Section Control eingestellt: Alle Infos zum Tempo-Messverfahren
Neue Form der Tempoüberwachung in Deutschland: Section Control war auf einer Strecke in Niedersachsen mehrere Jahre in Betrieb. Doch Anfang 2024 wurde die Anlage abgeschaltet.
Der Betrieb ist aus Datenschutzgründen eingestellt worden
Section Control ermittelt die Durchschnittsgeschwindigkeit
Kennzeichen der Fahrzeuge werden automatisch registriert
Warum wurde Section Control eingestellt?
Das Blitzer-System Section Control ist in Hannover zu Beginn des Jahres 2024 abgeschaltet worden. Wegen neuer gesetzlicher Vorgaben zum Mess- und Eichverfahren verschlüsselter Daten sei das System, das die Durchschnittsgeschwindigkeit von Autos über eine längere Strecke misst, nicht mehr im Betrieb, teilte die Polizei in der niedersächsischen Landeshauptstadt mit. Zur weiteren Nutzung der Anlage wäre eine technische Nachrüstung notwendig. Der Hersteller Jenoptik plane jedoch nicht, Section Control entsprechend technisch nachzubessern.
Was genau war Section Control?
Das Streckenradar an der Bundesstraße 6 war ein in Deutschland neuartiges Verfahren zur Verkehrsüberwachung. Bei Section Control wird nicht das Tempo eines Fahrzeugs an einer bestimmten Stelle erfasst, sondern die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen zwei Messpunkten errechnet. Diese Abschnittskontrolle ist zum Beispiel für Strecken, auf denen sich Unfälle häufen, Tunnel und Baustellen geeignet.
Wird eine Geschwindigkeitsübertretung festgestellt, löst hinter dem zweiten Messpunkt eine Frontkamera aus und fertigt ein Fahrerfoto an. Mit dem Kennzeichen und dem Fahrerfoto kann dann genau wie bei der herkömmlichen Geschwindigkeitsmessung das Bußgeldverfahren in Gang gesetzt werden.
Bei klassischen Tempokontrollen werden nur die Fahrzeuge anhand des Kennzeichens erfasst, die an einem bestimmten Messpunkt die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten. Bei Section Control dagegen werden alle Fahrzeuge vollautomatisch beim Einfahren in den Streckenabschnitt und beim Ausfahren registriert.
Section Control drei Jahre im Regelbetrieb
In Niedersachsen lief von Dezember 2018 bis Dezember 2020 – mit Unterbrechungen – ein Pilotprojekt auf dem etwa 2,2 Kilometer langen Abschnitt der B6 zwischen Gleidingen und Laatzen. Trotz eines Tempolimits von 100 km/h lag die mittlere Geschwindigkeit vorher bei 105 km/h. Im Pilotprojekt sank sie auf 95 km/h, und die Zahl der Autofahrer, die sich an die Höchstgeschwindigkeit hielten, stieg um 40 Prozent.
Während des Projektes wurden auf dem Abschnitt – zuvor eine Unfallhäufungsstrecke mit vier Verkehrstoten zwischen 2014 und 2017 – keine Verkehrsunfälle registriert. Das niedersächsische Innenministerium schließt daraus, dass Section Control einen deutlichen Beitrag zur Steigerung der Verkehrssicherheit leistet.
Nach der abschließenden juristischen Klärung befand sich die Abschnittskontrolle in der Region Hannover an der B6 von Januar 2021 bis Dezember 2023 im Regelbetrieb.
Positive Erfahrungen mit Section Control macht seit 20 Jahren auch Österreich, wo auf den Kontrollabschnitten die Zahl der Getöteten um bis zu 50 Prozent sank. In den Niederlanden nahm nach Installation des Systems an einer Autobahn im Jahr 2002 die Zahl der Verkehrsunfälle um 47 Prozent ab. Ähnlich sind die Erkenntnisse aus der Schweiz und Großbritannien, wo Section Control seit Jahren eingesetzt wird.
Datenschutz bei Section Control
Die automatische Erfassung aller Kfz-Kennzeichen (personenbezogene Daten) durch optische Zeichenerkennung betrifft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Autofahrer.
Um den Datenschutzanforderungen zu genügen, wird bei Section Control die Zeichenfolge der Nummernschilder verschlüsselt und anonymisiert. Ergibt die Berechnung zwischen den Messpunkten keinen Geschwindigkeitsverstoß, werden die Daten sofort wieder gelöscht, sodass kein Rückschluss auf das Fahrzeug oder den Fahrer möglich ist.
Rechtsstreit um Section Control
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits vor einiger Zeit entschieden, dass ein solcher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur rechtmäßig ist, wenn eine Ermächtigungsgrundlage vorliegt. Daher wurde das Niedersächsische Polizeigesetz während der Pilotphase geändert, um den Testbetrieb von Section Control wieder aufnehmen zu können. Er war zwischenzeitlich durch ein gerichtliches Verbot untersagt worden.
Eine zwischenzeitlich eingereichte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, sodass der Grundsatzstreit um Section Control abgeschlossen ist.
Section Control nur in Niedersachsen
Die Abschnittskontrolle des Verkehrs ist nirgendwo sonst in Deutschland im Einsatz. Das lag lange Zeit etwa an den fehlenden landesspezifischen Rechtsgrundlagen. In anderen Bundesländern wie Hessen und Sachsen-Anhalt gab es jedoch entsprechende Prüfungen beziehungsweise Planungen.
Bis zur Abschaltung von Section Control auf der B6 bei Hannover hatte es auch noch Überlegungen für den Aufbau weiterer Geräte, etwa im niedersächsischen Landkreis Friesland, gegeben. Eine weitere Anlage wird es nun allerdings voraussichtlich so schnell nicht wieder geben.
Standpunkt des ADAC
Bei Geschwindigkeitskontrollen ist der Übergang von der Kontrolle zur Überwachung fließend und aus der Sicht des Betrachters auch unterschiedlich zu bewerten. An den meisten Strecken besteht kein Bedarf für die Abschnittskontrolle, da für eine effektive Geschwindigkeitsüberwachung bereits bewährte Messverfahren zur Verfügung stehen. In der Abwägung des geeigneten Messverfahrens sind neben der Unfallsituation auch Investitions- und Betriebskosten zu berücksichtigen.
Lesen Sie hier den vollständigen Standpunkt des ADAC zu Section Control.