Schneller in der Stadt: Die ADAC Straßenwacht hilft mit dem Fahrrad
"Sie sind vom ADAC?", "Das ist ja Wahnsinn!", "Oh … bestimmt sehr praktisch." Solche Kommentare hört ADAC Straßenwachtfahrer Florian Fröhmer ständig. Der 48-Jährige tauscht im Sommer seinen Pannenwacht-Van gegen ein ADAC-gelbes E-Bike mit Anhänger und hilft havarierten Auto- und Fahrradfahrerinnen und -fahrern in der Münchner Innenstadt.
Allein das E-Bike wiegt über 30 Kilogramm, der mit Werkzeug und Ladegeräten gefüllte Anhänger bringt es auf weitere 80 Kilo. Mit diesem Gefährt ist Florian Fröhmer von April bis Oktober in München unterwegs – an jedem Tag, an dem das Wetter es zulässt.
"Ich kann fast alle Pannen beheben", erklärt der passionierte Radler, "nur Reifen wechseln und abschleppen kann ich nicht." Viele der havarierten Autofahrerinnen und -fahrer zweifeln erst an der Ausrüstung im Anhänger, doch bei 80 Prozent der Pannen schafft der ADAC Mann erfolgreich Abhilfe. Damit erfüllt Florian Fröhmer die gleiche Quote wie seine motorisierten Kollegen.
Mit dem E-Bike durch München
An diesem Tag schickt die Pannenhilfe-Disposition Florian Fröhmer zunächst von seinem Stützpunkt im Münchner Westend nur wenige Straßen weiter zu einem Fahrzeug, dessen Motorkontrollleuchte blinkt. Der Fahrer möchte nach Griechenland und macht sich Sorgen. Nachdem der Gelbe Engel mit dem Pannenhilfe-Laptop den Fehlerspeicher ausgelesen hat, kann er den Fahrer beruhigen. Ein kleines Problem mit der Lambda-Sonde löst Florian Fröhmer in Minuten, dann ist der Wagen bereit, der Fahrer beruhigt.
Das ungewöhnliche Straßenwachtgefährt kommentiert das ADAC Mitglied nicht. "Manche lassen sich ihre Überraschung kaum anmerken", sagt Fröhmer, andere dagegen würden sich über die schnelle und umweltfreundliche Alternative zum Auto freuen.
Das Straßenwachtrad umfährt die Staus
Gleich wird ein Auftrag den Gelben Engel ins wenige Kilometer entfernte Glockenbachviertel führen. Ein Wagen springt nicht an, die Batterie ist wohl defekt. Kurz bevor Florian Fröhmer an diesem sonnigen Tag in die Pedale tritt, um zur angegebenen Adresse zu radeln, kommt eine weitere, dringendere Meldung auf das Handy des Straßenwachtfahrers: Schlüssel im Auto, Hund im Auto, Auto zu. "Dieser Auftrag geht vor, um den Hund nicht zu gefährden", erklärt Fröhmer und bestätigt den Auftrag.
Der Pkw steht am Innenstadtring, rund vier Kilometer entfernt. Dank seiner jahrelangen Einsatzerfahrung kennt Fröhmer in München alle kurzen Wege. Erst überquert er die Theresienwiese in Richtung Zentrum. Am Viktualienmarkt herrscht das betriebsame Gewusel des morgendlichen Lieferverkehrs, dazwischen Busse, Taxis, andere Radfahrende und Touristen. Unter den neugierigen Blicken der Passanten schlängelt sich Florian Fröhmer mit dem auffallend gelben Fahrradgespann umsichtig und defensiv durch schmale Straßen und umgeht so den Stau, in dem Autos schon mal zehn Minuten stehen.
Ein eingesperrter Dackel-Welpe
Wenige Minuten später erreicht Fröhmer in seinem gelben Dress inklusive gelbem Helm und gelber Sonnenbrille den eingeschlossenen Hund. Nach einem kurzen Gespräch mit der hilflos am Straßenrand stehenden Besitzerin macht er sich an die Arbeit. Weil die Fenster dicht schließen, kann der Pannenhelfer das in solchen Fällen oft verwendete Werkzeug nicht einführen. Daher gaukelt er dem Türschloss mit einem anderen Werkzeug einen Schlüssel vor.
Der Dackel-Welpe im Auto bleibt derweil ruhig, er hat kurz zuvor gefressen. "Das ist nicht immer so entspannt", sagt Fröhmer. Er hatte es auch schon mit eingesperrten Hunden zu tun, die das durch das Autofenster vorsichtig eingeführte Werkzeug zum Spielzeug erklärten und zur Seite stießen.
Diesmal geht es schnell, die Tür lässt sich öffnen, und Fröhmer hat Dackel J.J. nach wenigen Minuten befreit. Das dankbare Frauchen hatte vor Sorgen kaum einen Blick für Fröhmers ungewöhnliches Pannenhilfefahrzeug. Erst als sie den Hund streichelt, fällt ihr auf, dass kein Straßenwachtwagen, sondern ein ADAC Mann auf dem E-Bike die Hilfe brachte. "Echt toll" findet sie das.
Ein Anruf hilft
Jetzt geht es zur zuvor bereits angekündigten, vermutlich defekten Batterie im Glockenbachviertel. 1,4 Kilometer sind es nur, das heißt auf dem Rad wenige Minuten. Als der Gelbe Engel das liegen gebliebene Auto erreicht, ruft er den Besitzer an. Die Dispo weist im Telefongespräch darauf hin, dass der Pannenhelfer bis zu 40 Minuten unterwegs sein kann – unabhängig vom genutzten Fahrzeug. Daher bittet die Dispo um eine Rufnummer, unter der der Straßenwachtfahrer den Havaristen erreichen und zum Fahrzeug bitten kann.
Positive Kommentare zum E-Bike
Schnell ist tatsächlich die Batterie als Fehler ausgemacht: Fröhmer hängt das Starterset an die Batterie – der Wagen läuft. Kurz nimmt er Daten für die Statistik auf, erklärt dem Besitzer, wie lange er fahren soll, um die Batterie wieder aufzuladen. Während das gelbe Gespann auf dem Bürgersteig steht, kommentieren Passanten die ungewöhnliche Pannenhilfe: "… dass der ADAC mit dem Fahrrad …", "… toll, guck mal …", dringen Wortfetzen herüber.
"Fast täglich fotografieren mich Menschen", beschreibt Fröhmer das Interesse. Bei Stopps an der Ampel bekomme er Lob oder werde kurz angesprochen. Er wurde sogar schon gefragt, ob er das kostenlose Clubmagazin, die ADAC Motorwelt, ausfahre.
3,5 Kilometer nach München-Sendling
Der nächste Weg führt nach Sendling, weitere 3,5 Kilometer über Kopfsteinpflaster und auf verkehrsarmen Nebenwegen. Nach knapp zwölf Minuten steht Fröhmer vor einem defekten Zündschloss. Keine Mechanikerkunst hilft, der Gelbe Engel kann nur den Abschlepper beauftragen. Das Zündschloss muss in der Fachwerkstatt getauscht werden.
"Mit dem E-Bike bin ich in der staugeplagten Innenstadt oft schneller als mit dem Auto", so Fröhmers Erfahrung. Dabei helfen dem radelnden Engel die beiden Akkus mit 1250 Wattstunden (Wh). Außerdem brauchen die E-Bikes kaum Parkraum auf der Straße oder dem Gehweg. 40 bis 60 umweltfreundliche Kilometer – oder rund zwölf Pannen – legt der Straßenwachtfahrer so an einem schönen Tag in der Stadt zurück.
Tunnel in der Stadt sind tabu
"Die Dispo muss mir natürlich helfen", sagt Fröhmer, die Pannen sollten möglichst nah beisammen liegen. "Da ich keinen schweren Wagenheber im Anhänger habe, erledigen bestimmte Pannen motorisierte Straßenwachtfahrer. Manche Pannen können aus dem Auto heraus besser behoben werden." Außerdem passen Kanister mit Benzin, Diesel und Wasser nur in die Autos, nicht in den Anhänger. Ebenfalls ein Tabu für die E-Bikes: die Tunnel am Mittleren Ring. Tiefgaragen dagegen stellen kein Problem dar. Prompt wartet die nächste leere Batterie in einem Untergeschoss in Schwabing.
Ein E-Kadett in der Tiefgarage
Wieder geht es quer über die Theresienwiese und weiter durch Nebenstraßen zu der Erstbesitzerin eines gut gepflegten 35 Jahre alten E-Kadetts. Nach dem Winter ist die Batterie entladen. Fröhmer gibt Starthilfe auf der Duplex-Garage, löst die festgerostete Handbremse und empfiehlt der Besitzerin eine einstündige Fahrt, um die Batterie aufzuladen. Außerdem erklärt er, wie man die Batterie im nächsten Winter einfach abklemmt.
Pannenhilfe für das Fahrrad
Insgesamt hilft Florian Fröhmer an diesem Tag 13 ADAC Mitgliedern und legt mit seinem Gefährt 54 Kilometer zurück. Was heute fehlt, ist eine Fahrradpanne. Denn der ADAC macht auch liegen gebliebene Radlerinnen und Radler wieder flott: "Meist sind es platte Schläuche, die ich schnell wechseln kann." Auch Defekte am Kettentrieb oder an der inzwischen komplizierten Schaltung behebt der Kfz-Mechatronikermeister souverän.
Seit 2020 radelt Fröhmer schon durch die Stadt. Was damals als Pilotprojekt anfing, ist heute ein fester Bestandteil der ADAC Flotte. In den Innenstädten haben sich die Straßenwachtbikes als praktisch und effektiv erwiesen. Mittlerweile sind 16 Pedelecfahrer in elf Städten als umweltfreundliche Alternative zu den bekannten Straßenwachtfahrzeugen unterwegs. Jeden Tag, von April bis Oktober, wenn das Wetter es zu lässt.