Mountainbikerin bricht sich den Kehlkopf: ADAC hilft mit Intensiv-Transport
Am 22. Mai 2022 wäre Kaddi Kestlers Leben fast vorbei gewesen: Die erfahrene Mountainbikerin stürzte bei einer Tour in Südtirol und verletzte sich schwer am Kehlkopf. Wie der ADAC Ambulanz-Service ihr mit einem Intensiv-Transport helfen konnte, lesen Sie hier.
Ende Mai 2022 ist die 41-jährige, erfahrene Mountainbikerin Kaddi Kestler am Ritten bei Oberbozen in Südtirol mit dem Mountainbike auf ihrem Lieblingstrail unterwegs. Bei der Abfahrt auf der ihr gut bekannten Piste denkt die Journalistin und Radtour-Expertin beim Bayerischen Rundfunk schon an den bevorstehenden, langen Urlaub in Kanada. Plötzlich bleibt sie mit einem Pedal an etwas hängen und stürzt mit dem Hals und der Brust aus voller Fahrt auf den Weg.
Für die Diagnose ein Selfie
Erst ist die Mountainbikerin benommen. Sie wundert sich über das viele Blut, das sie an sich sehen kann. Mit dem Smartphone macht sie ein Selfie, um zu sehen, wo das Blut herkommt. Sie ruft ihren Freund Florian an, der ihr vorausgefahren ist, direkt danach wählt sie den Notruf. Da ist Kaddi Kestler schon nur noch schwer verständlich, krächzt mehr ins Telefon, als dass sie spricht. Glücklicherweise kann sie ihr Handy an ihren gerade eingetroffenen Freund weiterreichen.
Sauerstoff im Hubschrauber
Die Südtiroler Rettung schickt einen Hubschrauber, weil die Atemwege von Kaddi Kestler betroffen sind. Der Heli soll auf einer Lichtung in der Nähe landen. Auf dem Weg dorthin schwillt der Hals der Mountainbikerin immer mehr zu, aber es geht ihr halbwegs gut. Als der Helikopter landet, geht alles ganz schnell: Kaddi Kestler steigt ein und sagt der Notärztin, dass sie nur noch schwer atmen kann. Die Ärztin gibt ihr Sauerstoff, doch der erreicht kaum ihre Lunge. Nach nur wenigen Minuten Flugzeit steigen Crew und Patientin an der Bozener Klinik aus dem Heli. Ab diesem Moment kann sich Kaddi Kestler an nichts mehr erinnern.
Im Schockraum kollabiert die Sportlerin. Ihrem Freund Florian wird die Lage einige Stunden später erklärt: der Zusammenbruch, ein Lungenflügel sei zusammengefallen, Kaddi Kestler sei intubiert und ins künstliche Koma versetzt worden. Die vorläufige Diagnose: Verletzung am Kehlkopf, Verdacht auf Schäden an der Luftröhre, vielleicht am Kopf. Auf den Bildern der Radiologie erkennen die Ärzte wegen der starken Schwellung wenig, Genaueres ist lange unklar.
Unwetter bedrohen Intensiv-Transport
Florian entschließt sich, bei seiner Partnerin in Bozen zu bleiben und sucht sich ein Hotelzimmer in Krankenhausnähe. Von dort aus kümmert er sich um einen Transport nach Hause nach München. Er weiß, dass die Radl-Expertin ADAC Plusmitglied ist, und wendet sich an den Club. Der Ambulanz-Service des ADAC organisiert nach vielen Planungstelefonaten und dem Austausch mit den Südtiroler Ärzten einen Intensiv-Transport. Dabei handelt es sich um eine rollende Intensivstation, die für Patienten und Patientinnen in besonders kritischem Zustand eingesetzt wird – wie Kaddi Kestler, die im Koma liegt und am Leben gehalten werden muss.
Für solche Intensiv-Transporte ist unter anderem ein Wettercheck unabdingbar. Denn jedes Risiko muss vermieden werden, so auch bei der gut vier Stunden dauernden Fahrt nach München. Weil kurz vor der Abfahrt in Südtirol Unwetter drohen, wird der Transport beinahe verschoben. Zudem muss erst ein geeignetes Bett im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar bereitstehen.
Schnitt in die Luftröhre
Nach drei Tagen klappt der Transport. Florian und Kaddi Kestlers Familie erhalten die Nachricht, dass die Mountainbikerin gut in München angekommen und ihre Lage stabil sei. Allerdings sei der Zustand des Kehlkopfs und der Luftröhre bedenklich. Eine Kehlkopf-Operation mit Luftröhrenschnitt ist notwendig. Kaddis Freunde und Familie bangen nicht nur um das Leben der 41-Jährigen, sondern auch um ihre Stimme, die extrem wichtig ist für ihre Arbeit als Journalistin, Podcasterin und Radl-Expertin der Nachmittagssendung "Wir in Bayern" im BR-Fernsehen.
Die Operation verläuft gut, aber Kaddi Kestler erwacht nur mühsam aus dem künstlichen Koma. Sie kämpft sich zurück ins Leben. In den ersten Stunden nach dem langsamen Aufwachen fühlt sie sich verwirrt, fragt sich, ob sie wirklich noch sie selbst ist. Manchmal starrt sie lange in einen Handspiegel, den ihr eine Schwester gebracht hat. Sie fühlt sich "… einmal auseinandergenommen – und wieder zusammengesetzt". Die Verlegung auf die Normalstation ist eine große Erleichterung für alle. Allerdings kann Kaddi Kestler zu diesem Zeitpunkt weder sprechen, noch richtig gehen, nicht einmal essen.
"Ich liebe mein Leben"
Insgesamt liegt die gebürtige Bambergerin zehn Tage im Koma, dreizehn auf der Intensivstation, ist drei Wochen im Krankenhaus. Bis zu diesem Unfall "… lebte ich temporeich, habe rund um die Uhr gearbeitet". Danach nimmt sie sich erst mal Zeit. Logopädie und Folge-Untersuchungen brauchen Geduld. In dieser Zeit der Reha geht sie viel spazieren, jeden Tag ein bisschen mehr. Anfangs hat die Radlerin ein daumendickes Loch im Hals – so was sei schwer auszuhalten. Heute ist es zugewachsen. Außerdem hat Kaddi Kestler nun eine neue Stimme, die etwa eine Oktave tiefer ist als die alte. Auch daran musste sie sich erst gewöhnen.
Drei Narben sind Kaddi Kestler geblieben und eben die neue Stimme. Aber sie kann wieder so viel unterwegs sein wie früher, in den Bergen, auf dem Rad, auf Skiern: "Das war wichtig für mich, und das bleibt wichtig für mich. Ich liebe mein Leben, vorher und jetzt auch."
Über ihren schweren Unfall und die Zeit danach berichtet Katharina Kestler in einem mitreißenden Podcast der "Bergfreundinnen". Wer ihr auf Instagram folgen will, findet sie unter "kaddi_kestler".