ÖPNV-Angebote bei Nacht: 20 Städte im Vergleich

Wie verlässlich bringt der ÖPNV junge Menschen am Wochenende nachts aus den Städten zurück in ihre Wohnorte im Umland? Der ADAC hat dies in 20 Städten untersucht. Was gut läuft und wo es Verbesserungspotenzial gibt.
In der Hälfte der Städte ist das Angebot "sehr gut" oder "gut"
In 13 Städten Probleme mit der elektronischen Fahrplanauskunft
Tipp: Auskünfte vergleichen und flexibel sein
Am Wochenende ins Kino, in ein Restaurant oder in einen angesagten Club: Für viele Menschen gehört das zum Lebensgefühl. Wohnen sie jedoch in Stadtrandbezirken oder im weiteren Umland, kann es ein Problem sein, wieder nach Hause zu kommen. Dies vor allem, wenn man ohne Auto unterwegs ist, keine Mitfahrgelegenheit hat oder wenn Jugendlichen kein Elterntaxi zur Verfügung steht. Dann bleibt nur der ÖPNV. Doch wie gut ist das Angebot? Eine ADAC Untersuchung liefert die Antworten.
Städtevergleich: 20 Metropolen im Test
Um das ÖPNV-Angebot zu beurteilen, hat der ADAC in 20 Städten zwischen 100.000 und einer Million Einwohnern bzw. Einwohnerinnen untersucht, wie gut die nächtliche Anbindung in nahe gelegene Nachbarorte tatsächlich ist. Dafür wurde pro Stadt das Verbindungsangebot in fünf umliegende Zielorte mit vielen jugendlichen Bewohnern unter die Lupe genommen.
Zielgruppe waren neben Jugendlichen unter 18 Jahren – diese dürfen sich nach 24 Uhr nicht mehr unbegleitet in Gaststätten und Lokalen aufhalten – auch Erwachsene, die am Samstagabend in der Stadt unterwegs sind und für die Fahrt nach Hause den ÖPNV nutzen wollen oder müssen.
ÖPNV bei Nacht: Ergebnisse im Überblick
Die wichtigsten Fakten und Erkenntnisse
10 der 20 untersuchten Startstädte verfügen über ein "sehr gutes" oder "gutes" Nachtangebot im ÖPNV. Bei vier Städten ist das Angebot hingegen "eingeschränkt" oder "lückenhaft". Drei Städte waren aufgrund von Unzulänglichkeiten der elektronischen Fahrplanauskunft nicht bewertbar.
Im Zeitfenster "Erwachsene" (23.30 – 2.30 Uhr) war das ÖPNV-Verbindungsangebot der 17 bewerteten Städte insgesamt umfangreich, dennoch gab es in einzelnen Städten für manche Zielorte bisweilen aber nur ein geringes Verbindungsangebot. Über alle untersuchten Verbindungen hinweg war der Großteil der Zielorte jedoch erreichbar.
Für die ADAC Testerinnen überraschend: Im Zeitfenster "Jugend" (23.30 – 0.30 Uhr) konnten im ÖPNV-Nachtverkehr nur in zwölf der 17 Städte alle fünf untersuchten Zielorte erreicht werden. Der Grund: Einige Verbindungen wurden erst spät in der Nacht angeboten.
Erfreulich: Fast zwei Drittel der getesteten Strecken waren ohne Umsteigen zu bewältigen.
Knapp die Hälfte der Verbindungen haben einen kurzen zusätzlichen Fußweg zur ausgewählten Zielhaltestelle, einige weisen sogar längere Fußwege auf (trotz Auswahl von Haltestellen als Zielpunkt).
Die mittlere Reisegeschwindigkeit (inkl. Stopps, Umstiege und Laufweg zum Ziel) ist insgesamt hoch, zwischen den einzelnen Verbindungen unterscheidet sie sich jedoch stark.
Alle sieben Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern schneiden gut bis sehr gut ab. Dass Größe allein jedoch nicht entscheidend ist, zeigt etwa Koblenz mit einwohnerschwachen Vororten, das dennoch über ein gutes Nachtbus-Netz ins Umland ohne Umstiege verfügt. Koblenz ist auch die einzige Stadt, in der alle fünf Zielorte ohne Fußweg zu erreichen waren.
Problem: Elektronische Fahrplanauskunft
Ein Problem, das den ADAC Testerinnen in 13 der 20 Städte negativ auffiel, waren technische Probleme bei der elektronischen Fahrplanauskunft.
Bisweilen wurden Verkehrsmittel nur unvollständig angezeigt. Die Städte Bielefeld, Magdeburg und Rostock waren dadurch nicht bewertbar, in Osnabrück, Potsdam und Trier wurde der Schienenersatzverkehr (SEV) für ausgefallene Züge nicht angezeigt.
In Nürnberg und Stuttgart gab es bei der elektronischen Fahrplanauskunft Verbindungslücken beziehungsweise einen Verbindungs-Stopp, die sich nicht mit den sonstigen Informationen (v.a. Linienfahrplänen) deckten.
In der elektronischen Fahrplanauskunft führten technische Probleme mit Uhrzeit und Datum (Funktion "früher" und "später") dazu, dass Verbindungen, vor allem nach Mitternacht, nicht gefunden werden konnten. Auffällig war dies in Augsburg und Mannheim.
In Erfurt, Potsdam, Rostock, Osnabrück, Saarbrücken und Bremen gab es zudem Probleme mit der Einbeziehung, Berechnung und Darstellung von zusätzlich notwendigen Fußwegen.
Flexible On-Demand-Angebote waren in der Regel nicht in die Verbindungsauskunft integriert, obwohl sie durchaus vorhanden sind.
ADAC Tipps für Verbraucher
Da ÖPNV-Nutzer durch die unzuverlässigen elektronischen Fahrplanauskünfte in einigen Städten nicht immer vollständige Informationen über eigentlich vorhandene Verbindungen erhalten, hier einige konkrete Tipps der ADAC Experten.
Flexibel sein: Geben Sie bei der Verbindungssuche verschiedene Kombinationen von Start- und Zielhaltestelle ein.
Auskünfte vergleichen: Wird Ihre gewünschte Verbindung nicht angezeigt, checken Sie die Ergebnisse verschiedener Auskünfte (z.B. Homepage, App oder Google).
Suche erweitern: Geben Sie bei der Fahrplanauskunft nicht nur Ihren angestrebten Zielort ein, sondern auch den nächsten Bahnhof beziehungsweise den nächsten größeren Halt.
Datum und Zeiten variieren: Liefert Ihre gew ünschte Abfahrtszeit kein Ergebnis, probieren Sie es mit einer anderen Zeitangabe von Abfahrt oder Ankunft. Manchmal reicht schon eine kleine Änderung. Nach Mitternacht kann es auch helfen, das Datum in der Suchmaske anzupassen.
Voreinstellungen nutzen: In den meisten elektronischen Fahrplanauskünften kann man Angaben wie die Länge des Fußwegs von und zur Haltestelle oder die Möglichkeit, mit dem Fahrrad zur Haltestelle zu fahren, voreinstellen.
Check vor Reiseantritt: Prüfen Sie unbedingt kurz vor der geplanten Abfahrt, ob es aktuelle Fahrplanänderungen gibt wie z.B. Schienenersatzverkehr (SEV), Umleitungen, Sperren bzw. Verlegungen von Haltestellen oder Verbindungsausfälle.
On-Demand-Angebote nutzen: Vielerorts bieten Verkehrsverbünde und -betriebe ihren Kunden für den späten Heimweg zusätzliche On-Demand-Angebote nach Fahrplan an, z.B. Rufbusse oder Sammeltaxis. Informieren Sie sich rechtzeitig bei Verkehrsverbünden bzw. Tarifgemeinschaften über die Buchung Ihrer geplanten Fahrt. Zudem gibt es flexible On-Demand-Angebote, die Ziele individuell anfahren.
Serviceleistungen checken: Informieren Sie sich über ergänzende Angebote wie z.B. Frauen-Nacht-Taxis oder die Möglichkeit, nachts auch zwischen den Haltestellen auszusteigen. Manche Verkehrsverbünde bzw. Tarifgemeinschaften bieten zudem Echtzeit-Infos zur Erreichbarkeit von Anschlussfahrten bei Umstiegen an.
Empfehlungen für Betreiber
Bei Verkehrsverbünden bzw. Tarifgemeinschaften sieht der ADAC ein deutliches Verbesserungspotenzial. Die konkreten Empfehlungen.
Technische Fehleranfälligkeit der Suchmasken reduzieren: Auch bei einem Datumswechsel (nach Mitternacht) sollten stets alle Verbindungsmöglichkeiten vollständig angezeigt werden. Zudem wäre es wünschenswert, die Optionen für manuelle Voreinstellungen zu erweitern, vor allem für Fußwege.
Fahrplanauskunft ausbauen und verbessern: In die Verbindungauskunft sollten stets Informationen zu Anschlussfahrten bei Umstiegen und über gesicherte Umstiege in Echtzeit integriert sein, ebenso Auskünfte zu vorhandenen flexiblen On-Demand-Angeboten. Hilfreich ist es zudem, wenn man Rufbusse oder Sammeltaxis direkt per App bestellen kann.
Informationen für Fahrgäste ausbauen: Sicherheit ist den Nutzern des nächtlichen ÖPNV wichtig, das zeigt eine Umfrage des ADAC. Wünschenswert wären z.B. Informationen zu Zusatzangeboten für Frauen (z.B. Frauen-Nacht-Taxis) oder Jugendliche. Auch die Infos zum Schienenersatzverkehr könnten vielerorts nutzerfreundlicher sein.
Junge Menschen besser berücksichtigen: Dazu gehören mehr ÖPNV-Angebote insbesondere im für Jugendliche wichtigen Zeitfenster 23.30 bis 0.30 Uhr. Eine zusätzliche Verbesserung wäre es, bei nächtlichen Busfahrten flexible Ausstiegsmöglichkeiten auch zwischen zwei Haltestellen zu ermöglichen.
Steckbriefe: Die Testergebnisse im Detail
Methodik: So hat der ADAC getestet
Bei der Untersuchung stand im Vordergrund, ein möglichst flächendeckendes Bild über ganz Deutschland zu erhalten. Ausgewählt wurden 20 Städte zwischen 100.000 und einer Million Einwohner, die als so genannte Oberzentren klassifiziert sind, das heißt zentrale Orte mit einer besonderen Versorgungsfunktion für ihre Region.
Bei der Wahl der fünf Zielorte im Umland jeder Stadt galten folgende Kriterien: Sie sollten außerhalb der Stadtgrenze, aber noch innerhalb des Speckgürtels liegen, also nicht weiter als 20 Kilometer von der Starthaltestelle im Stadtzentrum entfernt.
Sie sollten auf Basis der aktuellen Zensus-Daten 2022 einen hohen Anteil von jungen Einwohnern zwischen 10 und 29 Jahren haben und geografisch möglichst gleichmäßig um die Stadt verteilt sein. Untersucht wurden pro Stadt jeweils fünf Verbindungen zwischen der zentralen Starthaltestelle für Nachtlinien ("Nightliner-Treff") in der Innenstadt und einer von den Testern ermittelten geeigneten Haltestelle am jeweiligen Zielort.
Für jeden Zielort im Umland einer Stadt wurde der Fahrplan beispielhaft für die Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2025 (Samstag auf Sonntag) im Zeitfenster 23.30 bis 2.30 Uhr untersucht sowie – mit dem Fokus auf jüngere Nutzer – auch das kleinere Zeitfenster 23.30 bis 0.30 Uhr.
Ermittelt wurde für eine ausgewählte gute Verbindung möglichst um Mitternacht die Gesamtdauer der Heimfahrt, die Art und Zahl der erforderlichen Verkehrsmittel, die Anzahl der Umstiege sowie der gegebenenfalls notwendige zusätzliche Fußweg für die letzte Strecke bis zur festgelegten Haltestelle am Zielort – falls diese nachts nicht angefahren wurde.
Berücksichtigung fanden zudem Besonderheiten wie Extra-Tickets für Rufbusse und Sammeltaxis oder die Notwendigkeit, diese Angebote vorzubestellen.
Der Test wurde als Desk Research im Auftrag des ADAC durch die auf Verkehrsplanung spezialisierte PB Consult GmbH aus Nürnberg durchgeführt. Die Datenerhebung fand im Februar und März 2025 ausschließlich über die elektronische Fahrplanauskunft (EFA) auf den Webseiten der ausgewählten Verkehrsverbünde beziehungsweise Tarifgemeinschaften statt.