Das Rad macht Schule
Der Fahrrad-Parkplatz der Realschule Oberkirch (Ortenaukreis) platzt aus allen Nähten. Fast zwei Drittel der 750 Schüler kommen mit dem eigenen Rad zum Unterricht. „Mama und Papa trauen es den Kindern zu. Und die Elterntaxis werden immer weniger“, sagt Lehrer Axel Hauser. Die Schule bietet Nachmittagskurse, in denen die Jugendlichen lernen, wie man ein Loch im Schlauch flickt oder die Kette richtig ölt. Ab der 7. Klasse kann man der Mountainbike-Gruppe beitreten, die im Gelände Fahrtechnik übt und an Wettkämpfen teilnimmt. Einige Schülerinnen und Schüler setzen noch eins drauf, lassen sich zum Verkehrssicherheits-Beauftragten ausbilden und unterstützen in den Kursen und Arbeitsgemeinschaften an der Schule. Kein Wunder, dass die Oberkicher Bildungseinrichtung bereits die Auszeichnung „fahrradfreundlichste Schule Deutschlands“ erhielt. Und kürzlich gab es auch noch den Verkehrs-Präventionspreis „Gib acht im Verkehr“. Den Preis bekam die Realschule für ihr Engagement bei den Fünftklässlern: Die tauschen nämlich im Sportunterricht Fußball und Bodenmatte gegen das Fahrrad ein. Ein Drittel der Sportstunden findet auf dem Schulhof statt, wo die Schülerinnen und Schüler das ABC des Radfahrens lernen. Das ist laut Hauser dringend nötig: „Manche Kinder haben den Fahrrad-Führerschein, den man an der Grundschule macht, gar nicht bestanden.“ Zudem gäbe es komplexe motorische Anforderungen, wenn man sicher mit dem Rad unterwegs sein wolle. „Man denke nur ans Abbiegen: einhändig fahren, Zeichen geben, Schulterblick, bremsen und geradeaus fahren. Das kriegen auch viele Erwachsene nicht hin.“
Am Anfang geht es um vermeintlich banale Dinge: Die Fünftklässler lernen, die Sattelhöhe richtig einzustellen, sie beschäftigen sich mit der Frage, warum ein Helm wichtig ist und wie man ihn richtig handhabt. Auch ergonomische und technische Dinge stehen auf dem Plan: Wie sitzt man richtig? Wie funktioniert eigentlich eine Bremse? Die Realschule verfügt mittlerweile über drei Dutzend Räder, mit denen die Schüler üben, wie man Kurven meistert oder wie sich der Untergrund auf das Fahrverhalten auswirkt. „Auf Asphalt ist es ja ganz anders als im Gelände.“
„Die Sicherheit im Umgang mit dem Fahrrad hat in den vergangenen Jahren, insbesondere bei den Kindern und Jugendlichen, nachgelassen. Umso wichtiger sind Projekte wie das der Realschule Oberkirch, die einen ganz wesentlichen Beitrag zu einer sicheren und nachhaltigeren Mobilität leisten.“
Reinhold Malassa, Vorstandsmitglied für Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC Südbaden e.V. ©Kai-Uwe Wudtke
Das Thema Fahrrad ist im Lehrplan laut Hauser über den Punkt „Fahren, Rollen, Gleiten“ abgedeckt. „Die Schule ist verpflichtet, das zu unterrichten.“ Aus seiner Sicht führt am Fahrrad kein Weg vorbei. „Wir müssen die Schüler motorisch gut ausbilden, damit sie sicher auf zwei Rädern unterwegs sind.“ Die positiven Nebeneffekte: weniger Verkehr rund um die Schule, weil die Elterntaxis zurückgehen, selbstbewusstere Schüler, die gleichzeitig mehr Bewegung an der frischen Luft bekommen. Man sieht, das Projekt ist wirklich preiswürdig.
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Info
Der Verkehrspräventionspreis in Baden-Württemberg wird seit 1994 durch die Verkehrssicherheitsaktion GIB ACHT IM VERKEHR für herausragende Aktivitäten und Aktionen in der Verkehrsunfallprävention verliehen. Im Mittelpunkt stehen Kampagnen und Projekte für Kinder, Heranwachsende, junge Fahrer und Senioren.