Verkehrsforscher Bogenberger: Autonomes Fahren ist die Zukunft

Nicht nur zum Schutz des Klimas wird sich die Mobilität künftig deutlich wandeln. Wir haben mit dem Mobilitätsforscher Prof. Dr. Klaus Bogenberger von der Technischen Universität München über die Zukunft der Mobilität in Bayern gesprochen.
Nicht nur zum Schutz des Klimas wird sich die Mobilität künftig deutlich wandeln. Wir haben mit dem Mobilitätsforscher Prof. Dr. Klaus Bogenberger von der Technischen Universität München über die Zukunft der Mobilität in Bayern gesprochen.© vegefox.com - stock.adobe.com
Klaus Bogenberger
Mobilitätsforscher Prof. Dr. Klaus Bogenberger von der TU München.© Andreas Heddergott

Nicht nur zum Schutz des Klimas wird sich die Mobilität künftig deutlich wandeln. Doch wie kann der Mobilitätswandel in einem Flächenland wie Bayern aussehen und gelingen? Wie können unterschiedliche Konzepte für den städtischen und den ländlichen Raum aussehen? Wir haben mit dem Mobilitätsforscher Prof. Dr. Klaus Bogenberger von der Technischen Universität München über die Zukunft der Mobilität in Bayern gesprochen. Er ist sich sicher: Die Verkehrswende wird nur mit autonom fahrenden Bahnen und Bussen gelingen — und auch PKWs werden irgendwann ohne Fahrer von A nach B gelangen.

Herr Bogenberger, wie steht es aktuell um die Mobilitätswende in Bayern im innerdeutschen Vergleich?

Da muss man unterscheiden. Man kann ein ganzes Bundesland wie Bayern, das so von verschiedenen Strukturen geprägt ist, nicht pauschal mit einer einheitlichen Verkehrspolitik oder Verkehrsplanung entwickeln. Es gibt die großen Ballungsräume München oder Nürnberg, mit viel Pendlerverkehr und einem hohen Anteil an öffentlichen Verkehrsmitteln. Dort hat man natürlich auch Verkehrsprobleme, die man aber erkennt und angeht. Beispielsweise geht es um den U-Bahn-Ausbau oder die Verlagerung aufs Fahrrad.

Wie sieht es im ländlichen Raum aus?

Dort ist es eine ungleich schwierigere Aufgabe, ein Angebot in Konkurrenz zum privaten PKW zu entwickeln. Das eigene Auto ist auf dem Land weiterhin unschlagbar, was den Komfort und die Verfügbarkeit betrifft. Das kann und wird aber besser werden, wenn wir in Zukunft irgendwann autonome Fahrzeuge haben. Dann wird sich die Kostenstruktur im ländlichen Raum sehr zum positiven entwickeln, weil die Fahrer ein riesiger Kostenfaktor sind.

Können Sie das konkreter ausführen?

Die Fahrer verursachen im öffentlichen Verkehr die größten Kosten. Ein Bus muss nur einmal beschafft werden, dann werden die Kosten abgeschrieben. Für Fahrer hingegen müssen dauerhaft Personalkosten aufgebracht werden, was den öffentlichen Personennahverkehr im ländlichen Raum heute oftmals unwirtschaftlich macht. Abhilfe kann autonomes Fahren schaffen, beispielsweise in einer Art On-Demand-System. Früher hätte man dazu Rufbussystem gesagt. In Bayern gibt es bereits Pilotversuche, noch ist die Technologie aber leider nicht so weit. Wir müssen jetzt die nächsten Jahre abwarten und sehen, wie solche Angebote entwickelt werden können.

Wie wird sich die Mobilität in den Städten verändern?

In den Städten wird man die Nutzung des privaten Autos deutlich reduzieren. Das hat unterschiedliche Gründe, einer davon ist natürlich die Einhaltung der Klimaziele. Alternativen hat man, der ÖV hier in Bayern ist bereits gut ausgebaut in den Städten – auch wenn das natürlich nicht bedeutet, dass es nicht immer noch besser geht. Auch die Fahrradinfrastruktur wird man in den Städten weiter stärken müssen, damit Radfahren komfortabel und sicher ist. Im Umkehrschluss heißt das: dem fließenden Verkehr, aber auch dem ruhenden Verkehr in Form parkender Autos wird man deutlich Platz wegnehmen müssen. Denn in unseren historischen Innenstädten ist der Straßenraum nun einmal nicht beliebig erweiterbar.

Welche der beiden Herausforderungen ist die größere? Stadt oder Land?

Das ist schwer miteinander zu vergleichen. Im ländlichen Raum wird der Nutzen der Maßnahmen geringer sein, einfach weil dort weniger Menschen sind. Wenn sie dort jemanden mit einem autonomen Shuttlebus abholen, wird das außerdem immer noch seine Zeit dauern und damit vielleicht nicht jeden überzeugen. Was sie in diesen Gebieten an Emissionen einsparen können, wird überschaubar sein. Deshalb sind die Metropolen aus dieser Sicht das zentrale Thema, weil man dort viel mehr Menschen erreicht und mit entsprechenden Maßnahmen auch sehr viel mehr Wirkung erzielen kann.

Welche Verkehrsträger müssen bei der Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur priorisiert werden?

Das Rückgrat in den Städten ist nach wie vor der ÖV. In eine S-Bahn passen 1.500 bis 2.000 Leute, das sind unglaubliche Mengen, die Sie dort bewegen. Zudem wird das Fahrrad für viele kürzere Distanzen in den Städten eine Rolle spielen. Das muss aber komfortabel und sicher sein, dafür braucht es die entsprechende Infrastruktur.

Wie werden sich die Kosten für Mobilität sowohl im privaten Bereich als auch im öffentlichen Verkehr entwickeln? Und wie lässt sich dabei soziale Gerechtigkeit wahren?

Das Thema soziale Gerechtigkeit ist natürlich ein wesentliches. Da hat man im Bereich des ÖV in den letzten zwei Jahren in Deutschland bereits sehr viel gemacht und experimentiert. Danken Sie da zum Beispiel an das 9-Euro-Ticket oder jetzt das 49-Euro-Ticket, beides sind sensationell günstige Preise für das Angebot, das man damit nutzen kann. Mit solchen Maßnahmen gewinnt man Menschen für den ÖV. Zudem braucht es aber auch sogenannte Push-Maßnahmen, sprich solche, die die Menschen dazu bringen, weniger Auto zu fahren. Das wird nur über höhere Preise oder neue Abgaben zu erreichen sein. Da gibt es zum Beispiel das Konzept der „City-Maut“. Uns schwebt in der Forschung eher ein Zertifikate-System vor, angelegt an den aktuellen CO2-Zertifikathandel, mit dem man sehr bewusst und transparent aufgezeigt bekommt, welche externen Kosten man verursacht.

Wie würde dieses Zertifikate-System funktionieren?

Im Endeffekt wird dynamisch durch den Verkehrszustand berechnet, welche Emissionen ein Fahrzeug ausstößt. Jede Person hat dann ein gewisses Budget an Zertifikaten, die er für seine Mobilität einsetzen kann. So wird das ganze reglementiert.

Ein Blick in die Zukunft: Was wird sich bis 2030 verändern? Was muss sich verändern?

Da gibt es zwei große Herausforderungen. Die erste, und das ist bereits am laufen, ist die Elektrifizierung der Flotten des öffentlichen Verkehrs. Das zweite, und hier haben wir noch deutlich Luft nach oben, ist die Automation. Wir müssen nicht nur Tram, Bahn und Busse automatisieren, sondern irgendwann auch die normalen Fahrzeuge. Das Thema Kosten habe ich schon angesprochen, zudem haben wir auch hier einen eklatanten Fachkräftemangel. Man spricht von 80.000 bis 90.000 fehlenden Busfahrern. Um also überhaupt die nötigen Angebote, die es für die Verkehrswende braucht, machen zu können, brauchen wir Automation. Die technischen Lösungen hierfür gilt es mit Höchstgeschwindigkeit anzugehen.

Wie weit ist man denn technologisch schon im Bereich des autonomen Fahrens?

Ich bin kein Experte in diesem Bereich, das machen andere Leute. Prinzipiell gilt aber: Je geschützter der Fahrweg, desto einfacher ist die Umsetzung. Bei U-Bahnen beispielsweise ist es eine reine Frage des Investments und das muss man jetzt angehen. Wie viele Bahnfahrer hat München beispielsweise, 500? Wenn ich diese Bahnen also automatisiere, können diese Menschen auf einen Schlag umgeschult werden, um Trambahnen oder Busse zu fahren. Der nächste Schritt ist dann eben die Trambahn. Da hat man zwar über der Erde auch Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmern, aber in vielen Bereichen haben diese Bahnen ihren eigenen, festgelegten Fahrweg. Da muss nur überwacht werden, ob die Schiene frei ist oder nicht. Am komplexesten sind Kraftfahrzeuge, weil man dort viel überwachen und erkennen muss. Aber auch da gibt es in Phoenix, Arizona oder San Francisco schon heute Systeme, in denen voll autonome Fahrzeuge auch im öffentlichen Straßenraum unterwegs sind. Hier in Deutschland ist es realistisch, dass wir in fünf bis zehn Jahren weitestgehend automatisierte Fahrzeuge auf den Autobahnen sehen werden, im urbanen Bereich wird es wahrscheinlich noch ein paar Jahre länger dauern. Witzigerweise sind wir da von der Rechtslage her schon bedeutend weiter als bei den technischen Anforderungen, denn prinzipiell dürften autonome Fahrzeuge bereits heute auf den Straßen eingesetzt werden.