Luftverschmutzung: EU will Feinstaub- und NO₂-Grenzwerte senken

Ein BMW 530d auf dem Abgasprüfstand
Schadstoffmessung beim ADAC: Autos müssen sauberer werden© ADAC/Jens K¸sters

Die Europäische Kommission will die Luftqualität in Städten deutlich verbessern. Deshalb hat sie jetzt schärfere Grenzwerte vorgeschlagen. Drohen neue Fahrverbote?

  • Die aktuellen Grenzwerte werden fast überall eingehalten

  • EU-Kommission will Grenzwerte für Feinstaub um mehr als die Hälfte senken

  • ADAC fordert Schadstoff-Vermeidung schon am Auspuff

Einfahrbeschränkungen für Diesel-Fahrzeuge, Diskussion um blaue Plaketten, Nachrüst-Debatte: Noch 2016 wurden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in 90 Städten überschritten. Das hat sich geändert.

Im Corona-Jahr 2021 gab es nur noch drei Messtellen mit Problemen, nämlich die Landshuter Allee in München, die Schlossstraße in Ludwigsburg und die Kruppstraße in Essen. Und lag die NO₂-Belastung 2016 noch an fast 60 Prozent der städtisch-verkehrsnahen Messtationen über dem Grenzwert, so sank dieser Wert 2021 auf nur noch ein Prozent.

Das lag natürlich teilweise am Einbruch des Straßenverkehrs wegen der Pandemie, aber auch an saubereren Autos. Und auch wenn in München gerade Fahrverbote für ältere Diesel-Modelle wegen zu hoher Schadstoffbelastung angeordnet wurden: An der positiven Tendenz ändert sich nichts. 2022 zeichnet sich weiterhin eine positive Entwicklung ab. So wurden die Grenzwerte für Feinstaub (PM10) bislang an allen Messtationen eingehalten – auch das sah vor einigen Jahren noch ganz anders aus.

Grenzwerte: EU plant deutliche Verschärfung

Die derzeit gültigen Regeln verabschiedete die EU im Jahr 2008, vorausgegangen waren langjährige Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten. Jetzt zeichnet sich allerdings eine deutliche Verschärfung der Grenzwerte ab – auch auf Druck des EU-Parlaments, das im März 2022 entsprechende Maßnahmen gefordert hatte. Nun hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Luftreinhaltung vorgelegt.

So soll beispielsweise der Jahresgrenzwert für Partikel mit einem Durchmesser unter 2,5 µg nach dem Willen der EU-Kommission bis 2030 um mehr als die Hälfte gesenkt werden, nämlich von 25 auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das teilte die EU-Kommission am Mittwoch, 26. Oktober, mit. Mit den Vorschlägen nähern sich die Vorgaben auf EU-Ebene den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an, setzen sie aber nicht komplett um. Die WHO empfiehlt seit vergangenem Jahr nur noch fünf Mikrogramm, also ein Fünftel des derzeit erlaubten Wertes.

Die Leitlinien der WHO und die Pläne der EU

Luftschadstoff

WHO 2021

aktueller EU-Grenzwert

für 2030 geplanter EU-Grenzwert

Stickstoffdioxid

10 µg/m³

40 µg/m³

20 µg/m³

PM 2,5

5 µg/m³

25 µg/m³

10 µg/m³

PM 10

15 µg/m³

40 µg/m³

20 µg/m³

Jahresmittelwerte

Der Vorschlag der Kommission enthält keine spezifischen Maßnahmen, sondern legt Luftqualitätsstandards fest, die überall umgesetzt werden müssen. Wie die Grenzwerte erreicht werden, ist Sache der EU-Länder. Der Vorschlag muss noch von EU-Parlament und Rat genehmigt werden.

Nicht nur Dieselfahrzeuge betroffen

Die Folge, sollten die Pläne der Kommission angenommen werden: Es dürften neue Anstrengungen und gravierende Maßnahmen notwendig werden, um die nun diskutierten Grenzwerte einhalten zu können. Betroffen sein werden diesmal allerdings nicht nur Dieselfahrzeuge, wie es bislang bei der Reduzierung von Feinstaub und NO₂ der Fall war. So verursacht beispielsweise auch Reifen- und Bremsenabrieb Feinstaub. Und auch private Kamine, Landwirtschaft und Industrie tragen wesentlich zur Luftverschmutzung bei.

ADAC: Fahrverbote vermeiden

Wichtig aus ADAC Sicht: Die Luft muss sauberer werden. Und mobilitätsbeschränkende Maßnahmen, also vor allem Fahrverbote, sollten lediglich das letzte Mittel sein, um Grenzwerte einzuhalten. Der ADAC setzt sich deshalb für technische Lösungen an der Quelle ein, Fahrzeuge sollten also von vorneherein möglichst emissionsarm sein.

Der Gesetzgeber darf die Verbraucherinnen und Verbraucher aber auch nicht überfordern, so der ADAC. Schließlich wirken sich strenge Emissionsgrenzwerte, wie sie etwa von der kommenden Abgas-Norm Euro 7 gesetzt werden dürften, nur auf Neufahrzeuge aus.

Die Anforderungen an die Luftqualität (Immissionsgrenzwerte) sollten deshalb nicht schneller steigen, als sich die Flotte verändern kann. Die Regelung der Emissions- und der Immissionsgrenzwerte sollten vielmehr sinnvoll ineinandergreifen und in ihrer Anpassung jeweils Schritt halten.

Nicht zuletzt: Die Luft ist in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden – dieser erfreuliche Trend setzt sich hoffentlich fort. Der Verkehr leistet jedenfalls seinen Beitrag.

Einen langen Atem wird die EU-Kommission bei ihren Vorschlägen auf jeden Fall brauchen. Bei der Einführung der aktuellen Grenzwerte dauerte es von der Vorstellung bis zur Umsetzung in Gesetze über zehn Jahre.

Mit Material von dpa.