Seilbahnen: Liegt die mobile Zukunft hoch über der Straße?
Endlose Staus, überfüllte Busse und Bahnen, genervte Pendler: Immer mehr deutsche Städte stoßen an die Kapazitätsgrenzen ihrer Infrastruktur. Können urbane Seilbahnen die Lösung sein? Die wichtigsten Fakten.
Pläne für eine Seilbahn in München
Der Platz in unseren Städten wird eng. Das Verkehrsaufkommen wächst, während der dafür zur Verfügung stehende Raum gleich bleibt. Auch in München ist der Verkehr zur Rushhour sowohl auf den Straßen als auch im ÖPNV ein Ärgernis für Pendler und Stadtbewohner. Werktags bewegen sich hier durchschnittlich 45.000 Fahrzeuge in 24 Stunden. Für den besonders stark befahrenen Frankfurter Ring sind nun Pläne für eine Seilbahn entstanden. Sie soll auf einer Länge von 4,5 Kilometern eine Querverbindung schaffen zwischen den U-Bahn-Stationen Oberwiesenfeld, Frankfurter Ring und Studentenstadt. Bei 32 Personen in einer Gondel könnten so bis zu 4000 Menschen in der Stunde befördert werden – staufrei und umweltfreundlich.
Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie für das Projekt erstellt. Sie soll bis November 2020 die Voraussetzungen für eine Realisierung sowie Lösungsvorschläge liefern, aber auch mögliche Probleme abbilden. Die Akzeptanz der Seilbahn in der Bevölkerung scheint bereits vorhanden zu sein. So gaben bei einer Umfrage des Verkehrsexperten Prof. Klaus Bogenberger der Universität der Bundeswehr München 87 Prozent der Befragten an, eine urbane Seilbahn nutzen zu wollen.
Die Bundesgartenschau als Vorreiter
In München gab es bereits 2005 eine Seilbahn. Diese wurde allerdings nur für die temporäre Nutzung während der Bundesgartenschau in Riem erbaut. Ebenfalls für solche Veranstaltungen entstanden in drei weiteren deutschen Städten Seilbahnen: in Koblenz*, Berlin* und Köln*. Ihre Nutzung wurde jedoch nach Ablauf des jeweiligen Events verlängert, sodass sie bis heute in Betrieb sind – wenn auch überwiegend für touristische Zwecke. Die Seilbahn in Berlin etwa führt über die „Gärten der Welt“. Sechs der Kabinen sind als besondere Attraktion mit einem Glasboden versehen, um einen besseren Ausblick auf die Parkanlage zu ermöglichen.
Die erste Stadtseilbahn Deutschlands steht in Köln. Sie wurde 1957 errichtet und verbindet die Stadtteile Deutz und Riehl über den Rhein hinweg. Aktuell gibt es Überlegungen, ein ganzes Seilbahnnetz über den Fluss zu errichten, um die Rheinbrücken zu entlasten. Wie in München wird dafür gerade eine Machbarkeitsstudie erstellt.
La Paz: Ein positives Vorbild
Seilbahnen, die als alltägliches Verkehrsmittel eingesetzt werden, müssen andere Anforderungen erfüllen als rein touristische Anlagen. Sie sollen nicht nur komfortabler sein, sondern müssen auch dem für den ÖPNV geltenden Kriterium der allgemeinen Zugänglichkeit entsprechen.
Im Ausland gibt es bereits positive Beispiele für Seilbahnen als innerstädtisches öffentliches Transportmittel. In La Paz besteht seit 2014 ein erfolgreiches Seilbahn-Netzwerk mit zehn Linien und rund 33 Kilometern Gesamtlänge. Für dessen Umsetzung engagierte die bolivianische Regierung die Spezialisten einer österreichischen Firma. Bei der Bevölkerung kommen die Bahnen gut an – ca. 300.000 Menschen nutzen sie täglich.
Vorteile von City-Seilbahnen
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Aufgrund der großen Höhenunterschiede, die es in La Paz zu überwinden gilt, eignet sich die Seilbahn als Transportsystem für die Hauptstadt Boliviens besonders gut. So bewältigt beispielsweise die Linie „Café“ 714 Höhenmeter. Daneben warten Seilbahnen noch mit weiteren Pluspunkten auf:
Eine geringe für den Bau erforderliche Bodenfläche, was gerade in dichtbesiedelten Städten von großem Vorteil ist
Kurze Bauzeit
Kostengünstige Realisierung im Vergleich zu S- und U-Bahnen
Geringer Energiebedarf
Kurze Wartezeiten für Fahrgäste, da Seilbahnen zu Stoßzeiten schneller sind als Bus oder Tram
Geräuscharm
Geringe Emissionswerte
Hindernisse wie Flüsse oder Berge stellen beim Bau kein Problem dar
Bedenken gegen City-Seilbahnen in Deutschland
In La Paz wurde die Seilbahn über Wohngebiete hinweg gebaut. Dieser Vorgehensweise steht man in Deutschland skeptisch gegenüber. Es scheint schwer vorstellbar, dass Bürger eine Gondel über ihr Grundstück oder direkt an ihrer Wohnung vorbei schweben sehen möchten. Weitere Probleme könnten sein:
Die Bergung bei Problemfällen, auch wenn zu jeder Seilbahn ein individuell ausgearbeiteter Sicherheitsplan erstellt wird
Das Wetter: Bei Gewitter oder Windgeschwindigkeiten über 80 km/h kann die Seilbahn nicht genutzt werden
Das Finden von geeigneten Standorten für Stationen und Masten
Geringere Beförderungszahl von Personen im Vergleich zu U- und S-Bahnen
Fazit: Es zeigt sich, dass Seilbahnen den Verkehr in einer Stadt an stark frequentierten Strecken zwar entlasten, aber keine echte Alternative zu U-, S- und Stadtbahnsystemen darstellen können. Würden sie jedoch sinnvoll an die bestehende Infrastruktur angeschlossen, könnten Seilbahnen eine zukunftsweisende Option zur Entlastung stauanfälliger Straßen oder zur Überwindung größerer Hindernisse sein.
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Text: Eva Fleischmann