ADAC Jurist: "Es herrscht das Prinzip friss oder stirb"

Portrait für das Interview von ADAC Jurist Klaus Heimgärtner
ADAC Jurist Klaus Heimgärtner im Interview© ADAC/Stefanie Aumiller [M]

Interview mit ADAC Jurist Klaus Heimgärtner über fehlende Gesetze für Fahrzeugdaten, das Herrschaftswissen der Autokonzerne und besseren Verbraucherschutz.

Aktuelle Autos sind vernetzte Autos und die damit verbundenen Dienste wie der automatische Notruf eCall können von großem Nutzen sein. Das Problem sind die vielen Daten, die dabei entstehen: Autofahrerinnen und Autofahrer wissen nicht, welche Fahrzeugdaten gespeichert werden – und haben auch keinen Zugriff darauf.

Bislang kann der Autohersteller allein entscheiden, für wen die vom Auto generierten Daten zugänglich sind. Ein Zustand, den Klaus Heimgärtner, ADAC Jurist für Verbraucherrecht, so nicht akzeptieren kann.

Redaktion: In modernen Autos fließen Daten vom Auto an den Hersteller. Der Fahrer merkt davon nichts. Ist das nicht illegal?

Klaus Heimgärtner: Es gibt nur wenige gesetzliche Verpflichtungen zum Erheben von Daten, wie zum Beispiel der Messung des Kraftstoffverbrauchs bei neuen Modellen. Abgesehen davon darf der Hersteller nur mit Zustimmung des Halters beziehungsweise Fahrers personenbezogene Daten erheben.

Diese weitgehenden Zustimmungen lassen sich die Hersteller beim Kauf oder vor der Fahrzeugnutzung erteilen. Andernfalls ist die Nutzung von Telematikdiensten, Anwendungen und manchmal sogar Fahrzeugfunktionen nicht oder nur eingeschränkt möglich.

Problematisch ist dabei in den allermeisten Fällen, dass nicht transparent und verständlich darüber informiert wird, welche Daten tatsächlich aus dem Fahrzeug gesendet werden. Würde das ohne Zustimmung passieren, wäre das ein weitreichender Datenschutzverstoß, den die Datenschutzbehörden verfolgen können.

Welche Daten sollten besonders geschützt werden?

Aus meiner Sicht sind alle Daten aus einem Kfz über die Fahrzeugidentifikationsnummer einem Halter oder Nutzer zuordenbar – und damit personenbezogen. So können alle Daten kritisch sein, weil oft nicht klar ist, in welchem Kontext sie verwendet werden können. Besonders problematisch sind die Daten, mit denen sich Bewegungs- oder Verhaltensprofile erstellen lassen.

Was kann man als Autofahrer dagegen tun?

Bislang wenig, es herrscht das Prinzip "Friss oder stirb!", das heißt: "Ohne Daten keine Dienste". Hilfreich könnte hier der europäische Gesetzgeber sein, der ein spezielles Datengesetz im Entwurf vorgelegt hat.

Damit wird der Zugang zu Daten aus vernetzten Produkten, wozu auch ein modernes Auto gehört, genauer geregelt. So soll es unter anderem zur Pflicht werden, vor Kauf oder Nutzung über Art und Umfang der Daten aufzuklären, die voraussichtlich bei der Nutzung des Produkts oder verbundenen Dienstes erzeugt werden.

Außerdem muss der Hersteller oder Diensterbringer erklären, ob er die Daten selbst verwenden oder einem Dritten die Nutzung gestatten will. Das ist ein Schritt hin zur Transparenz. Einige Hersteller geben dem Nutzer nun die Möglichkeit, die Datenübertragung ganz oder teilweise auszuschalten.

Freie Werkstätten brauchen für Kundendienst und Reparaturen Zugang zu Daten im Auto. Bekommen sie den?

Stecker
Über die OBD-Buchse kann man den Fehlerspeicher auslesen© ADAC/Ralph Wagner

Beim Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen darf der Hersteller die freien Werkstätten nicht benachteiligen. Eine Werkstatt kann derzeit nur über die OBD-Schnittstelle auf die Fahrzeugdaten zugreifen. Ist dieser Zugang beschränkt, bleibt freien Werkstätten nur der Weg über Anwendungen des Herstellers, um an die Daten zu gelangen. Das ist aufwändig und zieht Kosten nach sich: Jeder Hersteller betreibt sein eigenes System und verlangt von den Werkstätten, sich zu zertifizieren und zu registrieren.

Wer bezahlt das?

Die Kosten trägt am Ende der Kunde. Ohne den freien, vom Hersteller unabhängigen Zugang zu Daten geraten die freien Werkstätten ins Hintertreffen. Das ist schlecht für den Wettbewerb.

Auch hier kann das geplante EU-Datengesetz weiterhelfen. Der Halter bzw. Nutzer soll dann vom Produkthersteller verlangen können, die Daten des Fahrzeugs an einen selbst gewählten Dritten weiterzugeben. Das kann eine freie Werkstatt oder ein Dienstleister wie der ADAC sein. Grundsätzlich wäre das ein positiver Schritt für die Wettbewerbsvielfalt.

Was tut der ADAC in diesem Bereich?

Der ADAC setzt sich schon seit vielen Jahren national und auch international gemeinsam mit seinem Dachverband FIA in Sachen Daten im Auto* ein. Hauptforderungen sind Datentransparenz, Datenhoheit, Datensicherheit und Wahlfreiheit.

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wissen, welche Daten ihre Autos erzeugen, speichern und senden, sie müssen die Datenverarbeitung und -weiterleitung unkompliziert abschalten und sich auf die IT-Sicherheit über die gesamte Lebensdauer verlassen können. Dazu sollen sie selbst entscheiden, wer Zugang zu ihren Fahrzeugdaten bekommt und ihnen Dienste anbieten darf.

FIA-Initiativen wie "My Car my Data" haben dazu beigetragen, dass Aussagen von Herstellen wie "Die Autodaten gehören uns!" der Vergangenheit angehören. Aber es gibt noch viel zu tun. Der ADAC wird sich weiter für die Verbraucher einsetzen.

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