zum Leidwesen vieler Kommunen.
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Kritiker verweisen auf die Schattenseiten
Strittig ist das Gesetz sowohl innerhalb der verschiedenen Bundesministerien als auch in der Öffentlichkeit, weil natürlich auch andere Interessensgruppen die knappen öffentlichen Straßenflächen beanspruchen. Der ADAC verweist darauf, dass der öffentliche Straßenraum in erster Linie der Allgemeinheit zur Verfügung stehen muss und daher Privilegierungen beim Parken stets einer haltbaren Begründung bedürfen. Der Automobilclub empfiehlt daher den Kommunen, die Zahl der Carsharing-Stellplätze auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen, um den innerstädtischen Parkdruck nicht weiter zu erhöhen. Keinesfalls dürften deshalb die durch Carsharing freigesetzten Stellplätze komplett für andere Zwecke „einkassiert“ werden. Kritiker des Gesetzes beziehen sich auch auf Studien – beispielsweise des ÖPNV-nahen Beratungsunternehmens Civity – die besagen, dass Free-Floating-Carsharing oft in direkter Konkurrenz zum ÖPNV steht und damit nicht weniger, sondern mehr Autoverkehr auf die Straßen bringe.
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Carsharing-Hauptstadt wartet auf neue rechtliche Grundlage
In Karlsruhe jedenfalls wartet man dringlich auf die Neufassung des Gesetzes. „Wir würden im öffentlichen Raum gerne Stellplätze explizit Carsharing-Fahrzeugen vorbehalten”, bringt es eine Pressesprecherin auf den Punkt. Mit zwei Carsharing-Autos pro 1 000 Einwohnern bezeichnet sich Karlsruhe selbst als Carsharing-Hauptstadt. Statt Stellplätze ausweisen zu können, unterstützt die Stadt ihre Carsharing-Anbieter also lediglich bei der Suche nach Standorten für Carsharing-Stationen. Erklärtes Ziel ist es, den Umstieg aufs Autoteilen leicht zu machen und einen optimalen innerstädtischen Verkehrsmix zu erlangen.
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Ausweisung mehrerer hundert Stellplätze in Freiburg
In Freiburg hat man das Warten auf eine gesetzliche Lösung aufgegeben. Dort wurde 2015 der Bebauungsplan für das gesamte Stadtgebiet geändert, um den lokalen Carsharing-Anbietern öffentliche Stellflächen zuweisen zu können. Auf diese Weise entstehen nach und nach an 141 Standorten 450 Stellplätze, deren Bedarf in einer Bürgerbefragung abgefragt wurde. Damit bekommt die Stadt eines der dichtesten Carsharing-Netze bundesweit. Pro Stellplatz und Monat zahlen die Anbieter je nach Lage zwischen 30 und 40 Euro an die Stadt. Gern hätte man auf die aufwendige Sonderlösung verzichtet, erklärt Frank Uekermann, Freiburgs Leiter des Garten- und Tiefbauamts. „Aber das hat uns zu lang gedauert. Wir sind jetzt schon in der Umsetzung“.
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Parkkonzept als Exportschlager in Bremen
Sehr findig agiert beim Thema Parken auch die Stadt Bremen. Auf der Basis einer Sondergenehmigung gibt es hier seit 2003 unter dem Namen „mobil.punkt“ zahlreiche Carsharing-Stationen in dicht besiedelten Stadtquartieren und in direkter Nachbarschaft von ÖPNV-Haltestellen, Taxiständen und Fahrradabstellanlagen. Inzwischen wurde das Bremer System nach Leipzig, Nürnberg und sogar ins norwegische Bergen exportiert. „Rechtlich ist das eine Krückenlösung“, sagt Bremens Referent für nachhaltige Mobilität, Michael Glotz-Richter, „aber eben auch die effizienteste Art, sinnvoll Parkraummanagement zu betreiben.“ Schließlich trägt Carsharing in Bremen zu einer spürbaren Entlastung der Straßen bei. Ein Drittel der 11 000 Bremer Carsharer hat ihr Auto abgeschafft, das sind 3 700 Fahrzeuge, die aneinandergereiht 20 Kilometer Straßenraum entsprechen. Bis zum Jahr 2020 soll sich die Zahl auf 6 000 Autos erhöhen, bei dann 20 000 Carsharern.
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Nutzung des wertvollen öffentlichen Gutes bezahlen
Dass Stellplätze auf öffentlichen Straßen ein wertvolles Gut sind, unterstreicht auch der Sprecher des Bundesverbands Carsharing (bcs), Gunnar Nehrke. Deshalb hält er es auch für selbstverständlich, dass Carsharing-Anbieter für öffentliche Stellplätze zahlen müssten. Bisher allerdings befänden sich 80 Prozent der Parkplätze auf privatem Grund. „Die meisten Menschen wissen nicht, dass es in ihrer Nähe Carsharing-Stationen gibt“, so Nehrke. Von dem geplanten Carsharing-Gesetz erhofft sich der bcs unter anderem einen Marketingeffekt für das Carsharing, damit noch mehr Menschen zu Carsharern werden – und dabei tatsächlich auch die Straßen weiter entlasten.
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Carsharing-Gesetz – Was lange währt, wird (hoffentlich) endlich gut
Das politische Ringen um ein Carsharing-Gesetz ist nichts Neues. Seit 2005 wird darüber in Bundestag und Bundesrat debattiert. Über die Notwendigkeit des Gesetzes herrscht inzwischen weitgehende Einigkeit bei allen Parteien. Die Bundesregierung hat eine entsprechende Forderung sogar in ihr Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 aufgenommen. Schwierigkeiten bereitet aber die Ausgestaltung des Gesetzes. Im April 2015 legte das Bundesverkehrsministerium einen ersten Gesetzesentwurf vor. Während sich die Regierungsfraktionen und die meisten beteiligten Ministerien auf dieser Basis im Verlauf des Jahres auf eine Fassung einigen konnten, zögert Verkehrsminister Alexander Dobrindt mit seiner Zustimmung. Seine Experten bezweifeln, dass der Bund die notwendige Gesetzgebungskompetenz innehat und überlegen, die Länder mit einzubinden. Kritiker befürchten dadurch eine unnötige Verkomplizierung. Unklar ist daher weiterhin, wann ein Carsharing-Gesetz kommt. Aus dem Verkehrsministerium ist allerdings zu hören, dass sich ein Gesetzentwurf derzeit in der Schlussabstimmung zwischen den federführenden Ressorts befindet.
Was einen guten Carsharing-Anbieter ausmacht
Abgeleitet aus den Kriterien des aktuellen Tests hat der ADAC die Kurzbeschreibung eines idealen Carsharing-Anbieters erstellt, um Verbraucher bei ihrer Suche nach dem passenden Anbieter zu unterstützen und Carsharing-Betreibern eine Hilfe an die Hand zu geben, ihre Konzepte zu optimieren. So sieht das Kurzprofil für den idealen Carsharing-Anbieter aus:
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Informationen und Auskünfte im Internet
Auf der Homepage sind alle wichtigen Erläuterungen leicht zu finden und verständlich formuliert:
Die Fahrzeugflotte wird in Qualität und Quantität übersichtlich dargestellt.
Die Gebührentabelle steht an prominenter Stelle. Abrechnungsarten werden nachvollziehbar erläutert, Tarife lassen sich mühelos vergleichen und Zusatzkosten sind aufgeschlüsselt.
AGB sind leicht zu finden und als Download erhältlich.
Das Mindestalter für Carsharing-Nutzer ist klar ersichtlich.
Nutzungsgebiet und Nutzungsmöglichkeiten der Fahrzeuge werden eindeutig definiert.
Eine übersichtlich aufbereitete Liste häufig gestellter Fragen (FAQs) ist abrufbar.
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Buchung und Nutzung
Buchung, Fahrzeugübernahme und Abgabe des Autos gehen reibungslos vonstatten:
Die Buchung ist 24 Stunden am Tag online oder per kostenloser Hotline möglich und wird umgehend bestätigt. Carsharing-Apps sind für alle gängigen Betriebssysteme verfügbar.
Eine kostenlose Hotline ist stets erreichbar und hilft Kunden effektiv in jeder Phase der Angebotsnutzung.
Anschauliche Kunden-Informationen zur Nutzung des Angebots stehen zur Verfügung, am besten eignen sich dafür Einführungsveranstaltungen oder Videos.
Carsharing-Stationen sind in ausreichender Zahl vorhanden, gut ausgeschildert und leicht zu finden. In der Buchungsbestätigung sind alle wichtigen Informationen wie Adresse, Kennzeichen oder genaue Beschreibungen der Stellplätze hinterlegt. Beim nicht-stationsgebundenen Carsharing stehen die Autos an der angegebenen Adresse, werden auf dem digitalen Kartenausschnitt korrekt angezeigt und eine Navigation zum Fahrzeug ist möglich.
Per Schlüssel, Zugangskarte oder App lässt sich das Auto mühelos öffnen und ist unmittelbar fahrbereit.
Die An- und Abmeldung erfolgt benutzergeführt und verläuft reibungslos.
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Fahrzeug
Carsharing-Autos sind verkehrstüchtig und sauber. Die Anbieter überprüfen den Zustand ihrer Fahrzeuge in regelmäßigen Abständen und reagieren umgehend auf Mängelmeldungen. Die Fahrzeuge sind für Kunden möglichst gut erreichbar.
Die Reifen passen zur Jahreszeit und der Luftdruck stimmt.
Das Auto ist aufgeräumt, geruchsfrei und sauber.
Bordbbuch, Verbandskasten, Warndreieck und -weste befinden sich im Auto. Notfallnummern sind deutlich sichtbar angebracht.
Im Auto liegt der Fahrzeugschein, damit dem Fahrer bei Kontrollen oder Unfällen kein Nachteil entsteht.
Das Auto verfügt über ausreichend Kraftstoff beziehungsweise Batterieladung.
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Kosten und Recht
Verträge und Abrechnungen sind gut verständlich, auch für Laien nachvollziehbar und benachteiligen die Kunden nicht:
Laufzeit und Kündigungsfristen werden im Vertrag unmissverständlich festgelegt.
Schadensfälle und Selbstbehalt sind im Vertrag eindeutig geregelt. Eine Reduzierung des Selbstbehalts ist möglich.
Rechnungen sind korrekt und übersichtlich aufbereitet. Eine Kostenübersicht steht dem Kunden unmittelbar nach der Fahrt zur Verfügung.
Schadenlisten sind leicht zugänglich, übersichtlich gestaltet und werden vom Anbieter aktuell gehalten. Kunden werden darüber informiert, in welchen Fällen Schäden gemeldet werden müssen.
Im Falle von Schäden ist die Haftung klar geregelt. Unzulässige Umkehr der Beweislast zu Ungunsten der Kunden gibt es nicht.