Winterurlaub in Finnland: Zu Gast bei Husky, Rentier und Co.

Anders als in Finnland wird Schnee in unseren Breiten zur Rarität. In Lappland aber werden Wintermärchen noch wahr. Ein Traumtrip in eisige Kälte inklusive des obligatorischen Sauna-Besuchs
• Garantiert winterlich: Lappland, Finnlands Norden gilt als sehr schneesicher
• In der arktischen Wildnis leben 160.000 Rentiere, aber nur zwei Einwohner pro Quadratkilometer
• Am Polarkreis in Rovaniemi ist auch der Weihnachtsmann zu Hause
Rentiere haben eingebaute Vorfahrt
Und plötzlich steht es da. Mitten auf der Straße reckt es den Kopf mit dem imposanten Geweih und glotzt uns aus warmen, dunklen Augen gelassen an: "Vorsicht", brülle ich weitaus weniger entspannt, und Fotograf Rasmus reißt das Lenkrad herum. Sekundenbruchteile später landet unser Wagen in einem Schneehaufen im Straßengraben. Bremsen auf den eisglatten Straßen wäre vermutlich die gefährlichere Option gewesen, und eine Tierkollision auf den ersten Fahrkilometern in Finnland erschien uns ebenso wenig vorteilhaft.
Immerhin, die Schleuderpartie konnte uns und unserem Auto nichts anhaben. Allerdings stecken wir nun fest. Als uns eine Stunde später ein freundlicher Finne mit seinem Geländewagen aus der weißen Knautschzone geschleppt hat, ist der Unfallgegner längst geflüchtet. Aber wir starten unser Lappland-Abenteuer, um die erste Lektion bereichert: Rentiere sind Verkehrsteilnehmer mit eingebauter Vorfahrt!
Der Norden Finnlands ist dünn besiedelt

Autofahren ist nicht das einzige Abenteuer, das der Norden Finnlands seinen Besuchern bietet. Dort, wo der Polarkreis bei Rovaniemi die Grenze zur Region Finnisch-Lappland zieht, beginnt die subarktische Wildnis. Nur vereinzelt liegen Häuser oder etwas größere Siedlungen in der dicht bewaldeten Landschaft, dazwischen riesige Seen, die als zugefrorene Flächen die weiße Weite vervielfachen. Gerade mal zwei Personen leben auf einem Quadratkilometer.
Während der Polarnacht in den Wintermonaten lässt sich die Sonne entweder gar nicht oder nur für wenige Stunden am Horizont blicken, und die Temperaturen liegen zwischen November und März konstant im Minusbereich. Und doch vermag diese eigentlich so menschenfeindliche Umgebung Urlauber zu verzaubern. Weil es hier noch etwas gibt, was wir uns in unseren Breiten bei steigenden Schneefallgrenzen und sinkenden Chancen auf weiße Weihnachten immer sehnsüchtiger wünschen: echtes Winterwunderland.
Magische Nächte im Glas-Iglu

Unser Ziel, für das wir vom Flughafen Rovaniemi noch knapp 250 Kilometer nordwärts entlang der E75 fahren, heißt Kakslauttanen, übersetzt: "Zwei Rentierfleischlager". Dass zu diesem Flecken im Nirgendwo Touristen aus aller Welt reisen, ist Jussi Eiramo zu verdanken. Der Hotelier, weißer, zerzauster Bart und Holzfällerhemd, strandete dort 1974 durch absoluten Zufall. "Aber ich hatte sofort eine Verbindung zu dem Ort", erinnert er sich und erzählt, wie er an dieser Straßenkreuzung ein kleines Café eröffnete und Rentiersuppe verkaufte.
Heute steht an dieser Stelle das Kakslauttanen Arctic Resort, ein Luxushotel mit 650 Betten. "Schlafen im Schnee" lautet das Motto, das beinahe wörtlich zu nehmen ist. Wer hier bucht, nächtigt in urigen, über ein riesiges Areal gesprenkelten Blockhütten oder besser gleich in einem der beheizten Glas-Iglus. Bei größtmöglicher Behaglichkeit lässt sich so der Himmel nach Nordlichtern absuchen. Die Leuchtbilder, die so unberechenbar bei bestimmten magnetischen Konstellationen auftreten, sind in einer sonst so berechenbaren Welt ein magisches Ereignis. Wann auch immer der Ruf "Aurora" für Nordlicht zu hören ist, werden Nasen an Fensterscheiben gepresst, eilig Jacken und Mützen angezogen, Kameras ausgepackt. Manch einer staunt auch nur ergriffen schweigend: Wer einmal erlebt hat, wie die zartgrünen Schleier am Himmel ihre eigenwilligen Formationen tanzen, glaubt, ganz gleich welchen Alters, augenblicklich wieder an Feen und andere Fantasiewesen.
Minusgrade und ihre Besonderheiten
Nicht nur, dass am Flughafen jede Maschine enteist werden muss: Wer in Rovaniemi den Mietwagen mit laufendem Motor in Empfang nimmt, ist dankbar für die warme Innentemperatur. Auf bis zu –32 °C sank die Temperatur bei unserer Recherche. Wer das genießen will, braucht gute Kleidung: Skiunterwäsche, gefütterte Jacke/Hose, dicke Handschuhe und eine Mütze, die die Ohren bedeckt. Unbedingt warme Stiefel und evtl. Wärmesohle einpacken. Wichtig: Handy-Akkus versagen bei diesen Temperaturen in kürzester Zeit!
Schnellste Anreise mit Finnair nach Rovaniemi oder Ivalo (Dauer ca. fünf bis sechs Std., ein Stopp); Übernachten: Arctic Resort Kakslauttanen*; einfachere Unterkünfte z. B. im Fjällcentre Kilopää*. Beste Reisezeit November bis Ende März
Mit Huskys durch den Schnee

Mit der Ruhe ist es am nächsten Morgen vorbei. Ein vielkehliges Heulen durchbricht die eisige Stille: Auf der Husky-Farm nahe Kakslauttanen warten drei Dutzend Hunde darauf, dass es endlich losgeht. Husky-Guide Lisa zeigt unserer Gruppe geduldig, wie wir einen Hundeschlitten führen, Kollege Vincent teilt Thermoanzüge und gefütterte Stiefel aus. Nach dem Crashkurs wissen wir: Lenken geht nur über Gewichtsverlagerung, soll das Gespann zum Stehen kommen, muss man mit dem gesamten Körpergewicht aufs Fußpedal steigen.
Als die Hunde sich in Bewegung setzen, verstummt ihr Jaulen. Das Laufen liegt den Vierbeinern mit dem Wolfsgesicht in den Genen. Mehrere Stunden täglich wollen sie sich bewegen, "an gut gebuchten Tagen machen die Hunde 50 Kilometer", erklärt Lisa. Dafür vertilgen sie auch drei Kilo Rindfleisch. Die nächsten zwei Stunden legen sich Ylppä, Elli, Yana, Susi, Gaya und Vinicu mächtig ins Zeug. Jeweils sechs Hunde ziehen zwei Menschen durch die glitzernde Schneelandschaft. Schon bald hängen den Huskys die himbeerroten Zungen heraus, doch ihre eisblauen Augen strahlen zufrieden. Gemeinsam sausen wir vorbei an von Schneehauben gebeugten Nadelbäumen, begleitet von der Sonne, die zwischen den dicht stehenden Stämmen hervorblinzelt. Nur die Natur, das Hecheln der Hunde und über alledem ein Himmel, der sich sanft von blau über lila zu rosa verfärbt.
Skifahren, Langlaufen und der obligatorische Saunabesuch

Die früh einsetzende Dunkelheit bedeutet keineswegs das Ende aller Abenteuer: Auf beleuchteten Loipen können Langläufer stundenlang einsam durch die Wälder gleiten. Alpinski-Fans fahren auf dem nahen, nur 438 Meter hohen Kaunispää auf Naturschnee ab. Sieben der 15 Pisten sind mit Flutlichtern angestrahlt, auf dem "Gipfel" lädt ein Restaurant zum Stärken und Aufwärmen ein. Letzteres, das lernen auch wir bald, darf nicht vernachlässigt werden.
In Finnland, wo es mehr Saunen gibt als Autos, ist Schwitzen an der Tagesordnung. Nahezu jedes Hotel hat eine Sauna, einige verfügen sogar über private Schwitzstuben im Badezimmer. Der Saunabesuch ist daher alternativlos, abwägen darf man lediglich bei der Art des Abschreckens: kalte Dusche, Schneehaufen oder, ganz die finnische Art, im Eisloch? In jedem Fall findet sich danach immer irgendwo ein Kamin mit knisterndem Birkenholzfeuer.
160.000 Rentiere leben in Lappland

Damit unser Wintermärchen perfekt wird, müssen wir allerdings noch das Rentiertrauma überwinden. Schließlich war unsere Begegnung mit dem vierbeinigen Wahrzeichen Lapplands bislang zugegebenermaßen unerfreulich. Also besuchen wir Semen Bolshunov. Der 27-Jährige, dick in Kleidung aus Seehund- und Rentierfell verpackt, kutschiert Touristen im Rentierschlitten durch die Wälder und dreht auch für uns eine Runde.
Stute Yönnsi zeigt sich von ihrer besten Seite und trabt munter vor dem Schlitten. Ihr Bändiger Semen ist russischer Same, stammt also vom ursprünglichen Volk des Nordens ab. Er erzählt uns, dass Yönnsi und ihre etwa 160.000 Verwandten in Lappland sich von Moos und Flechten ernähren und die Fähigkeit besitzen, selbst im meterhohen Schnee nach ihrem Futter zu graben. Während er spricht, umwölkt sein eigener Atem sein von der Kälte gerötetes Gesicht, doch selbst die heutigen –32 °C können ihm nichts anhaben. Im Gegenteil: Sobald es Sommer wird, zieht Semen weiter in den Norden: "Hier unten", sagt er lächelnd, "ist es mir dann viel zu warm."
Ein Kurzbesuch beim Weihnachtsmann in Rovaniemi

Nach einem kurzen Abstecher beim Weihnachtsmann, der in Rovaniemi zu Hause ist und im Weihnachtsmanndorf nicht nur Kinder aus aller Welt empfängt, sondern auch ihre Briefe beantwortet, sitzen wir schon wieder im Flugzeug. Schneller, als uns lieb ist, und so wehmütig, dass wir das Enteisen der Maschine als schmerzhaften Abschied von den letzten Spuren des Winters empfinden.
Wenig später startet das Flugzeug, und als könnte der Pilot Gedanken lesen, neigt er die Maschine zur Seite. Er gibt einen letzten Blick auf die endlose weiße Weite frei. Irgendwo da unten trabt bestimmt gerade wieder ein Rentier über die Straße.
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