Die Gelben Engel im Katastrophengebiet
In den vom Hochwasser betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind die Straßenwachtfahrer des ADAC ganz besonders gefordert. Ihre Hilfeleistung geht über die bisherigen Einsätze und Erfahrungen weit hinaus. Eindrücke aus Euskirchen und Ahrweiler.
Starkregen und Überflutungen forderten im Westen Deutschlands am 14. Juli über 180 Menschenleben, mehr als 70 Personen werden noch immer vermisst. Häuser, Straßen und Brücken riss das Wasser mit, Gasleitungen, Handynetz und Stromleitungen sind zerstört. Neben Feuer- und Bundeswehr, technischem Hilfswerk (THW) und Rotem Kreuz sind auch etliche Mitarbeitende des ADAC vor Ort.
Einsatz rund um Euskirchen
In der Region um das nordrhein-westfälische Euskirchen wechseln sich elf Straßenwachtfahrer des ADAC ab, bis zu zehn Stunden dauern die Arbeitstage der Helfer. Der Tag beginnt für sie am Stützpunkt des Technischen Hilfswerks in Euskirchen. Die Zusammenarbeit mit dem THW klappe sehr gut, sagt Sarah Kohn, Teamleiterin Pannenhilfe Region Nordrhein-Süd. Beim THW werden die Gelben Engel auch verpflegt, und von dort starten sie zu ihren Patrouillenfahrten. Meist mit dem Auto, schwer erreichbare Orte steuern sie mit einem Quad an.
Die Zahl der Einsätze geht angesichts der immer noch katastrophalen Lage rund um Euskirchen weit über das gewohnte Maß hinaus. Immer wieder müssen Autos von Freiwilligen flott gemacht werden, weil deren Batterie schlapp gemacht hat. Weil Straßen zerstört sind und auf den Wegen zum Teil noch Nägel, Metall oder anderer Schrott liegt, kommt es immer wieder zu Reifenpannen.
„Wir leisten nun auch Pannenhilfe an THW-Fahrzeugen und an den Treckern der vom Hochwasser betroffenen Landwirte. Inzwischen verfügen wir sogar über das notwendige Werkzeug, um deren großen Reifen flicken zu können.“
Sarah Kohn, Teamleiterin Pannenhilfe Region Nordrhein-Süd
Trotz seiner robusten Reifen hatte selbst das ADAC Quad bereits einen Platten. Auch die defekte Sirene am THW-Stützpunkt reparierte ein ADAC Mitarbeiter, Notstromaggregate und Generatoren brachten sie wieder zum Laufen. An ihre Grenzen kommen die Kollegen beim Abschleppen von Fahrzeugen, in denen noch das Wasser steht: Dann muss das THW mit schwerem Gerät anrücken.
Im Ahrtal kommt Hilfe auf neuen Wegen
Ortswechsel, das Ahrtal in Rheinland-Pfalz. Dort koordiniert Markus Loh, Teamleiter der Pannenhilfe Region Mitte, die Arbeit der ADAC Pannenhelfer. Drei Kollegen wechseln sich dort ab. Wegen der langen Anreise aus seinem Heimatort übernachtet Loh im Tal, einer seiner Mitarbeiter ist auch privat vom Hochwasser betroffen.
„Im Moment muss hier noch viel improvisiert werden, so dienen zum Beispiel Autos als Handyladestationen, Zelte wurden als Anlaufpunkte zum Ausruhen und für Verpflegung aufgestellt.“
Markus Loh, Teamleiter Pannenhilfe Region Mitte
Während es an den ersten Tagen nach der Flut wegen des Schutts auf den Straßen kaum ein Durchkommen gab, ist Ahrweiler inzwischen mit normalen Straßenwachtfahrzeugen wieder einigermaßen erreichbar. Talaufwärts werden immer weitere Ortschaften auf Schotterpisten zugänglich, Behelfsbrücken entstehen. Wo es im Tal noch nicht weitergeht, suchen sich die Gelben Engel auf Quads einen Weg durch die Weinberge und Wälder.
Immer wieder werden die Kollegen von Hilfesuchenden angehalten, die mit ihrem Fahrzeug nicht weiterkommen. Hunderte Autos, vom Wasser schwer beschädigt, stehen in den Dörfern und an Straßen, die Gelben Engel versuchen, sie wieder flott zu machen. Zur Verstärkung sind außerdem ADAC Mobilitätspartner mit Abschleppfahrzeugen ins Ahrtal gekommen, unter anderem aus Karlsruhe und Koblenz .
Beschädigte Autos sind natürlich nicht das größte Problem der Betroffenen. Viele erzählen den Pannenhelfern von toten oder vermissten Angehörigen, berichten, wie die Flut ihr Zuhause, Hab und Gut zerstörte. Markus Loh beschreibt die Stimmung vor Ort als eine Mischung aus reinem Funktionieren, Müdigkeit und Solidarität. Bei den Anwohnern herrschte am Anfang noch Schock, gefolgt vom ersten „mechanischen“ Aufräumen, bei dem sie vor lauter Arbeit nicht zum Nachdenken kamen. Nun erkennen sie allmählich das Ausmaß der Schäden, und die ADAC Kollegen nehmen wahr, dass Zukunftsangst aufkommt. Aber angesichts mancher Fortschritte auch vorsichtiger Optimismus.
Das Interview mit Markus Loh wurde am 28. Juli geführt, das Gespräch mit Sarah Kohn am 29. Juli 2021.