„Es ist sehr realitätsnah, wie im richtigen Verkehr“

Wir müssen die Zeit leider kurz zurückdrehen. 2020, Corona breitet sich aus. Lockdown. Schulen, Geschäfte, Turnhallen, Sportplätze schließen. Und auch der Verkehrsübungsplatz in Ulm-Wiblingen, auf dem jedes Jahr Hunderte Kinder lernten, wie man richtig Fahrrad fährt. „Da haben wir gesagt, wenn das 2021 wieder passiert, müssen wir etwas unternehmen“, erzählt Gerd Braig, Vorsitzender des Gesamt-Elternbeirats (GEB) aller Ulmer Schulen. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Gremiums fasste er den Entschluss, den Platz in Wiblingen auf eigene Faust zu öffnen, um dort wieder Kurse zum Erlernen des sicheren Umgangs mit dem Fahrrad und dem richtigen Verhalten im Straßenverkehr anzubieten. Nun ist die Pandemie zwar vorüber, das Projekt läuft aber noch immer. Für das Engagement erhielt der GEB vor kurzem den Verkehrspräventionspreis „Gib acht im Verkehr“ des Landes Baden-Württemberg.
Braig sprach sich im Herbst 2020 mit dem Fahrradclub ADFC und der Polizei ab, klopfte bei der Stadt an. Dort habe man die Idee zwar begrüßt, aber gleich betont, dass man kein Personal zur Verfügung stellen könne. „Darauf haben wir ein Konzept erstellt und grünes Licht erhalten.“ Der GEB-Vorsitzende bekam den Schlüssel, um den Platz zusammen mit jeweils einem weiteren Kollegen aus dem Vorstand an sechs Samstagen zwischen Mai und Juli vormittags zu öffnen und zu betreuen. Maximal 20 Kinder durften sich anmelden, sie konnten unter der Aufsicht ihrer Eltern frei trainieren. „Wir dürfen ja auch nicht lehren.“ Zum Ende der Aktion gab es Blumen für den GEB von allen Seiten. „Und so haben wir entschieden, dass wir die Sache 2022 wieder auf die Beine stellen.“
Erneut definierte man sechs Termine im Frühsommer. „Der Andrang war riesig, wir hätten Würstchen verkaufen können, so viel Trubel herrschte auf dem Platz.“ Die Regeln waren nicht mehr so streng. Zwar durften weiterhin nur 20 Kinder gleichzeitig den Platz nutzen, aber bei den Begleitpersonen gab es keine Einschränkungen mehr. Es kamen kleine Geschwister mit Laufrädern, Väter mit Kinderwagen, Mütter spielten beim Training die Fußgänger. „Es war sehr realitätsnah, wie im richtigen Verkehr."
"Grünes Licht für die Ampel“
Braig hat es 2023 auch noch geschafft, eine „echte Attraktion“ anzubieten. Der Platz verfügt über eine Ampel, die in den ersten beiden Jahren farblos blieb. Der GEB-Vorsitzende überzeugte nach eigener Aussage die Polizei, die für die Lichtsignalanlage verantwortlich ist, ihm den Zugang zum Technikhäuschen zu gewähren, um sie in Betrieb zu nehmen. „Das hat nochmal richtig Auftrieb gegeben.“ Hinzu kamen zwei Container, in denen die Kinder bei schlechtem Wetter Pause machen können. Es gibt sogar Anfragen aus anderen Städten: „Die Gesamt-Elternbeiräte aus Reutlingen und Heilbronn haben gefragt, wie wir das machen.“ Braig erklärt das gerne und fügt gleich hinzu, wie sich die Aktion verselbstständigt hat: „Viele Familien machen an den Samstagen einen Fahrrad-Ausflug zum Übungsplatz. Es ist toll, was sich da entwickelt hat. Wir haben uns entschieden, daraus eine Dauereinrichtung zu machen.“
„Das Fahrrad ist das erste Verkehrsmittel, mit dem Kinder selbst aktiv am Verkehrsgeschehen teilnehmen. Jeder sollte deshalb die Chance bekommen, den Umgang mit dem Fahrrad richtig zu trainieren, um sicher im Straßenverkehr unterwegs sein zu können. Dank des außerordentlichen Einsatzes des Ulmer Gesamtelternbeirats wurde auf dem Verkehrsübungsplatz in Ulm-Wiblingen für Kinder eine dauerhafte Möglichkeit für das so wichtige Fahrrad-Training geschaffen.“
Carl-Eugen Metz, Vorstand für Verkehr und Umwelt beim ADAC Württemberg©Frank Eppler


1 von 2
Info
Der Verkehrspräventionspreis in Baden-Württemberg wird seit 1994 durch die Verkehrssicherheitsaktion GIB ACHT IM VERKEHR für herausragende Aktivitäten und Aktionen in der Verkehrsunfallprävention verliehen. Im Mittelpunkt stehen Kampagnen und Projekte für Kinder, Heranwachsende, junge Fahrer und Senioren.