Punktehandel: ADAC fordert hohe Strafen

Online-Agenturen organisieren Strohmänner, die gegen Bezahlung Punkte von Verkehrssündern übernehmen. Der ADAC fordert diese Gesetzeslücke zu schließen und hohe Strafen zu verhängen.
Aktuelle Gesetzeslage: Bisher drohen kaum Strafen
Online-Händler suchen nach passenden Strohmännern
ADAC Umfrage: Mehrheit gegen den Punktehandel
Zu schnell gefahren und geblitzt? Oder über die rote Ampel gefahren? Wer im Straßenverkehr Punkte im Verkehrsregister in Flensburg sammelt, muss spätestens bei acht Punkten seinen Führerschein abgeben und bekommt ihn auch so schnell nicht wieder.
Für schwere Verstöße gibt es nicht nur Punkte, sondern auch Fahrverbote. Es gibt Online-Agenturen, sogenannte Punktehändler, die gegen Bezahlung einen passenden Strohmann suchen. Der kann die Strafe, also Punkte bzw. das Fahrverbot übernehmen. Bei rund 10 Millionen Autofahrern in Deutschland, die mindestens einen Punkt haben, und rund 400.000 Fahrverboten pro Jahr ein potenziell lukrativer Markt.
Punkte "übernehmen": Zwei Praktiken
Beim Punktehandel gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Gewerbliche Agenturen bieten im Internet an, Punkte und Fahrverbote zu übernehmen. Gegen Bezahlung suchen sie Strohmänner, die fälschlicherweise bei den Behörden angeben, am Steuer gewesen zu sein. Wenn das gelingt, kann sich der eigentliche Verkehrssünder dadurch sozusagen freikaufen.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, im privaten Umfeld eine geeignete Person (Bruder, Schwester, Freund etc.) zu finden, der oder die die Strafe auf sich nimmt.
Aufgrund einer Gesetzeslücke ist der Punktehandel aktuell nicht strafbar. Wer jedoch im Anhörungsbogen zu einer Verkehrsordnungswidrigkeit wissentlich eine real existierende Person angibt, die den Verstoß nicht begangen hat, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen – wenn der Betrug entdeckt wird.
Verkehrssünder: So ermitteln die Behörden
Bei einem Verkehrsverstoß (z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung) wird meist ein Lichtbild ("Blitzer-Foto") erstellt, das mit der Person, die den Verstoß zugibt, übereinstimmen sollte. Ob jedoch ein Lichtbildabgleich vorgenommen wird bzw. weitere Ermittlungen durchgeführt werden, ist eine Einzelfallentscheidung des zuständigen Sachbearbeiters – typische Verdachtsmomente sind Abweichungen beim Geschlecht, Alter oder Wohnort.
Bei konkretem Verdacht darf der Sachbearbeiter im Personalausweisregister ein Lichtbild des angeblichen Fahrzeugführers anfordern und mit dem "Blitzer-Foto" abgleichen oder alternativ eine Fahrerermittlung durch die örtliche Polizei veranlassen.
Außerdem kann im Internet recherchiert werden. In den Sozialen Medien hinterlassen viele Menschen Spuren. Manchmal finden sich Fotos des angeblichen Fahrzeugführers zum Beispiel auf Facebook, Instagram oder Linkedin.
Unentdeckt kann die Manipulation bleiben, wenn die Angaben von Verkehrssünder und Strohmann weitgehend übereinstimmen: Alter, Geschlecht, Aussehen, Wohnort. Liegt kein Verdacht für eine Täuschung vor, ermitteln die Behörden nicht in diese Richtung weiter.
Bei einem Expertengespräch von Verbraucherschützern des ADAC im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt in Straubing sprach sich die Behördenleitung für hohe Strafen für alle Beteiligten und die Sperrung entsprechender Internetdomains der Anbieter aus. Das wären nach Ansicht der Beamten wichtige Instrumente, um den Punktehandel effektiv zu bekämpfen.
Umfrage: Großteil lehnt Punktehandel ab
Der ADAC hat im Frühjahr 2025 in einer repräsentativen Umfrage zum Thema Punktehandel rund 2500 Menschen in Deutschland befragt. Ein Ergebnis: Jeder vierte Autofahrer kennt die Praxis des gewerblichen Punktehandels. Unter Autofahrern mit Punkten ist die Thematik deutlich bekannter, als bei solchen ohne.
Bei der Befragung mussten die Teilnehmer unter anderem angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass man selbst den Punktehandel nutzen würde. Vorausgesetzt es droht ein Fahrverbot und man ist auf den Autoführerschein angewiesen. Außerdem unter der Annahme, dass rechtlich nichts passieren kann.
Eine Mehrzahl der Befragten ist dafür, dass der Punktehandel bestraft werden soll, bei den Autofahrerinnen und Autofahrern mit Punkten sind es erwartungsgemäß etwas weniger. Dabei wird der Punktehandel im privaten Umfeld milder bewertet.
Gesetzeslücke: ADAC fordert hohe Strafen
Der ADAC setzt sich seit längerem für eine Sanktionierung des Punktehandels ein. Dazu gehört auch eine konsequente Ermittlung des verantwortlichen Fahrers oder der Fahrerin. "Hierfür benötigen die Bußgeldstellen ausreichend Personal, um das Entdeckungsrisiko bei falschen Angaben zu erhöhen", sagt Dr. Markus Schäpe, Leiter der Juristischen Zentrale im ADAC.
Im August 2024 legte das Bundesverkehrsministerium einen Gesetzentwurf zur Sanktionierung des Punktehandels vor, der jedoch vor dem Ampel-Aus nicht mehr verabschiedet wurde.
Der ADAC appelliert jetzt an die neue Bundesregierung, das Thema weiter zu verfolgen und die Gesetzeslücke zeitnah zu schließen und den Punktehandel zu sanktionieren. "Durch ein Verbot des gewerblichen Punktehandels würde bereits das Angebot der Dienstleistung unzulässig sein", so Dr. Schäpe.
"Wird im Bußgeldverfahren ein Betrug im Zusammenhang mit dem gewerblichen Punktehandel aufgedeckt, sollten sowohl die Auftraggeber, die Punktehändler als auch die Personen, die Punkte bzw. Fahrverbote übernehmen, konsequent bestraft werden." Im Rahmen einer gesetzlichen Regelung sollte nach Ansicht des ADAC auch die private Möglichkeit, Punkte zu übernehmen, eingeschlossen werden.
Zur Abschreckung plädiert der ADAC für hohe Strafen. Dr. Schäpe: "Ein hoher Bußgeldrahmen von bis zu 30.000 Euro würde im gewerblichen Bereich des Punktehandels eine abschreckende Wirkung entfalten und somit diese Geschäfte unattraktiv machen."