Lärmblitzer in Berlin: Kampfansage an Dezibel-Rowdys

Ende Mai wurde Deutschlands erster Lärmblitzer am Kudamm installiert. Nun ist die Testphase beendet
Ende Mai wurde Deutschlands erster Lärmblitzer am Kudamm installiert. Nun ist die Testphase beendet© Marc Vorwerk/SenMVKU

Zwei Monate lang sollte in Berlin ein Lärmblitzer in einer ersten Testphase zu laute Verkehrsteilnehmende identifizieren. Erste Erkenntnis: Viele Fahrzeuge waren mit hoher Lautstärke unterwegs.

  • Premiere: Deutschlands erster Lärmblitzer stand am Kudamm

  • Viele empfinden Straßenlärm als belastend

  • Datenschutzrechtliche Fragen bleiben noch offen

Ein ganzer Gehsteig zuckt zusammen: Gerade wenn man es nicht erwartet, kann sich das rabiate Scheppern eines Auspuffes oder das Aufheulen eines kräftigen Motors ohrenbetäubend laut anhören.

"Auto-Posing" nennt die Straßenverkehrsordnung das Verursachen von unnötigem Lärm im Straßenverkehr, darauf drohen Bußgelder bis zu 100 Euro. Doch anders als etwa bei zu hoher Geschwindigkeit ist es für die Behörden bisher noch schwierig, übermäßig lautes Fahren zu ahnden. Von Ende Mai bis Ende Juli war am Berliner Kudamm ein Lärmblitzer im Einsatz, der erste seiner Art in Deutschland. Bußgelder wurden keine erhoben, die Stadt erhofft sich allerdings neue Erkenntnisse zur Lärmbelastung durch Verkehr.

Zulässiger Geräuschpegel: Laut ist nicht gleich zu laut

Ein Sportwagen darf mit einem Schalldruckpegel von 75 dB(A) unterwegs sein© dpa/Schoening

Interessanterweise gibt es keine einheitliche Grenze, ab wann lautes Fahren als zu laut gilt: Jedes Auto hat einen eigenen Grenzwert, der sich aus Motorleistung und Gewicht des jeweiligen Fahrzeugs ergibt. Für die allermeisten Fahrzeuge gilt ein zulässiger Pegel von 72 dB(A), sehr PS-starke Sportwagen dürfen aber sogar bis zu 75 dB(A) laut sein.

Insgesamt gibt es vier Unterkategorien, bei denen zusätzlich noch das Zulassungsdatum eine Rolle spielt, für Lkw und Motorräder gelten wiederum andere Limits. Jedes in der EU zugelassene Fahrzeug muss sich also an seine spezifischen Grenzwerte halten, auch nachträgliche Einbauten wie Auspuffe mit Klappensteuerung sind davon betroffen.

Zu bestimmen, ob ein vorbeifahrendes Auto zu laut ist, ist also von Haus aus schwieriger als bei der Geschwindigkeit.

Wie wird Lärm gemessen?

Was man umgangssprachlich Geräusch- oder Lärmpegel nennt, nennen Experten "Schalldruckpegel" und wird in dB gemessen. Der Schalldruckpegel in dB(A) lässt mehr Rückschlüsse darauf zu, wie das Geräusch vom Menschen tatsächlich wahrgenommen wird, weil auch gemessen wird, wie hoch oder schrill ein Ton war.
Natürlich spielt auch die Entfernung zur Geräuschquelle eine große Rolle und muss deshalb immer mit angegeben werden.

Lärmblitzer in Berlin: Sammeln und auswerten

Zwischen Mai und Juli unternahm der Berliner Verkehrssenat nun einen ersten Versuch, dem komplexen Problem der städtischen Lärmbelästigung durch Verkehr Herr zu werden. Auf dem Mittelstreifen des Kudamms, auf Höhe der Gedächtniskirche, wurde Deutschlands erster Lärmblitzer verbaut. Er ist eine Leihgabe aus Frankreich, dort wird das Gerät schon seit Längerem getestet.

Der Blitzer erfasst Fahrzeuge, die den Lärmpegel-Schwellenwert 82 dB(A) überschreiten. Mehrere Messmikrofone fungieren aus 7,6 Meter Entfernung sozusagen als akustische Blitzerkamera, mittels Video und Laser wird das Nummernschild aufgenommen. Anhand dessen können technische Merkmale des jeweiligen Fahrzeugs bei der Zulassungsbehörde und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgefragt werden. Denn nur so lässt sich endgültig feststellen, wie laut das Auto eigentlich sein dürfte.

Um Ahndung von möglichen Verkehrsverstößen ging es in der achtwöchigen Testphase allerdings nicht. Laut Senatsverwaltung sollen ausschließlich erste Erkenntnisse gesammelt werden, wie technische Spezifikationen der Fahrzeuge mit dem gemessenen Lärm zusammenhängen. Und inwiefern andere Faktoren mit hineinspielen, schließlich kann auch eine rücksichtslose Fahrweise – etwa wenn ein kleiner Gang unnötig hoch ausgefahren wird – für "unnötigem Lärm" sorgen.

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ADAC: Fragen zu Datenschutz und Effektivität offen

Gerade wenn Behörden planen, das Pilotprojekt in ein regelmäßiges Testverfahren zu überführen und mögliche Vergehen auch zu ahnden, könnten datenschutzrechtliche Fragen dringlicher werden. Offen ist nämlich, wie basierend auf einem lauten Messwert beim Vorbeifahren unterschieden werden könnte, ob das Fahrzeug nach Zulassung laut sein darf, getunt ist oder zu laut gefahren wird. Zudem ist fraglich, ob wirklich nur das Kennzeichen aufgenommen wird und nicht noch andere personenbezogene Daten gesammelt werden.

Der ADAC Berlin-Brandenburg spricht sich grundsätzlich für Maßnahmen gegen unnötigen Lärm im Straßenverkehr aus. Stationäre Lärmblitzer seien aber wenig erfolgsversprechend, da sich deren Standort schnell herumsprechen könnte und sich das grundlegende Problem dadurch nur verlagern könnte.

Außerdem unterstützt der ADAC die bundesweite Kampagne #mehrAchtung, die sich für ein respektvolleres und achtsames Miteinander im Straßenverkehr einsetzt. Unnötige Lärmbelästigung erzeugt unnötigen Stress für alle Verkehrsteilnehmende und trägt nicht zu einem rücksichtsvollen Umgang miteinander bei. Bei einer Umfrage des Umweltbundesamtes von 2020 gaben ganze 76 Prozent der Befragten an, sich durch Straßenverkehrslärm belästigt zu fühlen.

Erster Zwischenbericht: Viele fuhren laut

Was die achtwöchige Testphase des Lärmblitzers gebracht hat, will die Stadt nun in Zusammenarbeit mit der TU Berlin auswerten© Marc Vorwerk/SenMVKU

Dass durchaus Handlungsbedarf besteht, zeigt ein erster Zwischenbericht, den die Senatsverwaltung etwa zur Halbzeit der Testphase veröffentlichte. 1144 Fahrzeuge, die lauter als 82 dB(A) unterwegs waren, hat der Lärmblitzer in etwas mehr als einem Monat registriert. Sogar Werte über 105 dB(A) kamen vor, vergleichbar mit einer Kettensäge aus einem Meter Entfernung.

Zur Einordnung: Schon bei einer Dauerbelastung von über 65 dB(A) am Tag wird ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für Erkrankungen erwartet, 85 dB(A) sorgen laut dem bayrischen Landesamt für Umwelt für eine Minderung des Hörvermögens. 53 Prozent der über dem Schwellenwert geblitzten Fahrzeuge waren Motorräder, Lkw und Busse machten etwa ein Drittel aus.