"Klimaneutrale Verbrenner sind möglich"

ADAC Technikpräsident Karsten Schulze
ADAC Technikpräsident Karsten Schulze© ADAC/Peter Neusser

Im Interview kritisiert ADAC Technikpräsident Karsten Schulze eine weitere Verschärfung der EU-Klimaziele. Und erläutert, warum nicht E-Fahrzeuge, sondern auch alternative Kraftstoffe einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

ADAC Redaktion: Die europäischen Klimaschutzziele für das Jahr 2030 sollen nochmals verschärft werden. Was sagt der ADAC zu diesem Vorhaben?

Karsten Schulze: Klimaschutz steht seit 2019 in der Satzung des ADAC, Fortschritte im Verkehrssektor halten wir für unverzichtbar. Nur: Schon das aktuelle Ziel von minus 40 Prozent im Vergleich zu 1990 ist sehr ehrgeizig und mit höheren Kosten für Autofahrer verbunden. Ab nächstem Jahr wird schließlich ein CO2-Preis beim Sprit eingeführt. Eine neue
Verschärfung würde die Preisspirale weiter nach oben drehen und ist deshalb inakzeptabel.

Die von EU-Kommissar Frans Timmermanns angekündigten Maßnahmen könnten de
facto zum Tod des Verbrenners führen. Wie stehen Sie dazu?

Ein Verbot des Verbrennungsmotors wäre kontraproduktiv. Selbst wenn man die ökonomischen Folgen für viele Zulieferer außer Acht lässt: Effiziente Verbrennungsmotoren, die klimaneutral erzeugte Kraftstoffe nutzen, können entscheidend zum Klimaschutz beitragen.

Elektromobilität gilt in der EU-Kommission offenbar als Ide­allösung für sauberes Autofahren, alternative Kraftstoffe sind eher für Flug- und Schiffsverkehr vorgesehen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Wir dürfen uns nicht auf eine Technologie festlegen. Hierzulande gibt es 47 Millionen Pkw mit Ver­brennungsmotor, in der EU sind es deutlich über eine Viertelmilliarde. Sie lassen sich nicht schnell durch batterieelektrische Fahrzeuge ersetzen. Dazu fehlt es an Rohstoffen und Ladeinfrastruktur. Deswegen müssen wir bei den Kraftstof­fen ansetzen, um die aktuelle Flotte klimafreundlicher zu machen.

Was meinen Sie genau?

Zunächst E10, also Otto-Kraftstoff mit zehn Prozent Bioethanol. Würden ihn alle geeigneten Fahrzeuge hierzulan­de tanken, ergäbe das bis zu drei Mil­lionen Tonnen weniger CO2 jährlich. Würden wir bei Benzin und Diesel noch mehr Biokraftstoffe beimischen, ließe sich auch mehr CO2 einsparen. Zum Vergleich: Sollte es 2030 zehn Millionen E-Mobile und Plug-in-Hybriden in Deutschland geben, wären es bis dahin ca. 11 Millionen Tonnen CO2-Reduktion.

Welches Potenzial sehen Sie in syn­thetischen Kraftstoffen, die aus Wasserstoff erzeugt werden?

Sehr großes. Synthetische Kraftstoffe aus regenerativen Energien könnten den Verbrenner komplett klimaneut­ral machen. Um deren Entwicklung voranzutreiben, muss die Politik Zu­lassungen und Anreize vergeben, statt fast ausschließlich auf E-Mobilität zu setzen. Schließ­lich
sollten wir alle Möglichkeiten für den Klimaschutz ausnutzen.

Auf europäischer Ebene soll der Rechtsrahmen für die Lkw-Maut künftig auch auf Pkw ausgeweitet werden. In der Folge könnte das auch in Deutschland zu einer Autobahn-Maut führen. Eine gute Idee?

Ich glaube, dass über die Einführung einer Autobahn-Maut jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden sollte. Hier gilt also das Subsidiaritätsprinzip, das muss nicht auf europäischer Ebene geregelt werden. Außerdem gibt es für Deutschland überhaupt keine Notwendigkeit, eine Pkw-Maut auf Autobahnen einzuführen.

In den Städten wird Straßenraum knapp, Busse, Fahrrad, Fußverkehr sollen auch für den Klimaschutz an Bedeutung gewinnen. Wie sollte der Platz verteilt werden?

Dafür gibt es keine universelle Lö­sung. Jede Stadt ist anders, jede Stadt braucht eigene Antworten. Wir setzen uns für ein Miteinander der verschie­denen Verkehrsteilnehmer ein: Jedes Verkehrsmittel hat seine Stärken und sollte sie zur Geltung bringen kön­nen. Eine einseitige, flächendeckende Benachteiligung der Autofahrer leh­nen wir ab – zumal, wenn sie emis­sionsfrei unterwegs sind.