Rettungseinsatz mit dem Telenotarzt

Ein Mitarbeiter an der Service Hotline des ADAC Telenotarzt
Ärztliche Hilfe vom Schreibtisch: Im Rettungswesen werden immer häufiger Telenotärzte eingesetzt© ADAC Telenotarzt

Immer häufiger holen Rettungskräfte medizinischen Rat von einem Telenotarzt ein. Wie so ein Einsatz abläuft.

  • Telenotärzte können Rettungskette entlasten

  • Nicht nur ländliche Regionen profitieren vom Telenotarzt

  • ADAC mit Standorten in Gelnhausen und im Bergischen Land

Hilfe für ein gestresstes System

Hohe Belastung, dünne Personaldecken, Lücken in der Versorgung – die Notfallmedizin ist an der Belastungsgrenze. Ein System, das künftig durch den Einsatz von Telenotärzten entlastet werden soll. Als Vorbild dafür dient unter anderem die Uniklinik RWTH Aachen, die in den vergangenen zehn Jahren erfolgreich ein Telenotarzt-System aufgebaut hat.

"Der Telenotarzt ist als Ergänzung bestehender Notfallkonzepte gedacht", sagt Andreas Estermeier, Geschäftsführer der gemeinnützigen ADAC Telenotarzt gGmbH. Mit einem engagierten Team und in enger Zusammenarbeit mit dem Technik- und Systemdienstleister Umlaut Telehealthcare Part of Accenture koordiniert er seit über einem Jahr den Standort im hessischen Gelnhausen zwischen Frankfurt und Fulda. Mit Leverkusen und Mettmann sind zwei weitere Stützpunkte im Entstehen und ergänzen damit das digitale Netzwerk an Telenotarztstandorten. "Wir folgen dabei dem etablierten Modell aus Aachen mit höchsten Standards was Personal und Technik betrifft", so Estermeier.

Was macht ein Telenotarzt?

"Ein Telenotarzt kann die Einsatzkräfte ferndiagnostisch unterstützen und im Zweifel entscheiden, welche Medikamente zu verabreichen sind, ob ein Notarzt kommen muss oder eine Behandlung im Krankenhaus notwendig ist", erklärt Estermeier. In Situationen, die eine ärztliche Erst- oder Zweitmeinung erfordern, kann er ebenso gefragt sein wie bei mehreren Verletzten.

Muss die Patientin oder der Patient stationär aufgenommen werden? Ist eine Überweisung in eine Fachabteilung oder Spezialklinik nötig? Welche Krankenhäuser haben freie Betten? Viele organisatorische Themen können die Rettungskräfte schon während des Einsatzes mit dem Telenotarzt klären. Das kann mobile Notärzte und Notaufnahmen entlasten.

Versorgung wird beschleunigt

"Wir sind rund um die Uhr in der Leitung und somit ohne Zeitverlust für die Kolleginnen und Kollegen im Rettungswagen da, und dementsprechend auch für den Patienten", berichtet Dr. med. Christoph Süss-Havemann, Facharzt für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin. Er arbeitet seit fast zwei Jahren als ADAC Telenotarzt. Der direkte Draht sei ein entscheidender Vorteil: Im Ernstfall zählen oft wenige Minuten. Um Leben zu retten und Folgeschäden zu vermeiden.

Das Telenotarzt-Konzept sieht Süss-Havemann nicht nur als Gamechanger für den ländlichen Raum, wo das Versorgungsnetz meist dünner, die Distanzen dafür größer sind. Auch in Großstädten wie Berlin sind erste Initiativen gestartet, die zur Entlastung der boden- und luftgebundenen Notärzte beitragen und die Hilfe für die Patienten beschleunigen können.

Unmittelbar einsatzbereit

Eine ADAC Telenotarzt Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes
Zusammen helfen: Telenotärzte können Rettungskräfte ohne Zeitverzug unterstützen© ADAC Telenotarzt

"Ein weiterer Pluspunkt ist, dass wir Telenotärzte ortsunabhängig und überregional handeln können. Ein Notfall in Hessen kann beispielsweise von jemandem in Nordrhein-Westfalen betreut werden und andersherum", sagt der Mediziner. Eine Chance für den Rettungsdienst, personelle Engpässe auszugleichen. "In der Mehrzahl landen bei uns ganz konkrete Fragen, die wir zügig beantworten können", so Süss-Havemann. "Manchmal möchten sich die Kolleginnen und Kollegen auf dem Rettungswagen einfach rückversichern, zum Beispiel bei Fragen zur richtigen Dosierung von Medikamenten oder zu den Werten des EKG."

Lebensrettende Daten: Der ADAC Notfallpass

Ein Notfallpass kann den Rettungskräften im Ernstfall entscheidende Informationen liefern. Im ADAC Notfallpass liegen alle Daten sicher verschlüsselt in der Wallet-App auf dem Smartphone oder der Smartwatch. Er kann in die Rettungskette integriert und von den Rettungskräften ausgelesen werden.

Technik ermöglicht Ferndiagnose

Ein Mitarbeiter an der Service Hotline des ADAC Telenotarzt
Immer am Schirm: Der Telenotarzt hat einen Überblick über die Situation vor Ort© ADAC Telenotarzt

Rettungskräfte und Telenotarzt kommunizieren über das Mobilfunknetz. Dank Bluetooth-Headsets hat das Team auf der Straße störungsfreien Empfang und die Hände frei. "Damit die Verbindung unterwegs nicht durch Funklöcher getrennt wird, sind wir mit mehreren SIM-Karten ausgestattet", erklärt ADAC Telenotarzt Süss-Havemann. Mit einer entsprechenden Software können EKG-Ergebnisse und andere Vitalwerte wie Blutdruck oder Sauerstoffsättigung in Echtzeit übertragen werden. Die Rettungswagen haben Deckenkameras, damit die Mediziner am Bildschirm einen Überblick auf Patient und Situation bekommen.

"Oft hilft es, dass wir nicht unmittelbar in der Stresssituation vor Ort stecken", sagt Süss-Havemann. "Wenn beispielsweise ein kleines Kind wegen einer Verbrühung vor Schmerzen schreit, ist das für diejenigen vor Ort natürlich nicht leicht. Da kann es von Vorteil sein, wenn jemand mit einem gewissen Abstand klare Anweisungen gibt." Ein Job, für den routinierte Teamplayer mit organisatorischen Fähigkeiten gefragt sind. ADAC Telenotärzte absolvieren zusätzlich einen Qualifikationskurs.

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Wann kommt der Notarzt?

"Meist entscheidet die Besatzung auf dem Rettungswagen eigenmächtig, den Telenotarzt anzufragen", berichtet Süss-Havemann. Manchmal empfehlen das die Kollegen von der Leitstelle auch bereits während der Anfahrt. Das Telenotarzt-System stößt natürlich an Grenzen, wenn Handlungen notwendig werden, die Mediziner nur vor Ort durchführen können. "Bei schwerwiegenden Fällen kommt weiterhin der Notarzt vor Ort." Aber auch in diesen Situationen können Telenotärzte wichtige Schritte zur Weiterbehandlung einleiten und dem Rettungsteam den Rücken freihalten.