Lotus Evija: Raketen-Ritt mit 2000 PS

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Mit dem Lotus Evija auf der Rennstrecke – hier gehört er hin© Lotus

Wie fühlen sich 2000 PS an? Autor Thomas Geiger hat den abenteuerlichen Ritt im exklusiven Lotus Evija gewagt. Das elektrische Hypercar ist pure Faszination, aber sicher kein Auto für Jedermanns Alltag. Testfahrt, Daten, Preis.

  • Lotus Evija ist auf 130 Stück limitiert

  • Elektro-Hypercar mit 2000 PS, 320 km/h Spitze

  • Zwei Millionen Euro? Vergleichsweise günstig

Einatmen, Luft anhalten und die Muskeln anspannen – was jetzt kommt, das sprengt nicht nur die Vorstellungskraft des gemeinen Autofahrers, sondern ist auch für dessen Köper eine Zerreißprobe: Wer zum ersten Mal die 2000 PS und 1700 Nm des Lotus Evija voll auskostet, der verliert mit einem einzigen Stromstoß jedes Gefühl für Zeit und Raum und weiß kaum mehr, wie ihm geschieht.

Lotus Evija: Beschleunigen wie im Kampfjet

Die Contenance zu bewahren, fällt in diesem Raketenauto schwer: Autor Thomas Geiger am Steuer© Lotus

Wenn das mit chinesischem Geld, dem elektrischen Knowhow der Geely-Gruppe und der Leidenschaft der Petrolheads im englischen Hethel entwickelte Hypercar beschleunigt, fühlt sich das an wie an Bord einer Rakete oder zumindest beim Start eines Kampfjets vom Katapult eines Flugzeugträgers. Es ist, als würde einem eine Faust in den Magen fahren, die Luft weicht fast aus den Lungen und die Augäpfel scheinen nicht mehr an Ort und Stelle halten zu wollen, so wütend schleudert es den Tiefflieger gen Horizont.

Kein Wunder, schließlich sollte der elektrische Bolide aus Britannien das stärkste Serienauto der Welt werden. Doch Corona hat die Entwicklung derart ausgebremst, dass die Auslieferung erst jetzt so langsam beginnt und der Lotus mittlerweile vom Yangwang U9 Xtreme ausgestochen wird. Der wurde für seine Weltrekordgeschwindigkeit von 496 km/h auf knapp 3000 PS aufgerüstet.

Zwei Millionen: Günstig für ein Hypercar

Auch nachts ist der Evija eine beeindruckende Erscheinung© Lotus

Doch auch der zweite Sieger bietet ein einzigartiges Erlebnis – schließlich sehen neben ihm selbst ein Bugatti Chiron, ein AMG One oder Ferrari Testarossa vergleichsweise handzahm aus. Und das gilt nicht nur für die Fahrleistungen, sondern auf für die Form.

Ach ja, und der Preis ist zumindest in dieser Liga ebenfalls fast schon ein Lacher: Ziemlich genau zwei Millionen Euro verlangen die Briten für den Evija und wundern sich zurecht, weshalb die auf 130 Exemplare limitierte Produktion nicht längst ausverkauft ist. Alle anderen Autos, die auch nur halbwegs so viel Leistung haben, sind meist mehr als doppelt so teuer.

Anders als die Hypercars vom Festland fährt der Lotus nicht mehr mit Verbrenner, sondern rein elektrisch – und lässt dabei sogar den Rimac Nevera weit hinter sich. Vier Motoren haben die Briten dafür nah an den Rädern installiert und ihnen mit schlauer Elektronik das freie Spiel der Kräfte erlaubt.

90-kWh-Akku als "Mittelmotor"

Für die Show: die großen Flügeltüren© Lotus

Gespeist werden die Motoren aus Akkus, die gemeinsam mit einem Formel-E-Zulieferer entwickelt wurden und ausnahmsweise mal nicht im Boden sitzen. Denn erstens ist der Evija dafür zu flach und zweitens haben die Briten Wert auf die perfekte Balance gelegt und sie deshalb wie sonst einen großvolumigen Motor in die Mitte hinter die Sitze gepackt. Trotzdem haben sie so rund 90 kWh untergebracht, die zumindest auf dem Prüfstand für knapp 350 Kilometer reichen. Aber es wird keinen wundern, dass man den Akku auch auf einem Viertel der Strecke leeren kann.

Auch sonst haben sie die Form weitgehend der Funktion untergeordnet und ihr schmal geschnittenes Karbon-Chassis im Windkanal mit ein paar Kohlefaser-Matten verkleidet. Nur die elektrisch nach oben aufschwingenden Türen sind für den schönen Schein.

Alles andere sieht zwar nicht minder effektheischend aus, dient aber auch der Funktion, wie etwa die offenen Fugen am Bug, die in glühenden LED-Ringen mündenden Tornado-Tunnel an der Flanke, der bewegliche Diffusor und auch der Jumbo-Heckflügel. Nicht umsonst erzeugt der Evija bei voller Fahrt irrwitzige 1500 Kilo Abtrieb.

Schnellere Beschleunigung bei höherem Tempo

Sieht pfeilschnell aus und ist es auch: Der auf 130 Stück limitierte Lotus Evija© Lotus

Die braucht er auch, um seine kolossale Kraft überhaupt auf die Straße zu bringen. Deshalb ist sein Beschleunigungsverhalten ganz anders als man es von konventionellen Supersportwagen kennt. Nicht, dass die knapp drei Sekunden von 0 auf 100 schon Reiz genug hätten. Doch wo die Sprintkraft dann üblicherweise irgendwann nachlässt, zieht der Evija immer weiter an: Je mehr Luft auf dem Auto lastet und je mehr Grip die Reifen kriegen, desto besser beschleunigt er.

Von 0 auf 150 braucht er deshalb länger als von 150 bis 300. Und wenn die Stoppuhr für das Ganze zusammen keine zehn Sekunden zeigt, kommt einem selbst ein Lamborghini ganz schön lahm vor. Von Porsche & Co ganz zu schweigen. Einzig beim Spitzentempo wird der Lotus-Fahrer eher kleinlaut. Denn mit 320 km/h macht man in dieser Klasse heute keinen Stich mehr.

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Wenig Dämmung, wenig Gewicht

Dafür unterscheiden den eiligen Engländer noch zwei weitere Aspekte von den anderen Autos in dieser Liga. Verglichen mit anderen Elektroautos ist er lebendiger und authentischer, weil Lotus keinen Synthiesound programmiert, dafür aber auf jede Isolierung verzichtet hat. Deshalb surrt und singt, pfeift und rappelt es und man bekommt wieder ein Gefühl für Geschwindigkeit.

Und egal ob mit Batterie oder Tank: Die meisten anderen Hypercars sind deutlich schwerer als der 1700-Kilo-Lotus. Bugatti und Co ist er viele Zentner voraus – das zahlt sich aus, wenn der Evija durch die engen Kurven eines kleinen Kurses fliegt. Erst recht, wenn er vorher heruntergebremst werden muss.

Gezähmte Bestie im Straßenmodus

Autor Thomas Geiger hatte sichtlich Spaß mit dem extravaganten Lotus Evija© Lotus

Allerdings wird der Lotus erst ohne Kennzeichen vom Biest zur Bestie. Mit einem Sensor am Nummernschild wollen die Briten sicherstellen, dass damit niemand im Straßenverkehr Schindluder treibt, sondern sich nur auf der Rennstrecke austobt. Dort ist die Federung so ungemütlich, dass einem im normalen Straßenverkehr schon die Fahrbahnmarkierung in die Knochen fahren würde.

Aber keine Sorge: Auch im Tour-Modus ist der Evija noch schneller und spritziger als die meisten konventionellen Sportler, bewahrt aber einen Hauch an Restkomfort. Selbst im City-Setting wischen die anderen Autos beim Ampelspurt nur durch den Augenwinkel, so sprunghaft ist der Antritt des Hypercars. Erst im Range-Betrieb wird er zum sanften Gleiter, der mit angezogener Handbremse über den Boulevard der Eitelkeiten bummelt und sich dort in Aufmerksamkeit sonnt.

Lotus Evija: Technische Daten und Preis

Technische Daten (Herstellerangaben)

Lotus Evija (ab 03/22)

Motorart

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

1.471

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

2.000

Drehmoment (Systemleistung)

1.704 Nm

Antriebsart

Allrad

Beschleunigung 0-100km/h

2,9 s

Höchstgeschwindigkeit

320 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

345 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

17,3 kWh/100 km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

90,0

Ladeleistung (kW)

DC:350,0

Kofferraumvolumen normal

n.b.

Leergewicht (EU)

1.680 kg

Zuladung

n.b.

Garantie (Fahrzeug)

3 Jahre

Länge x Breite x Höhe

4.459 mm x 2.000 mm x 1.122 mm

Grundpreis

2.010.947 Euro

Text: Thomas Geiger

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