Vollgas für mehr Gleichberechtigung im Motorsport

ADAC Blog

Ulrike Feicht (Mitte) Präsidentin des Automobil-Clubs München
© ACM

Ulrike Feicht (im Bild mittig*) ist die erste Präsidentin des Automobil-Clubs München, der älteste Ortsclub im ADAC. Sie gilt als Vorreiterin für mehr Gleichberechtigung im Rennsport – auch wenn sie sagt, sie hätte dabei immer freie Bahn gehabt.

Wir vom Automobil-Club München, kurz ACM, sind nicht nur der älteste Ortsclub des ADAC. Manche Mitglieder behaupten scherzhaft, ohne uns gäbe es den ADAC gar nicht. Fakt ist, dass die Präsidenten des 1903 in München gegründeten Clubs auch Präsidenten des zeitgleich ins Leben gerufenen ADAC waren. Somit kommt in geselligen Runden immer mal wieder die Frage nach der Henne und dem Ei auf. Wir vom ACM fühlen uns dem ADAC durch den gemeinsamen Ursprung besonders verbunden.

Besonderes Engagement bei den ADAC Ortsclubs

In den ADAC Ortsclubs engagieren sich Ehrenamtliche für Motorsport und Klassik, setzen sich für Inklusion ein oder organisieren Benefiz-Events. Vielfalt spielt in den Clubs eine große Rolle, vereint arbeiten dort Menschen mit einem gemeinsamen Ziel. Die Mitgliedschaft als ADAC Ortsclub ist kostenfrei. Interessierte Clubs müssen lediglich aus mindestens 30 ADAC Mitgliedern bestehen und sich in den Bereichen Mobilität, Motorsport, kraftfahrttechnisches Kulturgut, Verkehrssicherheit oder Tourismus engagieren. Auf unserem Blog stellen wir einige ADAC Ortsclubs mit besonderen Projekten vor – und die Menschen, die dahinterstehen.

Hier geht es zum Automobil-Club München e.V.

Der ACM steht für deutsche Rennsportgeschichte

ACM-Legenden: Ludwig Kraus und Bernhard Huser, beide mit Kranz um den Hals im Jahr 1936
ACM-Legenden – rechts mit Kranz: Ludwig Kraus, daneben mit Kranz: Bernhard Huser im Jahr 1936© ACM

Zum Gründungszeitpunkt profitierte unser Verein besonders von der Vielzahl erfolgreicher und berühmter Rennfahrer, die im Münchner Umland wohnten und dem Club zugehörig waren. Wer zu jener Zeit Rennsport betreiben und an den Veranstaltungen teilnehmen wollte, musste Mitglied in einem Automobilclub sein.

Rund um München zählten Rennsportlegenden wie Ernst Jakob Henne, Schorsch (Georg) Meier oder Bernhard Huser zu den ersten Mitgliedern im Automobil-Club München. Der Deutsche Meister im Motorsport, Ludwig „Wiggerl“ Kraus, war mein Vater, Bernhard Huser sein späterer Beifahrer. Legendär ist nicht nur das fahrerische Talent beider. Sie schrieben als Duo mit der Nummer 56, das stets in weißen Pullovern zu Rennen antrat, auch modisch Geschichte.

Eine Präsidentin? Vor allem eine Frage der Rennsportkompetenz

Ulrike Feicht beim Internationalen Oldtimer-Bergpreis 2007 in Nals mit Racing-Legende Luigi Taveri
Ulrike Feicht beim Internationalen Oldtimer-Bergpreis 2007 in Nals mit Racing-Legende Luigi Taveri© ACM

Ich bin im Rennsport groß geworden. Die Ferien verbrachte ich mit meinem Vater am Rand der Rennstrecken. Er war 50 Jahre alt bei meiner Geburt, Werksrennfahrer bei BMW und auf allen europäischen Rennstrecken zu Hause. Als ich 14 Jahre alt war, fragte mich Elisabeth Mann, die als Zündapp-Chefin den größten deutschen Motorradhersteller leitete und eine Freundin meiner Eltern war, ob ich mithelfen wolle, die Fahrer zu betreuen. Ich wollte! Dann war ich plötzlich im Wortsinn mittendrin statt nur dabei.

2004 übernahm ich die Öffentlichkeitsarbeit für den ACM und war damit die erste Frau im Vorstand, später wurde ich Sportleiterin, 2015 dann zur Präsidentin gewählt. Was nach einem großen Schritt im Motorsport klingt, war für mich hier in München ganz einfach. Ich wurde für diese Position von der Mehrheit der Mitglieder vorgeschlagen und somit völlig widerstandslos aufgenommen. Meinen eigenen Motorradführerschein habe ich erst mit 39 gemacht. Mein Vater war stets dagegen. Schließlich kannte er auch die Gefahren.

Den Nachwuchs im Blick

Gruppenfoto der Gewinner der Edelweißralley 2020
Gewinner der Edelweißralley 2000, Karl Heinz und Josefine Biedermann, Renate Breiholz, Ulrike Feicht; hinten v.li.: Gabriele Vogel, Robert Feicht© ACM

Ich denke besonders gerne an Events in den Glanzzeiten zurück, etwa die berühmte Edelweißralley. Dadurch gewannen wir auch überregional viele Mitglieder hinzu. Heute hat sich das geändert. Nachwuchs ist nicht mehr so selbstverständlich. Als Münchner Club fehlt uns ein eigenes Übungsgelände, was ein typisch urbanes Problem ist. Für Interessierte ab dem Teenageralter veranstalten wir Findigkeitsralleys, doch junge Fahrer und Fahrerinnen suchen häufig direkt Sponsoren und feste Trainingszeiten. Da haben andere Clubs einen Ortsvorteil, den wir als städtischer Club vermissen.

Doch überregionale und über den ADAC Südbayern vermittelte Kontakte zu Ortsclubs wie dem AC Garmisch oder dem AC Füssen helfen weiter. Früher waren Clubs Einzelkämpfer, heute unterstützt man sich gegenseitig. Für den jährlichen Mitgliedsbeitrag von 60 Euro können wir über die Zusammenarbeit mit anderen Clubs neben regelmäßigen Clubabenden, gelegentlichen Events und touristischen Ausfahrten nun auch Fahrsicherheitstrainings auf deren heimischen Rennstrecken anbieten.

Motorsport und Pandemie

Unsere Mitglieder finden alle Termine und besondere Fahrten, etwa die nach Kärnten, auf der Homepage, im Newsletter des Clubs und in der Clubzeitschrift „Echo“. Auf die diesjährigen Treffen freuen wir uns ganz besonders. Die Pandemie hat das persönliche Miteinander im ACM stark eingeschränkt. Mit steigenden Temperaturen wächst nun auch die Zuversicht hinsichtlich der nächsten geplanten Veranstaltungen. Denn wo gehören wir denn hin, wenn nicht auf die Rennstrecke?

Damit wächst für mich auch ein neues Verständnis für Miteinander und Teamgeist. Corona hat uns gelehrt, dass es wichtig ist, aufeinander zu schauen, sich Zeit zu lassen, sich um sein Umfeld zu kümmern. Wenn nur etwas davon hängen bleibt, haben wir viel gewonnen. Für mich ist Gleichberechtigung erst dann wirklich erreicht, wenn es keine Rolle mehr spielt, ob Frau oder Mann hinter dem Namen stecken. Qualifikation sollte entscheiden und keine Quote. Als Präsidentin eines Motorsportclubs in einer historischen Männerdomäne ist mein Rat daher, die eigene Kompetenz auszubauen, sich etwas zuzutrauen und von sich selbst überzeugt zu sein.

*Ulrike Feicht neben Rennsportlegende Stéphane Peterhansel und seiner Frau Andrea Peterhansel

Text: Tina Cubara-Steiger