Umfrage: Bevölkerung unterstützt den Verkehrswandel

Ein Auto und ein Regionalexpress fahren nebeneinander
Öffentlicher und Individualverkehr müssen sich besser ergänzen© imago images/Wolfgang Maria Weber

Der ADAC hat die Einstellung der Menschen in Deutschland zum Verkehrswandel untersucht: Was sind aus Sicht der Bevölkerung wichtige Maßnahmen? Die spannendsten Ergebnisse.

  • Mehr ÖPNV sowohl auf dem Land als auch in den Städten gefordert

  • Weniger Luftschadstoffe sind aus Sicht der Befragten wichtigstes Ziel

  • Über die Hälfte wäre bereit, sich für den Verkehrswandel zu engagieren

Mit einer Reihe verkehrspolitischer Maßnahmen in den Städten und Gemeinden soll der Verkehrswandel in Deutschland gelingen. Der ADAC hat dazu bundesweit 2000 Personen befragt.

Bundesebene: Dringendste Maßnahmen

Rund 79 Prozent der Befragten hielten die Verbesserung der Bus- und Bahnverbindungen auf dem Land für besonders dringlich. Hohe Priorität hatten danach die Energiewende mit 71 und der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Städten mit 60 Prozent. Eine Infrastruktur für Fußgänger (44 Prozent) war dagegen deutlich weniger wichtig.

Ausbau Infrastruktur in den Kommunen

Auch die Projekte in der eigenen Stadt oder Gemeinde waren ein Thema. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) wünscht sich, dass zuerst der ÖPNV ausgebaut wird. Ebenfalls von großer Dringlichkeit: Durchgängige Radwegenetze und eine barrierefreie Verkehrsinfrastruktur. An letzter Stelle des Rankings kommunaler Maßnahmen lagen Bike & Ride-Anlagen zum Abstellen von Fahrrädern an Haltestellen. Das hielten nur 21 Prozent der Interviewten für dringend.

Wichtigste Ziele beim Verkehrswandel

Der Verkehrswandel hat eine Reihe übergeordneter Ziele, bei denen die Befragten unterschiedlich großen Handlungsbedarf sahen. Für 65 Prozent waren weniger Luftschadstoffe am wichtigsten. Mehr Verkehrssicherheit für Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer sollten nach der Meinung von 57 Prozent zügig angegangen werden. Die geringste Priorität – 38 Prozent – wurde dem Ziel “weniger Verkehrslärm“ beigemessen.

Fortschritte bei der Zielerreichung

Die Ziele des Verkehrswandels zu erreichen, liegt auch in der Verantwortung der Kommunen. Die meisten der Befragten meinten, es sei schon etwas gemacht worden, aber Städte und Gemeinden stünden erst am Anfang. Nur rund jeder bzw. jede Zehnte war der Meinung, dass die eigene Kommune bei der Erreichung der Ziele der Verkehrswende auf einem guten Weg ist. Schlusslicht war das Ziel "weniger Verkehrslärm", zu dem 38 Prozent äußerten, es sei noch nichts geplant.

Nach Einschätzung der Befragten passiert auf allen Feldern – Luftschadstoffe, Verkehrssicherheit, CO₂-Emissionen, Umstieg auf ÖPNV oder Fahrrad, Aufenthaltsqualität in Städten und Verkehrslärm – zu wenig.

Engagement des Einzelnen

Die ADAC Umfrage zeigt, dass über die Hälfte der Befragten bereit wäre, an der Umgestaltung ihrer Stadt mitzuwirken. Am größten war die Bereitschaft, an einer Bürgerbefragung teilzunehmen. Ein Fünftel konnte sich vorstellen, sich bei Bürgerveranstaltungen und Workshops einzubringen.

37 Prozent der Interviewten gaben an, die Umgestaltung ihrer Kommune solle diese bzw. die gewählten Vertreterinnen und Vertreter selbst regeln, oder waren nicht interessiert. Nach den überwiegend genutzten Verkehrsmitteln unterschieden, äußerten sich die Radfahrenden mit 64 Prozent am engagiertesten. Bei den Befragten, die überwiegend Pkw oder ÖPNV nutzen, lag die Bereitschaft bei über 50 Prozent.

Einstellungen zum Klimaschutz

1010 Mitglieder hat der ADAC im Januar 2023 im Rahmen seiner regelmäßigen Mehrthemenumfrage zu ihren Einstellungen in Bezug auf den Klimaschutz befragt. Unter den fünf Gesichtspunkten von Nachhaltigkeit im Verkehr rangierten Klima- und Umweltschutz, also der Schutz vor Lärm und Luftschadstoffen sowie die Reduzierung von Treibhausgasen, auf dem letzten Platz. Am wichtigsten waren den Interviewten Bezahlbarkeit und Verkehrssicherheit.

Die Verantwortung für Klimaziele im Verkehr sehen ADAC Mitglieder eher bei Politik und Wirtschaft als bei sich persönlich. Jede bzw. jeder Dritte war bereit, als persönlichen Beitrag die Nutzung klimaschädlicher Verkehrsmittel – wie Verbrenner-Pkw und Flugzeuge – einzuschränken. 17 Prozent würden höhere Preise für klimaneutrale Verkehrsmittel bzw. Mobilitätsoptionen zahlen.

Als eigener Beitrag zur Erreichung der Klimaziele in 2023 wurden den Interviewten mehrere Optionen vorgeschlagen. 63 Prozent erklärten, beim Fahren mit dem Verbrenner-Auto den Verbrauch niedrig zu halten. Die Bereitschaft, als Beitrag zur Erreichung der Klimaziele auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, wenn die Strecken nicht länger als eine halbe Stunde dauern, lag bei 22 Prozent. Ihr Auto abzuschaffen gaben drei Prozent an. Ihr Verkehrsverhalten nicht ändern wollten 27 Prozent.

Empfehlungen des ADAC

S-Bahn München nähe Donnersbergerbrücke
Eine Baustelle der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München© picture alliance/Sven Hoppe

Um beim Klimaschutz voranzukommen, eine höhere Lebensqualität zu erreichen und den mancherorts drohenden Verkehrskollaps in Innenstädten zu verhindern, braucht es weniger Pkw-Verkehr. Doch gleichzeitig muss die Mobilität der Bevölkerung gewährleistet bleiben. Denn fast drei Viertel der Befragten, die überwiegend mit dem Pkw unterwegs sind, können oder wollen nicht auf den ÖPNV umsteigen.

Für das Gelingen des Verkehrswandels in Städten und Gemeinden sind nach Ansicht der ADAC Verkehrsexpertinnen und -experten folgende Punkte besonders wichtig:

  • In den öffentlichen Nah- und Fernverkehr muss dauerhaft mehr investiert werden, um das Angebot zu verbessern. Entscheidend sind eine dichtere Taktfolge und mehr Zuverlässigkeit.

  • Die Bevölkerung muss eingebunden werden, zum Beispiel durch so genannte Bürgergutachten. Informationsveranstaltungen, bei denen die Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt werden, reichen nicht aus.

  • Vor allem, wenn es mit Vorteilen verbunden ist, werden mehr Auto fahrende Bürgerinnen und Bürger von diesen auf Alternativen zum Pkw umsteigen.

  • Besonders in den Ballungsräumen sind dafür günstige Ticketpreise im ÖPNV bei dessen guter Qualität ein wesentlicher Faktor.

  • Verbraucherinnen und Konsumenten brauchen Planungssicherheit. Ihr Auto zum Beispiel werden sie nicht abschaffen, wenn die Perspektive zeitlich begrenzt ist. Beim 49-Euro-Ticket etwa reicht sie nur über 24 Monate.

  • Für den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad sind durchgängige Radwegenetze erforderlich, auf denen Radfahrende sicher und zügig vorankommen.

  • Für Gelegenheitsnutzerinnen und -nutzer sind neben dem öffentlichen Verkehr und dem Fahrrad Car-Sharing und für die Kurzstrecke das Zufußgehen naheliegende Alternativen.

  • Für E-Autos, E-Bikes und elektrische Fahrzeuge im kommunalen Fuhrpark bzw. ÖPNV braucht es eine bessere Ladeinfrastruktur.

  • Es gibt kein Patentrezept für alle Kommunen zum Gelingen des Verkehrswandels. Er erfordert individuelle Lösungen mit einem attraktiven Angebotsmix aus öffentlichem Verkehr, Radverkehr, barrierefreiem und sicherem Fußverkehr und Sharing-Diensten.

  • Kleinere Schritte sind besser als Nichtstun.

Informationen für kommunale Verkehrsplaner

Für die mit der Verkehrsplanung betrauten Fachleute in Städten und Gemeinden bietet der ADAC die Expertenreihe "Perspektiven. Konzepte. Infrastruktur.". Unter dem Link finden Sie auch die Termine und die Anmeldung.

So hat der ADAC untersucht

Im Auftrag des ADAC hat die Nürnberger Infas quo GmbH im Oktober und November 2022 eine repräsentative deutschlandweite Befragung online durchgeführt. Interviewt wurden 2000 Personen ab 17 Jahren, gewichtet nach Alter und Geschlecht. Als Verkehrsmittel nutzten 677 von ihnen überwiegend den Pkw, 505 das Fahrrad und 509 den ÖPNV. 233 Personen waren überwiegend zu Fuß unterwegs.

Die vollständigen Ergebnisse der Befragung finden Sie in diesem PDF:

Verkehrswandel aus der Nutzerperspektive
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