Ein Mann, der mehr weiß als jedes Navi: Stauflieger Robert Sandler

Wir haben Robert Sandler einen Tag begleitet - Warum ein Stauflieger mehr weiß als jedes Navi
Wir haben Robert Sandler einen Tag begleitet - Warum ein Stauflieger mehr weiß als jedes Navi© ADAC Südbayern

Mit dem letzten Sommerferien-Wochenende rollte die letzte große Reisewelle aus dem Süden zurück nach Bayern. Mit ihr endet auch die Saison für Stauflieger Robert Sandler. Er ist einer von vier Flugbeobachtern des ADAC Südbayern, die zu den Hauptreisezeiten an Pfingsten und während der Sommerferien am Wochenende abwechselnd in die Luft gehen. Ihr Auftrag: Die Beobachtung der Verkehrslage aus einem Ultraleichtflugzeug heraus.

Detailliertere Stauinfos aus der Luft

Aus luftiger Höhe erfasst er Verkehrsinformationen und -entwicklungen, die kein Navi und keine App liefern kann. Denn aus der Vogelperspektive sieht Sandler nicht nur, wo und wie weit Autos im Stau stehen. Er kann anhand der Verkehrsdichte und des Verkehrsflusses auch erkennen, wo Staus drohen. Oder prognostizieren, wie lange es noch dauert, bis nach einem Unfall der Verkehr wieder fließt. So sieht er, wie viele Spuren betroffen sind, ob die Rettungskräfte bereits eingetroffen sind, und kann auf Basis seiner Erfahrung fundierte Prognosen geben. Auch die Umfahrung auf Nebenstraßen hat er im Blick, weiß wann es sich lohnt, von der Autobahn abzufahren und wann Geduld das beste Mittel der Wahl ist.

Staubeobachtung als Teamarbeit

Um Reisende bestmöglich zu informieren, steht er in engem Austausch mit unterschiedlichen Ansprechpartnern am Boden. Übers Handy hat Sandler Kontakt zu den sogenannten Stauberatern des ADAC Südbayern: dem Stau-Studio, das per PKW unterwegs ist, sowie den Stauberatern auf den Motorrädern. Über eine App kann Sandler jederzeit sehen, wo sich seine Kollegen gerade befinden. Durch das enge Zusammenspiel kann das Team Reisende optimal informieren. So sind die Stauberater auf ihren Motorrädern Ansprechpartner für Reisende. Fahren Parkplätze und Rastanlagen an und geben Tipp, wenn auf der Straße nichts mehr geht. Das Stau-Studio versorgt zudem Radiosender mit aktuellen Stauinformationen.

Aus der Luft direkt ins Radio

Daneben hat Sandler aus dem Flieger heraus auch eine direkte Verbindung ins Studio von Antenne Bayern. Denn seit rund 30 Jahren pflegt der ADAC Südbayern eine Kooperation mit Bayerns größtem Radiosender und gibt Meldungen und Einschätzungen zur Verkehrsentwicklung direkt aus der Luft durch. Während seines Einsatzes sind die Staumeldungen von Sandler um die volle und halbe Stunde im Rahmen der Verkehrsmeldungen zu hören. Die meisten Aufsager zeichnet er dafür kurz vorher auf. Bei akuten Vorkommnissen schaltet er sich aber auch live ins Studio. Dazu ist er mit entsprechend professioneller mobiler Studio-Technik ausgestattet. Das macht ihn zum wohl abgehobensten Radio-Reporter Deutschlands.

Wissenswerte Fakten rund um den Stauflieger

Flugzeug: Ultraleichflugzeug Eurostar ev97 mit ca. 170 Flug-Kilometer-Reichweite und rund 12l Verbrauch (Super Benzin) pro Stunde.

Standort: Seit 2024 fliegt der Stauflieger von der deutschen Alpensegelflugschule in Unterwössen (DASSU) aus und wird von deren professionellen Piloten gesteuert. Der Standort bietet mit Blick auf das Haupteinsatzgebiet optimale Bedingungen.

Einsatzgebiet: Ein Hauptaugenmerkt liegt auf der staugefährdeten A8 München-Salzburg, der Autobahnumfahrung A99 um München sowie der Inntal-, Brenner- und Tauernroute.

Durchschnittliche Einsatzdauer: Je nach Wetterbedingungen fliegt der Stauflieger pro Einsatz vier bis fünf Stunden und das an durchschnittlich 20 Einsatztagen pro Saison (samstags und sonntags in den Pfingst- und Sommerferien)

Eine Frage von Perspektive und Expertise

Neben einem Flugzeug und jeder Menge Technik braucht Sandler in seinem Job aber vor allem eine gute Beobachtungsgabe und Erfahrung in der Einordnung dessen, was er auf den bayerischen Autobahnen sieht. Letztere besitzt er zweifelsohne, denn bereits seit 24 Jahren ist er für den ADAC als Flugbeobachter im Einsatz. In dieser Zeit hat Sandler einiges erlebt und nicht nur den Verkehr, sondern auch dessen Entwicklung beobachtet. So erkennt Sandler etwa, dass die immerwährenden Appelle, die Hauptreisezeiten zu umgehen, durchaus Früchte tragen. Reisende weichen nach Möglichkeit zunehmend auf Wochentage aus oder fahren sehr früh oder erst als Nachzügler in den späteren Tagesstunden los. Zudem hat sich das Geschehen auf den bayerischen Autobahnen durch den Camping-Trend deutlich verändert.

Es gibt verschiedenste Arten von Stau

Dass Sandler ein echter Stauexperte ist, erkennt man an jeder seiner Äußerungen. Er zieht Schlüsse aus dem Verkehr, den er beobachtet, die für normale Verkehrsteilnehmer zwar absolut logisch klingen, doch fernab ihrer Wahrnehmungsschwelle liegen. Auch ist für Sandler Stau nicht gleich Stau. Da wäre etwa gängiger Rückreise-Stau, der Unfall-Stau, der Phantom-Stau oder der Schau-Stau. Ein Phantom-Stau tritt bei dichtem Verkehr ohne konkreten Anlass auf. Es reicht hier, dass ein Auto bremsen muss, weil etwa ein vorausfahrendes Fahrzeug die Spur wechselt. Wie im Dominoeffekt wird die Bremsverzögerung nach hinten weitergegeben bis oftmals in deutlicher Entfernung die Autos sogar zum Stehen kommen. So wie der letzte Dominostein, der fällt. Solche Phantom-Staus zeigen, wie anfällig der Verkehrsfluss auf hochfrequentierten Autobahnen ist. Schon kleinste Störungen, wie ein unbedachtes Einfädeln oder ständiges Spurwechseln, lösen eine Kettenreaktion mit großem Effekt aus.

Gaffen geht gar nicht

Einen Schau-Stau nennt Sandler etwa den Effekt, wenn die Reisenden nach der Kuppe den ersten Blick auf den Chiemsee erhaschen und wegen der schönen Aussicht direkt vom Gas gehen. Es gibt aber noch deutlich unerfreulichere Gründe für einen Schau-Stau. Nämlich dann, wenn sich ein Unfall ereignet und die Sensationsgier anderer Verkehrsteilnehmer den Verkehr ausbremst. Sandler weiß aus Erfahrung, wenn es auf einer Seite der Autobahn kracht, bleibt ein Rückstau selbst auf der anderen Seite nicht lange aus. Für seine weitere Einsatzzeit als Stauflieger beim ADAC wünscht er sich daher weniger „Gaffer“, auch wenn er sie selbst ganz selten so deutlich benennt. Und das Bilden der Rettungsgasse könnten einige Autofahrer auch noch einmal üben.

Kennen Sie schon unsere Kampagne "Gaffen geht gar nicht"?

Die gemeinsam von ADAC und BAYERN 3 ins Leben gerufene Kampagne "Gaffen geht gar nicht" wurde im Jahr 2021 mit dem German Brand Award ausgezeichnet.