Arztbesuch im Urlaub: Was gesetzlich Versicherte wissen müssen

Viele gesetzlich Versicherte erleben beim Arztbesuch im Urlaub Stress mit überteuerten Rechnungen, da die gesetzliche Krankenkasse im Ausland meist nur eingeschränkt zahlt. Dieser Ratgeber erklärt, worauf zu achten ist, und warum eine Auslandskrankenversicherung für gesetzlich Versicherte im Urlaub sinnvoll ist.
Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC) in Türkei oft problematisch.
Reisende landen häufig bei Hotelärzten oder Privatkliniken.
Auslandskrankenversicherung vermittelt Ärzte und rechnet direkt ab.
Wer als gesetzlich Versicherter auf einer Europareise krank wird und einen Arzt benötigt, steht oft vor mehreren Problemen: Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt nur die Kosten, die auch in Deutschland für die Behandlung angefallen wären. Besonders teuer kann es werden, wenn eine private Praxis oder Klinik aufgesucht wird oder Leistungen in Anspruch genommen werden, die nicht zum öffentlichen Gesundheitssystem gehören. Diese Kosten sind nämlich durch die europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) nicht abgedeckt.
Was leistet die europäische Krankenversicherungskarte?
Die europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) ermöglicht es gesetzlich Krankenversicherten in Europa, medizinisch notwendige Leistungen im Krankheitsfall während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Land zu erhalten. Sie gilt in den 27 EU-Mitgliedstaaten sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und in Großbritannien. Die EHIC ist auf der Rückseite der nationalen Krankenversicherungskarte aufgedruckt. Sie berechtigt den Versicherten, die gleichen Leistungen wie in Deutschland in Anspruch zu nehmen. Doch außerhalb des Geltungsbereichs der gesetzlichen Krankenkasse ist es in der Praxis sehr schwierig, eine Kostenübernahme zu erhalten.

Deshalb kommt es im Krankheitsfall zu Abrechnungsproblemen für die Versicherten. Denn solche Situationen führen immer wieder zu überhöhten Arztrechnungen, die Patienten sofort vor Ort selbst bezahlen müssen. Sascha Petzold, Vorstand für Schaden bei der ADAC Versicherung AG, berichtet, dass solche Fälle gerade jetzt zur Hauptreisezeit besonders häufig vorkommen. „Wenn jemand erkrankt, ist die erste Anlaufstelle für Urlauber in der Regel der Hotelarzt“, erklärt der Experte. Selbst bei harmlosen Fällen ist die Rechnung meist höher als erwartet. „Das bringt Urlauber in der Regel jedoch nicht in finanzielle Schwierigkeiten“, beschreibt Petzold.
Kostenfallen bei Notfällen und stationären Behandlungen
Anders sieht es oft aus, wenn es sich um einen Notfall und eine stationäre Behandlung handelt. Denn dann wird mit der medizinischen Not der Menschen oft ein perfides Geschäft gemacht. „Hotelärzte, Hotelangestellte oder auch Taxifahrer erhalten häufig eine Vermittlungsprovision. So werden Urlauber als Privatpatienten zu einer wichtigen Einnahmequelle für alle Beteiligten“, beschreibt Petzold die Masche. Und die erkrankten Reisenden bleiben nicht selten auf ihren Kosten sitzen.
Fünf typische Tricks beim Arztbesuch im Ausland
Der ADAC hat die typischen und häufigsten Tricks bei Arztbesuchen deutscher Urlauber in Europa zusammengefasst:
Drängen zu Hotelärzten und in Privatkliniken: Viele Hotels arbeiten mit bestimmten Ärzten oder Privatkliniken zusammen und empfehlen oder vermitteln Urlauber gezielt dorthin – oft mit dem Hinweis, dass eine externe Klinik „zu weit weg“ oder „nicht notwendig“ sei. So werden Patienten häufig davon abgehalten, eine öffentliche Klinik oder einen Vertragsarzt aufzusuchen, der die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) akzeptiert.
Überteuerte und intransparente Rechnungen: Hotelärzte und Privatkliniken stellen oft Rechnungen aus, die weit über den ortsüblichen Sätzen liegen. Für einfache Behandlungen wie etwa zwei Infusionen werden Beträge von mehreren hundert bis zu mehreren tausend Euro verlangt – obwohl die Medikamente vor Ort nur wenige Euro kosten. Die Rechnung muss meist sofort und in bar beglichen werden, teilweise wird sogar der Reisepass als „Sicherheit“ einbehalten, bis das Geld auf dem Konto ist.
Vorkasse und Drohungen: Urlauber werden häufig unter Druck gesetzt, sofort zu zahlen – andernfalls drohen die Ärzte oder das Hotelpersonal mit Polizei oder verweigern die Herausgabe von Dokumenten. Viele akzeptieren die hohen Rechnungen und hoffen darauf, dass – falls vorhanden – die Auslandskrankenversicherung die Kosten später übernimmt. Wichtig deshalb: Falls man in Vorkasse gehen muss, immer alle Belege und ärztliche Unterlagen aufbewahren, um sie später einreichen zu können.
Fehlende oder fasche Informationen: Vor der Behandlung wird oft verschwiegen, dass die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) nur bei öffentlichen Ärzten und in Kliniken gilt und nicht bei Privat- oder Hotelärzten. Patienten werden gezielt nicht über die Möglichkeit informiert, sich an öffentliche medizinische Stellen zu wenden, die deutlich günstiger oder sogar kostenlos wären.
Übertriebene Diagnosen und unnötige Behandlungen: Infusionen, Labor-Untersuchungen, Röntgen nach einer Operation: Nicht selten werden zusätzliche und unnötige Leistungen abgerechnet, um die Rechnungssumme in die Höhe zu treiben.
Wieso ein Auslandskrankenschutz so wichtig ist
Doch selbst bei regulären Behandlungen im Ausland ist die die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) kein Ersatz für eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung. Der ADAC fasst die wichtigsten Gründe zusammen:
Leistungen können im Reiseland teurer sein als in Deutschland. Mit der EHIC werden nur Kosten in Höhe der entsprechenden Leistung in Deutschland übernommen.
Mit der EHIC rechnet die gesetzliche Versicherung nur direkt mit dem öffentlichen Vertragsarzt oder der öffentlichen Klinik ab.
Vor allem bei Behandlung durch private Ärzte beziehungsweise in Privatkliniken können hohe Kosten entstehen. Von der Krankenkasse erstattet wird dann wieder nur so viel, wie die Behandlung standardmäßig in Deutschland gekostet hätte.
Bergungskosten, z.B. ein Transport per Hubschrauber nach einem Wander-, Rad- oder Skiunfall, werden nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen und kosten schnell mehrere tausend Euro.
Auch der Krankenrücktransport wird mit der EHIC nie übernommen. Ist er nötig, können sehr hohe Kosten entstehen.
Rundum und sorglos abgesichert mit dem ADAC
Um bei Reisen ins Ausland rundum und umfassend abgesichert zu sein, ist ein zusätzlicher Versicherungsschutz dringend zu empfehlen, um sich vor teuren Behandlungskosten zu schützen. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Krankenrücktransport medizinisch notwendig wird: Denn dieser wird generell nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Zudem sollten in den Leistungen neben einem 24 h-Notrufservice immer auch Such- und Rettungskosten bei Unfällen abgedeckt sein.
Mit der ADAC Auslandskrankenversicherung oder für alle ADAC Premium-Mitglieder gibt es darüber hinaus noch einen besonderen Service: Über den Reisemedizinischen Informationsservice des ADAC kann einer von über 20.000 zertifizierten Ärzten in 75 Ländern gebucht werden.
Der Vorteil - neben einer bestmöglichen medizinischen Versorgung - ist, dass die Abrechnung direkt zwischen Arzt und ADAC Auslandskrankenversicherung abgewickelt wird. Der Patient muss vor Ort also nichts bezahlen. Der Service ist über die ADAC Medical App oder telefonisch unter der Nummer 089 76 76 77 erreichbar.
Sonderfall Türkei: Vorsicht vor Versicherungslücke
In der Türkei gibt es Probleme mit der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC), weil sie dort grundsätzlich nicht anerkannt wird. Stattdessen benötigen gesetzlich Versicherte einen speziellen Urlaubskrankenschein (Formular T/A 11), den sie vor der Reise bei ihrer Krankenkasse beantragen müssen.
Doch auch damit ist der Ablauf bei einem Arztbesuch komplizierter als in anderen europäischen Ländern: Mit dem Urlaubskrankenschein müssen sich Betroffene zunächst an eine Zweigstelle der türkischen Sozialversicherungsanstalt (SGK) wenden. Damit werden nur Behandlungen in staatlichen Krankenhäusern, Universitätskliniken oder privaten Einrichtungen mit SGK-Vertrag übernommen. Staatliche Krankenhäuser sind medizinisch modern ausgestattet, das Personal gut ausgebildet.
Typische Abrechnungsprobleme in der Türkei:
Reisende legen die EHIC vor, die jedoch in der Türkei nicht gilt.
Wer keinen Urlaubskrankenschein hat oder diesen nicht rechtzeitig vorab umtauscht, muss die Behandlung oft privat bezahlen und bekommt die Kosten nur unter bestimmten Bedingungen erstattet, weil sie über die lokalen Abrechnungssätze hinausgehen.
Die Abwicklung ist aufwändig und erfordert zusätzliche Behördengänge vor Ort.
Die Kostenerstattung erfolgt nur für medizinisch notwendige und sofort erforderliche Behandlungen, nicht für geplante Eingriffe und Wahl- oder Komfortleistungen (Chefarztbehandlung, Ein- oder Zweibettzimmer).
Behandlungskosten in der Türkei im Vergleich:
Auch simple medizinische Fälle können die Urlaubskasse weit mehr belasten als dies in Deutschland der Fall ist. Wir haben die Kosten einer Durchfallbehandlung für einen Privatpatienten in Deutschland den Kosten für eine Behandlung bei einem Privatarzt in der Türkei gegenübergestellt:
Deutschland (Privatpatient) | Türkei (Privatarzt) | ||
---|---|---|---|
Beratung, Untersuchung, Infusion | 30 – 60 Euro | 250 – 300 Euro | |
Medikamente (Imodium, Elektrolyte) | 5 – 15 Euro | 30 – 80 Euro | |
Gesamt | 35 – 75 Euro | 280 - 380 Euro |
Wichtiger Hinweis: Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt nur die Kosten, die über den Vertrag mit der türkischen Sozialversicherungsanstalt (SGK) geregelt sind. Diese liegen in der Regel zwischen dem Privattarif des ausländischen Arztes und den Sätzen, die hierfür in Deutschland bezahlt werden. Mögliche Differenzbeträge müssen vom Patienten übernommen werden. Sie können auch über eine Auslandskrankenschutzversicherung erstattet werden, falls diese vorhanden ist.
Checkliste: Meldung eines Notfalls im Urlaub
Ob plötzliche Erkrankung oder Unfall – mit der ADAC Checkliste wissen Reisende sofort, was zu tun ist. Schritt-für-Schritt erklärt, wie ein medizinischer Notfall richtig gemeldet wird und welche Angaben und Belege wichtig sind.