Wie lange reicht das Öl noch?

Vor 50 Jahren prophezeiten Experten, der Erde würde noch vor der Jahrtausendwende das Öl ausgehen. Das Gegenteil ist passiert: Nie waren die weltweiten Erdöl-Reserven größer. Woran das liegt - und warum der Großteil nicht verbrannt werden sollte.
Konventionelle Ölfelder sind noch lange nicht erschöpft
Die Fracking-Technik hat die Ölreserven deutlich erhöht
Die bekannten Ölreserven waren noch nie so groß wie heute
Bohren: Konventionelle Erdöl-Förderung
Bei konventionellen Ölfeldern befindet sich der Rohstoff in den Zwischenräumen einer porösen Gesteinsschicht. Wird sie angebohrt, strömt das Öl zunächst dank des natürlichen Lagerstättendrucks nach oben. Später wird Gas in das Lager gepresst, um noch mehr zu Tage zu fördern.
Wirklich "geleert" wird das jeweilige Vorkommen dadurch aber nicht: Mindestens 40 Prozent des Öls befinden sich noch unter der Erde, wenn das Feld als erschöpft gilt und die Fördertürme abgebaut werden. Das größte konventionelle Vorkommen befindet sich in Saudi-Arabien: Im Ghawar-Feld lagern gut 70 Milliarden Barrel – genug, um den weltweiten Bedarf für zwei Jahre zu decken.
Fracking: Die Schieferöl-Revolution
Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien mit hohem Druck
in Tonschiefergestein gepresst. Es bricht den Ton auf. Anschließend können das in winzigen Hohlräumen gebundene Gas und Öl in eine Steigleitung strömen. Dank dieser Technik hat sich die tägliche Erdölproduktion in den USA laut BP* von 6.7 Mio Barrel im Jahr 2007 auf über 16,5 Mio. Barrel im Jahr 2021 erhöht. Auch die Gaserzeugung wuchs dramatisch. Weil das für günstige Preise sorgte, wurden viele Kohle- durch Gaskraftwerke ersetzt. Deshalb sinkt der CO₂-Ausstoß der USA.
Aber es gibt Kritik am Fracking: Es kann Grundwasser und Boden mit Chemikalien verseuchen und Erdbeben auslösen. Außerdem entweicht an den Bohrlöchern unkontrolliert
Methan. Dieses Gas ist laut Max-Planck-Gesellschaft 21-mal schädlicher für das Klima als CO₂.
Teurer Treibstoff: So viel zahlt Deutschland fürs Öl
Jedes Jahr fließen viele Milliarden Euro aus Deutschland in die Ölförderländer. Wie hoch die Rechnung ausfällt, hängt vom Rohstoffmarkt ab. Dass die Preise dort extrem schwanken, zeigte sich auch in den vergangenen Jahren: Nie war die nationale Jahresrechnung fürs Öl so hoch wie 2012 – und schon lange nicht mehr so niedrig wie 2020, als der Ölpreis wegen der Lockdowns in der Corona-Pandemie dramatisch absackte.
Auch wegen solcher, kaum vorhersehbaren Ereignisse waren Prognosen zur Entwicklung des Ölpreises bisher regelmäßig falsch. So erwartete das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW 2008, das Barrel werde 2018 über 200 Dollar kosten – im Jahr 2021 ist sein Preis nicht einmal halb so hoch. Und selbst der russische Angriff auf die Ukraine und die Sanktionen des Westens haben bislang nicht dazu geführt, den Ölpreis in damals befürchtete Höhen zu treiben.
Nachschub aus der Tiefe
Die nachgewiesenen Ölreserven haben sich seit 1960 fast verfünffacht. Möglich macht das der technische Fortschritt, etwa beim Fracking. Inzwischen können zudem selbst extreme Tiefsee-Vorkommen wie das Libra-Feld vor der Küste Brasiliens erschlossen werden. Es liegt 7000 Meter tief unter Wasser und Gestein.
Der theoretische "Peak Oil", also der Höhepunkt der weltweiten Erdölförderung, nach dem es mit der Produktion nur noch bergab gehen kann, verschiebt sich deshalb immer weiter in die Zukunft. Tatsächlich gibt es seit den 1970er-Jahren eine Art "Erdölkonstante": Trotz ständig steigendem Verbrauch reichte das Öl stets für die nächsten 40 Jahre oder mehr.
Klimawandel: Auf dem Weg ins Treibhaus
Eine Klimaschutzpolitik, die den Umstieg auf E-Mobilität und synthetische Kraftstoffe oder den Ersatz von Ölheizungen befördert, könnte Peak Oil allerdings herbeiführen, obwohl noch reichlich Erdöl im Boden der Förderländer ist.
Denn Öl in Mengen und zu günstigen Preisen ist für Wirtschaft und Konsumenten zwar kurzfristig eine gute Nachricht. Aber nicht fürs Klima. Denn um die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen, darf die Menschheit dem Weltklimarat IPCC zufolge noch höchstens 280 Gigatonnen CO₂ in die Atmosphäre blasen.
Beim aktuellen Verbrauch ist dieses Budget in weniger als sieben Jahren erschöpft. Das 1,5-Grad-Celsius-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen ist nach Meinung vieler Experten deshalb nicht mehr zu erreichen.