Lambretta G-Special 350: Kraftvoller Klassik-Motorroller

Endlich kommt Leben in die von Vespa dominierte Domäne der Klassikroller: Die neue Lambretta G-Special 350 tritt nicht nur höchst eigenständig mit traditioneller Optik und Technik an, ihr potenter Antrieb macht sie auch zum stärksten Retro-Vertreter.
Hochwertige Verarbeitung
Ca. 250 Kilometer Reichweite
Gutes Handling
Nach der viel beachteten Premiere auf der Mailänder EICMA im vorletzten Jahr kommt die Lambretta G-Special 350 jetzt zu Preisen ab 6700 Euro auf den deutschen Markt. Sie zeigt eine langgestreckte Silhouette mit kantiger Formensprache und flachem Heck. Besonders markant ist der Fix Fender, also die mit dem Bug fest verbundene vordere Radabdeckung, die schon die historischen Lambretta-Modelle aus der Rollermasse heraushob.
Dazu finden sich überall Insignien der legendären Marke: Unter der Lampe sitzt ein Prägesignet, auf dem Handschuhfachdeckel eine Plakette, und die Gummimatte auf dem Mitteltunnel zeigt das Lambretta-Löwenlogo.
Ergonomie: Bequeme Sitzposition

Eng anliegende Verkleidungsteile geben der Lambretta einen sportlichen Touch. Die schlanke Taille vermittelt zusammen mit der geraden Sitzbankkontur trotz 79 Zentimetern Polsterhöhe einen sehr sicheren Bodenkontakt im Stand. Fürs Schuhwerk steht rechts und links des erhöhten Tunnels ausreichend Platz auf den Trittflächen zur Verfügung, der große Abstand zum Sitz schafft bequeme Kniewinkel.
Dass die Bewegungsfreiheit für die Füße nach vorn durch den Vorbau begrenzt ist, stört nur wenig. Der relativ weit vorn und hoch platzierte Lenker erlaubt mittelgroßen Fahrern bzw. größeren Fahrerinnen eine aufrechte Oberkörperhaltung samt guter Kontrolle, zum Rangieren braucht’s jedoch ordentlich Kraft. Dagegen fällt das Aufbocken auf den Hauptständer dank praktischem Griff unterm Sitzbankheck richtig leicht.
Im Test: 26-PS-Motor

Gestartet wird die Lambretta klassisch per Zündschlüssel und Druck auf den großen roten Anlasserknopf, der als Wippe zugleich als Notausschalter fungiert. Unmittelbar brabbelt es angenehm dumpf aus dem rechtsseitig verlegten langen Schalldämpfer, der mit seinem ungewöhnlichen viereckigen Querschnitt die Eigenständigkeit des Entwurfs untermauert. Etwas Besonderes ist auch der flüssigkeitsgekühlte Vierventiler: Mit einem Hubraum von 330 Kubik eröffnet er neue Horizonte für Klassikroller – bislang schien die Obergrenze bei 278 Kubik wie festgenagelt.
Sehr kurzhubig ausgelegt, erzielt der Einspritzmotor eine Höchstleistung von 25,8 PS und ein maximales Drehmoment von 25,3 Newtonmeter, was in einer Höchstgeschwindigkeit von 128 km/h mündet. Vespas GTS 300 riegelt bei 120 km/h elektronisch ab. Trotz eisiger Bedingungen spricht der Motor spontan und ruckelfrei auf Gasanforderungen an, von einer ausgeprägten Kaltlaufphase ist nichts zu spüren.
Mit dem sanften Ansprechverhalten ist eine gleichmäßige, lochfreie, eher gemütliche Kraftentwicklung verknüpft. Die Lambretta legt wenig spektakulär, aber nachdrücklich an Tempo zu. Dabei sorgen ein gesundes Maß an akustischen wie haptisch spürbaren Lebensäußerungen für die Emotionalität. Mit einem versprochenen Verbrauch von 3,7 Litern auf 100 Kilometer kommt die Lambretta angesichts des 9,5-Liter-Tanks theoretisch 257 Kilometer weit, das reicht manchem die ganze Woche.
Bilder: Lambretta G-Special 350 im Detail





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Stabilitätsorientiertes Fahrwerk

Neben dem Motor zeigt auch das Fahrwerk Eigenheiten wie die augenfällige Vorderradaufhängung mit gleich zwei gezogenen Kurzschwingen – ebenfalls eine Reminiszenz an die zwischenzeitlich glorreiche Vergangenheit. Die sehr technisch anmutende Konstruktion bietet außerdem die Möglichkeit, die Vorspannung der Federbeine mit einem Hakenschlüssel an die Zuladung anzupassen.
Hinten sorgt ein auf der Auspuffseite verschraubter Dreiecksarm für einen besonders stabilen Counterpart zur Triebsatzschwinge. Beide Radaufhängungen bescheren mit gutem Ansprechverhalten angenehmen Fahrkomfort und drücken darüber hinaus dem Fahrverhalten ihren stabilitätsorientierten Stempel auf: Ungeachtet sehr wendiger Pirelli-Zwölfzöller zeichnet sich die G-Special durch eine sehr solide Fahrt aus, ohne dabei allzu unhandlich ums Eck zu gehen.
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170 Kilo und ein langer Radstand fördern zusätzlich einen unbeirrbaren Geradeauslauf, was angesichts der hohen Endgeschwindigkeit auch wünschenswert ist. Von dieser Unbeirrtheit profitiert auch die Verzögerungsleistung, selbst wenn die beiden Schwimmsattelzangen im Vorder- und Hinterrad ziemlich zaghaft zu Werke gehen. Sogar auf kaltem Asphalt braucht es kräftig zupackende Hände, um das ABS zum Eingriff zu bewegen.
Ein kleines Highlight ist das vollflächige, in die Lenkerverkleidung eingebettete TFT-Display. Dieses zeigt am oberen Rand farbig unterlegt die Drehzahl an, im Zentrum steht die Geschwindigkeit, darunter befinden sich die vom rechten Lenker per Mode-Taste wechselbaren Anzeigen. Dem rollertypischen Alltagsgedanken huldigen die beiden Gepäckabteile im Bug und unterm Sitz, die je eine USB-Buchse des modernen C-Standards beherbergen.
G-Special 350: Technische Daten, Preis
Herstellerangaben | |
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Motor/Getriebe | Flüssigkeitsgekühlter Einzylinder, 330 ccm Hubraum, 19 kW/25,8 PS bei 7500 U/min, 25,3 Nm bei 6750 U/min; vier Ventile/Zylinder, ohc, Einspritzung, CVT-Automatik, Fliehkraft-Trockenkupplung, Riemen-Sekundärantrieb |
Fahrleistungen | Höchstgeschwindigkeit 128 km/h, Verbrauch 3,7 l/100 km |
Fahrwerk | Stahl-Monocoque mit verschweißten Versteifungen; gezogene Zweiarm-Kurzschwinge (Federbasis einstellbar), Zweiarm-Triebsatzschwinge hinten, zwei Federbeine (Federbasis einstellbar); Leichtmetallgussräder; Reifen 120/70-12 (vorn) und 130/70-12 (hinten). 240 mm Einscheibenbremse vorn, 240 mm Einscheibenbremse hinten |
Assistenzsysteme | ABS |
Maße und Gewichte | Radstand 1400 mm, Sitzhöhe 790 mm, Gewicht fahrfertig 173 kg, Zuladung 170 kg; Tankinhalt 9,5 l |
Preis | 6719 Euro inkl. Nebenkosten
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Fazit
Auch genaues Hinsehen offenbart weder unschöne Spaltmaße noch nachlässige Verschraubungen oder versteckte Lackmängel. Die Verarbeitung kann die hohen Erwartungen durchaus erfüllen. Mit dieser vollauf gelungenen Praxis-Premiere rechtfertigt die neue Lambretta G-Special 350 den selbstbewussten Preis von 6700 Euro und positioniert sich als erster Herausforderer der bislang konkurrenzlosen Vespa GTS 300.
Text: Thilo Kozik/SP-X