Volvo S60 T8 Recharge im Test: Sportwagen oder Sparauto?

Jochen Wieler testet den neuen Plug in Hybrid Volvo S60
Volvo S60 T8 Recharge: Fühlt sich auf langen Strecken wohl© ADAC/Martin Hangen

Für die einen sind Plug-in-Hybride Sparautos, für andere reine Augenwischerei. Letzteres könnte man auch beim Volvo S60 T8 mit 392 PS Systemleistung annehmen. Was stimmt? Der Plug-in-Hybrid im ADAC Langzeitcheck.

  • Plug-in-Hybrid mit 303-PS-Benziner und 87-PS-Elektromotor

  • Sehr angenehmes Langstreckenauto

  • Rund 40 Kilometer rein elektrische Reichweite im Test

Plug-in-Hybride sind an sich keine schlechte Idee: Wer ein entsprechendes Fahrprofil hat, also nicht mehr als 40 oder 50 Kilometer täglich zurücklegt und danach die Batterie an der eigenen Steckdose aufladen kann, fährt fast ausschließlich mit Strom und damit lokal emissionsfrei. Für den Ausflug am Wochenende gibt es den Benziner, der größere Strecken übernimmt. So der Idealfall.

Längere Strecken sollten aber die Ausnahme bleiben – sonst verpufft der Spritspareffekt, und die angegebenen Miniverbräuche lassen sich nie realisieren. Der getestete Volvo S60 T8 Recharge glänzt nach der aktuell gültigen Testnorm mit einer utopisch niedrigen Werksangabe: Er soll sich im Antriebsmix mit 1,8 Litern Super und 15,3 kWh Strom auf 100 Kilometer begnügen.

Der S60 ist kein Auto nur für kurze Strecken

Jochen Wieler testet den neuen Plug in Hybrid Volvo S60
Flotte Kurven machen mit dem S60 Spaß – trotz der sehr leichtgängigen Lenkung© ADAC/Martin Hangen

Dass es den Testern schwerfallen würde, den schönen Schweden "Plug-in-adäquat", also nur zum Pendeln zwischen Büro und Wohnung, zu nutzen, wurde schon bald klar, nachdem die rund 60.000 Euro teure Limousine zum Langzeitcheck für ein Jahr auf den Hof rollte. Der S60 ist einfach ein zu perfektes Langstreckenauto, und es wäre schade gewesen, ihn ausschließlich für kurze Distanzen zu nutzen. Dafür würde schließlich auch ein Fiat Panda reichen.

Schon beim Einsteigen merkt man: Hier lässt sich's aushalten, und man möchte am liebsten gleich auf die große Reise – vorausgesetzt, man hat sich vorher ausführlich mit dem gewöhnungsbedürftigen Touchscreen und seinen vielen Ebenen beschäftigt.

Im Innenraum herrscht eine gelungene Mischung aus Volvo-typischem Trutzburg-Gefühl und heimeligem Wohnzimmerflair mit tollen Sitzen, exzellenter Geräuschdämmung und gutem schwedischem Design. Dazu kommt viel Liebe zum Detail, wie der "gläserne" Automatikhebel, der drehbare Motorstartknopf an der Mittelkonsole, den man nur allzu gern anfasst, und die kleine Schwedenflagge am Sitz zeigen.

Plug-in-Hybrid mit Fahrleistungen wie ein Sportwagen

Zugegeben, auch der Antrieb hat schon auf den ersten Kilometern fasziniert und dazu verführt, mit dem Volvo eher die Autobahn als den Supermarktparkplatz anzusteuern. Der Verbund von Benziner an der Vorderachse (303 PS) und Elektromotor an der Hinterachse (87 PS) harmoniert gut und entwickelt eine Systemleistung von mächtigen 392 PS. Entsprechend flott geht der S60 zur Sache. Als Nebeneffekt der Kombination hat der Schwede Allradantrieb an Bord, was vornehmlich den Wintereigenschaften zugutekommt.

Zügiges Überholen auf der Landstraße und Zwischenspurts auf der Autobahn? Ein kurzer Druck aufs Gas, und man lässt alle anderen stehen. Leistung ist im Überfluss vorhanden, der S60 schüttelt sie nur so aus dem Ärmel. Bis 180 km/h zumindest, denn neuerdings sind alle Volvos bei diesem Tempo abgeregelt, unser Exemplar war es noch nicht. Auf 100 km/h sprintet der Schwede in kurzweiligen 4,6 Sekunden – das ist Sportwagen-Niveau! Das Temperament des S60 T8 zu zügeln fiel zumindest im beschriebenen Hybridmodus schwer.

Im Elektromodus wird der S60 zum gemütlichen Cruiser

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Schöne Silhouette: Stufenhecklimousinen wie der S60 sind selten geworden© ADAC/Martin Hangen

Einen anderen Charakter offenbarte der S60 mit geladener Batterie und reinem E-Antrieb. Hier zeigt sich, dass die 65 kW/87 PS des E-Motors allein bei einer gut zwei Tonnen schweren Limousine nicht für die Leichtfüßigkeit im Hybridmodus sorgen kann, sondern eher für stressfrei-gemütliches Gleiten gut sind. Das kommt zumindest dem Spargedanken entgegen, und man kann den S60 auch als "Elektroauto" durchaus genießen. Rein elektrisch fährt der Volvo bis 125 km/h, danach schaltet sich der Benziner zu. Damit dies nicht schon vorher geschieht, sollte man eher sachte aufs Gaspedal drücken. Gut: Eine klare Anzeige im digitalen Kombiinstrument verdeutlicht dem Fahrer, wie viel Leistung er dem Antrieb im E-Modus abfordern kann, bis der Benziner unterstützt.

Jochen Wieler testet den neuen Plug in Hybrid Volvo S60
An öffentlichen Ladesäulen war der S60 auf Langstrecke nur selten zu Gast© ADAC/Jochen Wieler

In der Praxis lässt sich der Plug-in-Hybrid rund 40 Kilometer rein elektrisch bewegen, bis der 11,6-kWh-Batterie (brutto, 10,6 netto nutzbar) die Energie ausgeht. Dabei ist es nicht immer sinnvoll, ausschließlich im reinen E-Modus zu fahren, bis die Batterie leer ist. Es kommt auf die Geschwindigkeit an: Der E-Antrieb ist eher bei niedrigen Geschwindigkeiten sparsam – fährt man mit Landstraßentempo oder schneller, kann es sinnvoller sein, sich den Strom für eine spätere Stadtfahrt aufzusparen und stattdessen den effizienteren Verbrenner einzusetzen. Am Ende entscheidet für eine gute Verbrauchsbilanz schließlich, wie geschickt und effizient die beiden Antriebe je nach Streckenprofil kombiniert werden.

Für maximale Effizienz am besten mit Navi fahren

Wer sich damit nicht beschäftigen möchte, überlässt das am besten der Elektronik. Heißt in der Praxis: immer mit Navi fahren. Kennt der Volvo das Ziel, wird der Streckenverlauf berücksichtigt und der Stromvorrat bis zum Erreichen des Ziels eingeteilt. Am Ende ist zwar die Batterie leer, und man hat in der Regel nicht das typische reine "Elektroauto-Gefühl", weil meist beide Antriebe arbeiten. Doch selbst auf Streckenlängen von 200 oder 300 Kilometern kann der Benzinverbrauch gegenüber dem reinen Hybridbetrieb merklich gesenkt werden, wenn man den Akku im Vorfeld auflädt.

Auf längeren Strecken zwischenzuladen ist dagegen nicht sinnvoll. Der S60 T8 nimmt sich maximal 3,7 kW (mit Typ-2-Stecker, mit Schuko noch weniger), sodass es über drei Stunden braucht, um den Akku zu füllen. Eine kleine Kaffeepause an der Raststätte reicht da nicht aus.

Testverbrauch: 7,5 l Super und 2,3 kWh Strom auf 100 km

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Der 60-Liter-Tank sorgte für eine große Reichweite von mehr als 800 Kilometern© ADAC/Jochen Wieler

Die Tester waren mit dem S60 vorwiegend auf mittleren bis langen Strecken unterwegs und spulten in zwölf Monaten 20.700 Kilometer ab. Stand der Plug-in-Hybrid in der Redaktionsgarage, wurde er geladen, während langer Fahrten meist nicht. So ergab sich insgesamt ein Verbrauch von 1554,30 Litern Super und 474 kWh nachgeladenem Strom. Man kann sagen: Bei 52 Wochen heißt das im Schnitt rund eine volle Ladung für die Antriebsbatterie pro Woche.

Umgerechnet auf 100 Kilometer macht das in diesem Fall 7,5 Liter Super und 2,3 kWh Strom. Ist das nun viel oder wenig? Es kommt auf die Sichtweise an. Sieht man im S60 T8 Recharge einen Sportwagen mit fast 400 PS, fällt der Verbrauch niedrig aus. Ähnlich starke Fahrzeuge ohne Hybridisierung kommen da nicht annähernd hin.

Der S60 T8 Recharge ist kein wirkliches Sparauto

Ein Spritsparfahrzeug ist der S60 aber sicher nicht – zumindest, wenn man ihn so nutzt, wie er sich gibt: als ausgesprochen gutes Langstreckenfahrzeug und nicht als reines Pendler- oder Kurzstreckenmobil. Wer den Volvo dennoch eher für kurze Touren einsetzt und immer brav auflädt, kann natürlich deutlich weniger verbrauchen. Das Potenzial hat das Fahrzeug zumindest. Rein elektrisch betrieben, konsumierte der S60 im Langzeitversuch gut 25 kWh Strom auf 100 Kilometer inklusive Ladeverluste – für einen aktuellen Plug-in-Hybrid ist das akzeptabel und auf dem Niveau der Konkurrenz.

Defekte? Nur ärgerliche Kleinigkeiten

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Die Ladeklappe ließ sich manchmal nur mit Überredungskunst öffnen© ADAC/Martin Hangen

Gab es Defekte? Nur Kleinigkeiten. So nervte von Anfang an die Ladeklappe, die sich nur dann öffnen ließ, wenn man exakt eine bestimmte Stelle mit dem Finger traf, und auch dann nicht immer sofort. Auch die Karosserie-Spaltmaße des in den USA hergestellten Fahrzeugs waren nicht unbedingt auf Premium-Niveau. Und schon nach einem halben Jahr konnten Smartphones nicht mehr über Apple Car Play mit dem Infotainmentsystem verbunden werden, sondern es musste eine simple Bluetooth-Kopplung herhalten. Schade, denn so hätte man den aktuellen Verkehrsfluss sehen können, den das eingebaute Navi irgendwann auch nicht mehr angezeigt hat.

Kein Defekt, aber unpraktisch: Für die Ladekabel ist kein Platz vorgesehen. Wo andere Fahrzeuge unter dem Kofferraumboden Staufächer haben, machen sich beim S60 beide Kabel (Schuko und Typ 2, Letzteres kostet Aufpreis) störend im Kofferraum breit. Hinzu kommt, dass sich beim S60 Plug-in-Hybrid die Rückbank nicht umlegen lässt, lange Gegenstände also nicht durchgeladen werden können. Wer das möchte, muss zum Kombi V60 greifen, den es ebenfalls als Plug-in-Hybrid gibt.

Fazit: S60 ist ein angenehmer Begleiter

Jochen Wieler testet den neuen Plug in Hybrid Volvo S60
Dienstreise ins Rheingau: Der S60 vor Schloss Johannisberg© ADAC/Jochen Wieler

Insgesamt war der S60 ein sehr angenehmer Begleiter, der sich als individuellere Alternative zu BMW 3er und Mercedes C-Klasse empfiehlt. Ob man ihn als Plug-in-Hybrid kauft oder eher eine konventionelle Version, hängt vom persönlichen Fahrprofil ab. Und oft auch von anderen Faktoren: Als Plug-in wird der S60 beim Kauf gefördert, und Dienstwagenfahrer müssen weniger versteuern als bei einem konventionellen Verbrenner. Für viele gibt genau das den Ausschlag.

Das hat den Testern gefallen: edles Ambiente, hohe aktive Sicherheit, gute Ausstattung, sichere und agile Fahreigenschaften, hoher Langstreckenkomfort, starker Antrieb.

Das hat den Testern nicht gefallen: hoher Preis, teils umständliche Bedienung (Klimasteuerung im Touchscreen integriert), Kofferraum nicht erweiterbar, keine Fächer für Ladekabel.

Volvo S60 T8 Recharge: Technische Daten

Technische Daten (Herstellerangaben)

Volvo S60 T8 Recharge

Motor/Antrieb

Vierzylinder-Turbobenziner, Elektromotor, 1969 cm³, 288 kW/392 PS Systemleistung, 400 Nm bei 2200 U/min (Verbrenner), Allradantrieb

Fahrleistungen

4,6 s auf 100 km/h, 250 km/h (jetzt 180) Spitze; 125 km/h rein elektrisch

Batteriekapazität brutto

11,6 kWh

max. Ladeleistung AC / DC

2,3 – 3,7 kW / –

Verbrauch nach WLTP

1,8 l Super + 15,3 kWh/100 km, 39 g CO₂/km

elektrische Reichweite nach WLTP

56 km

Maße

L 4,76 / B 1,85 / H 1,44 m

Kofferraum

391 l

Leergewicht / Zuladung

2048 / 452 kg

Anhängelast (ungebremst / gebremst)

750 / 2000 kg

Garantie / Garantie auf Antriebsbatterie

2 Jahre / 8 Jahre (bis 160.000 km)

Preis

ab 59.150 Euro

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