Entspannte Pannenhilfe: „Die meisten Gelben Engel sind Naturtalente“
Steffen Schabel betreut als operativer Personalentwickler die ADAC Straßenwacht. Das Ziel: entspannte Pannenhilfe.
Die ADAC Straßenwacht hilft jeden Tag ungefähr 10.000 Mal in Deutschland. Die meisten Pannen beheben unsere Fahrer in kurzer Zeit. Bei diesen vielen Tausend Fällen erleben die Gelben Engel jeden Tag auch schwierige Situationen, bei denen es nicht nur um die Behebung einer technischen Panne geht, sondern bei denen die Havaristen mit der Panne in eine psychische Ausnahmesituation geraten.
Eine Panne kommt nie gelegen. Für niemanden. Die meisten sind unterwegs, haben ein Ziel, wollen vielleicht mit den kleinen Kindern in den langersehnten Urlaub, müssen zu einem wichtigen Arzttermin oder sind nach einem anstrengenden Arbeitstag auf dem Weg nach Hause. Auf dem idyllischen Land geht es oft etwas entspannter zu als im hektischen Verkehr einer Großstadt. Der Stress der Havaristen entlädt sich leider auch manchmal beim Straßenwachtfahrer, der ja eigentlich helfen will. Dann fließen Tränen, andere sind wütend.
Die Straßenwacht hilft erstmal dem Menschen
Straßenwachtfahrer arbeiten ganz anders als Mechatroniker in der Werkstatt, wo jeder Handgriff genormt und getaktet ist, es keinen direkten Kundenkontakt gibt und der Chef die ganze Zeit hinter ihm steht. Bei uns geht es zuerst um die Hilfe für den Menschen. Das kaputte Auto ist zwar der Anlass, weshalb der Pannenhelfer kommt. Aber der Gelbe Engel hilft erst mal dem Menschen. Deshalb ist es wichtig, dass die meisten unserer Fahrer zusätzlich zu ihrer Ausbildung als Kfz-Mechatroniker über Berufs- und vor allem über Lebenserfahrung verfügen. Gelbe Engel helfen gern.
Die meisten Gelben Engel sind kommunikative Naturtalente, sie gehen ohnehin gut mit den Mitgliedern um, die überraschend in Not geraten sind. Die meisten Menschen, mit denen unsere rund 1750 Straßenwachtfahrer jeden Tag zu tun haben, sind dankbar, dass ihnen geholfen wird: Die allermeisten können ja nach der Pannenhilfe weiterfahren und erreichen ihr Ziel.
Für die wenigen Ausnahmen, in denen die Emotionen hochkochen, schulen wir unsere Fahrer, damit sie gut und möglichst deeskalierend reagieren.
Interesse für die Bedürfnisse der Havaristen
Wir schauen schon im Einstellungsgespräch darauf, ob der Kandidat sich ausschließlich auf die Schadensbehebung konzentriert oder auch das Pannenopfer einbezieht und sich für die Beteiligten und ihre Bedürfnisse interessiert. Denn kommt ein Gelber Engel zum Pannenort, muss er die Lage schnell und richtig einschätzen. Die meisten spüren auf Anhieb, ob der Autofahrer in Eile ist oder die Familie schon völlig aufgelöst, unter Umständen sogar verzweifelt. Manchmal übernehmen die Fahrer sogar zuerst die Rolle als Seelsorger.
Mit solchen Situationen muss man gut umgehen können. Wichtig ist zum Beispiel von Anfang an zu vermitteln: Wir bekommen das schon hin! Daher wird die Wichtigkeit der positiven Grundeinstellung bereits beim Einstellungslehrgang in Landsberg am Lech vermittelt und trainiert. Unterrichtet werden verschiedene Kommunikationstheorien wie das Eisberg-Modell und die vier Seiten einer Botschaft. So lernen die Fahrer zwischen Sachinhalt und Appell zu unterscheiden oder sich von ungerechtfertigten Vorwürfen sachlich zu distanzieren. Dann fällt es leichter, Missverständnisse zu vermeiden oder aktiv zuzuhören. Außerdem müssen die Fahrer Zusammenhänge erkennen und die beste, passendste Lösung suchen. Deeskalationstechniken gehören daher genauso zum Unterricht wie die systematische Fehlersuche am Fahrzeug.
Das kann sehr hilfreich sein, etwa wenn sich ein offensichtlich betrunkener Fahrer wieder ins Auto setzen möchte. Das kann der Gelbe Engel ja nicht zulassen. Das sind zwischenmenschlich schwierige Momente, die über das technische Tauschen einer Batterie weit hinausgehen.
Der Umgang mit schwierigen Konstellationen ist natürlich nicht mit einem Lehrgang abgehakt. In den Pannenhilferegionen schulen regelmäßig Multiplikatoren, also Straßenwachtfahrer, die eine besondere Ausbildung haben, anhand selbst erlebter, praktischer Beispiele die eigenen Kollegen. Die Beispiele der Multiplikatoren sind realitätsnäher und authentischer, als wenn ein externer Trainer diese Schulungen übernimmt, der vielleicht mal eine Schicht mitgefahren ist.
Wenn der Trauzeuge eine Panne hat …
Richtig bedrohliche Erfahrungen machen die Fahrer im Schnitt zweimal im Jahr. Schwierige Lagen, in denen den Gelben Engeln der Stress der Havarierten schon bei der Ankunft entgegenschlägt, erleben sie öfter. Dabei können viele Situationen schon im Vorfeld entschärft werden. Wenn etwa der Trauzeuge mit Eheringen in der Tasche auf dem Weg zur Trauung liegen bleibt, und das bei der Fallannahme angibt, können wir ihm direkt das Taxi rufen, und den Schaden am Auto später ansehen – wenn eben mehr Luft ist.
Als Havarist kann man ebenfalls eskalierende Pannen vermeiden:
Zuallererst sollte man trotz der Panne natürlich erst einmal Ruhe bewahren. Oft hilft es, einige Male tief durchzuatmen.
Als zweiter Schritt muss der Pannenort abgesichert werden: Warndreieck aufstellen, Warnweste anziehen, auf der Autobahn hinter der Leitplanke warten.
Beim anschließenden Anruf bei der ADAC Pannenhilfe bietet sich die Chance, die Panne und auch die persönliche Situation zu beschreiben. So kann der Call-Taker die Situation einschätzen und eventuell andere oder zusätzliche Hilfe anbieten.
Ein weiterer Schritt ist, Angehörige oder Freunde zu informieren, vielleicht Termine abzusagen. Das entspannt – auch wenn es schwerfällt.
Auch sollte man sich auf Wartezeiten einstellen. Je nach Verkehr und Auftragslage kann es manchmal dauern, bis der Straßenwachtfahrer zum Pannenort kommen kann. Die Pannenhilfe versucht ihr Möglichstes, innerhalb von 60 Minuten vor Ort zu sein. In Stoßzeiten oder auf dem Land kann das leider auch mal länger dauern.
Autor: Roman Breindl
Bild: Beate Blank/ADAC