Inklusion im Trial-Sport

Eingespieltes Team: Pascal (Mitte) mit seinen beiden Trainern Klaus Deisinger (links) und Andreas Zipf (rechts).
Eingespieltes Team: Pascal (Mitte) mit seinen beiden Trainern Klaus Deisinger (links) und Andreas Zipf (rechts). © ADAC Südbaden e.V./Claudia Ploh

Der 15-jährige Pascal aus Lahr ist Autist. Im Trial-Training beim Automobil- und Motorradclub Unterer Breisgau geht er aufs Ganze und ist dabei über sich hinausgewachsen.

Mit Helm, Handschuhen und Protektoren gesichert, kann es losgehen: Pascal steigt auf die Fußrasten des Trial-Motorrads und dreht im Trialsportcenter des Automobil- und Motorradclubs (AMC) Unterer Breisgau in Herbolzheim die ersten Runden zum Warmwerden. Souverän fährt er über Erdhügel und balanciert im Stehen durch den unwegsamen Parcours. „Trial fahren macht einfach Spaß“, erzählt der 15-Jährige gut gelaunt und lacht.

Trial als positives Erlebnis

Eigentlich vermeidet Pascal herausfordernde Situationen und fühlt sich unwohl, wenn zu viele Menschen um ihn herum sind. Der Schüler lebt seit seiner Kindheit mit einer milden Autismus-Spektrum-Störung und besitzt eine Inselbegabung im Schach. Erst kürzlich hat er bei einem Schach-Wettbewerb an seiner Schule den 2. Platz gewonnen. Im sozialen Miteinander hat er aber Schwierigkeiten.

Balancegefühl und Konzentration sind für die Fahrt im Gelände gefragt. © ADAC Südbaden e.V./Claudia Ploh

„Das Trial-Training war für ihn wie eine Initialzündung. Der Sport hat ihm geholfen, Selbstvertrauen zu gewinnen um im Schulalltag besser zurechtzukommen“, erzählt Pflegemutter Femita Huhn. Hier kann er in seinem eigenen Rhythmus trainieren und hat Spaß daran, etwas zu versuchen, was er noch nicht kann. Im Schritttempo den Hang hinaufzufahren oder über Hindernisse zu manövrieren, ohne den Fuß abzusetzen, erfordert Geschicklichkeit, Koordination und Konzentration – für den Neuntklässler eine besondere Herausforderung, die er immer besser meistert.

Selbstvertrauen gewonnen

Gepackt hat ihn die Leidenschaft bei einem Schnuppertag im September 2020 im Trialsportcenter Herbolzheim. Damals suchte Pascal nach der coronabedingten Schließung seines Turnvereins nach einem anderen sportlichen Ausgleich. Seitdem trainiert er hier jede Woche, vorerst ohne sportliche Ambitionen.

Bernd Willm, Vorsitzender des AMC Unterer Breisgau, liegt das Wohlergehen seines Schützlings besonders am Herzen. Er hat sich ganz der Jugendarbeit verschrieben und verbringt viel Zeit auf dem etwa 10.000 Quadratmeter großen Trainingsgelände. „Pascal hat sich toll entwickelt und traut sich immer mehr zu“, berichtet er. Schließlich verbessert das Training nicht nur Pascals Fitness und Körperbeherrschung, es hilft ihm auch zu einer guten Selbsteinschätzung und steigert sein Selbstwertgefühl.

In der Gemeinschaft hilft man sich, jeder ist für jeden da.

In der Gemeinschaft hilft man sich, jeder ist für jeden da.

Bernd Willm, Vorsitzender Automobil- und Motorradclub Unterer Breisgau ©ADAC Südbaden e.V./Claudia Ploh

Berührungsängste gab es von Anfang an keine, auch wenn Pascal von seinen Trainern mehr Aufmerksamkeit als seine Mitfahrer benötigt. „In der Gemeinschaft hilft man sich, jeder ist für jeden da“, berichtet Bernd Willm. Pascal wird wie jeder andere gefordert und gefördert, damit er selbständig fahren kann. „Wenn wir das bei unserer Jugend erreichen, sind wir schon zufrieden“, so Bernd Willm.

Keiner fährt alleine

Auf der Strecke ist immer ein Helfer in der Nähe, um Pascal aufzufangen, wenn er bei Hindernissen ausrutscht. © ADAC Südbaden e.V./Claudia Ploh

Wichtigstes Credo im Training: Keiner fährt alleine, immer ist ein Trainer oder erfahrener Helfer zur Stelle, um die Sportler bei Unsicherheit aufzufangen. Auch Pascal weiß, was zu tun ist, wenn er mal die Kontrolle über das Motorrad verliert: „Ein Finger ist immer an der Vorderradbremse, um die Maschine zum Stehen zu bringen.“ Außerdem trägt er ein Abreißband um das linke Handgelenk, mit dem er das Motorrad im Notfall schnell stoppen kann. Das ca. 15 PS starke Beta EVO 2T Vereinsmotorrad, mit dem Pascal unterwegs ist, wiegt immerhin 70 Kilogramm.

Vereinsmotorräder für die Jugend

Dieses und drei weitere Trial-Motorräder, davon zwei mit Elektro-Antrieb, hat der Verein mit finanzieller Unterstützung des ADAC Südbaden zur Förderung der Jugend angeschafft. Damit können Kinder und Jugendliche ohne eigenes Trial-Motorrad kostenfrei trainieren. Besonders gefragt ist das Einsteiger-Training am Sonntagvormittag, das für Pascal einen festen Platz in seiner Wochenplanung einnimmt. Zwei Trainer und zwei Helfer kümmern sich um die jungen Fahrer und bringen ihnen neben den grundlegenden Fahrtechniken auch das technische Verständnis für die Maschinen bei. „Das gehört für uns zur Fahrzeugbeherrschung dazu. Fast alle hier warten und reparieren ihre Motorräder selbst“, erklärt Bernd Willm. Das nötige Werkzeug gibt es in der Vereinswerkstatt direkt neben dem Clubhaus.

Aktuell sind 30 Kinder im Alter von sechs bis 18 Jahren im Verein aktiv, einige von ihnen haben bereits erfolgreich an den Deutschen Jugend-Trial-Meisterschaften teilgenommen. Auch Pascal möchte im kommenden Jahr bei einfachen Serien mitfahren. Dafür trainiert er schon jetzt in Begleitung eines Helfers auf anspruchsvolleren Strecken und wünscht sich vor allem eines: „Ein eigenes Trial-Motorrad“.

Besonderes Engagement bei den ADAC Ortsclubs

In den ADAC Ortsclubs engagieren sich Ehrenamtliche für den Motorsport und setzen sich für Inklusion ein. Vielfalt spielt in den Clubs eine große Rolle, vereint setzen sich dort Menschen für ein gemeinsames Ziel ein.  

Die Mitgliedschaft als ADAC Ortsclub ist kostenfrei. Interessierte Clubs müssen lediglich aus mindestens 30 ADAC Mitgliedern bestehen und sich in den Bereichen Mobilität, Motorsport, kraftfahrttechnisches Kulturgut, Verkehrssicherheit oder Tourismus engagieren. Weitere Infos gibt es im Ortsclubportal des ADAC Südbaden.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?