70 Jahre Straßenwacht – Was den Beruf "Gelber Engel" bis heute zum Traumberuf macht
Für das Herzstück des ADAC – die Pannenhilfe – gibt es heuer doppelten Grund zur Freude: Die Gelben Engel feiern nicht nur ihr 70-jähriges Bestehen, sondern haben mit 100 Millionen Einsätzen auch einen historischen Meilenstein erreicht. Oliver Danckwardt aus München war 27 Jahre lang ADAC Straßenwachtfahrer sowie Technikausbilder und erzählt im Interview, was den Beruf des Gelben Engels für ihn attraktiv macht, wie sich die Arbeit der Pannenhilfe verändert hat und welche Herausforderungen technische Entwicklungen mit sich bringen.
1 von 5
Interview mit Oliver Danckwardt
Sie waren knapp 30 Jahre als Gelber Engel im Einsatz – erzählen Sie uns davon!
Mein Arbeitsalltag war sehr abwechslungsreich und ich habe einfach gelbes Blut. Ich war zu 50 Prozent auf der Straße unterwegs und zu 50 Prozent als Technikausbilder beziehungsweise als Hotliner tätig. Als Straßenwachtfahrer war ich mein eigener Herr mit dem Ziel, aktiv und persönlich am Pannenort beziehungsweise der Unfallstelle zu helfen und die Fahrbereitschaft des havarierten Fahrzeugs wiederherzustellen. Dabei reichte die Bandbreite der Fahrzeuge von Kleinwagen und Familienautos bis hin zu heißgeliebten Oldtimern, hochgetunten Flitzern, edlen Luxuskarossen und modernen Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Und als Technikausbilder war ich mit dafür verantwortlich, quasi die neue Generation von Pannenhelfern auszubilden und die Straßenwacht mit der neuesten Technik vertraut zu machen.
Vor kurzem wurde die Marke 100 Millionen Einsätze geknackt, wie viele davon gehen auf Ihr Konto?
Ich habe nachgerechnet und in meiner Laufbahn war ich tatsächlich bei über 30.000 Pannenhilfen zur Stelle. Für mich war es ein absoluter Traumberuf. Die anspruchsvollen Pannen waren für mich am reizvollsten, aber natürlich gehören auch Hilfeleistungen wie Reifenwechsel dazu.
Alle 9 Sekunden ein Einsatz
473.289 Pannenhilfen leisteten die 253 bayerischen ADAC Straßenwachtfahrer und Mobilitätspartner im Jahr 2023 im Freistaat. Das sind 18.643 Einsätze mehr als 2022, was einem Zuwachs von 4,1 Prozent entspricht. Deutschlandweit gab es insgesamt 3.531.058 Einsätze, das sind 117.000 und damit 3,4 Prozent mehr als 2022. Im Schnitt sind die Gelben Engel alle neun Sekunden irgendwo in Deutschland im Einsatz. Wie in den vergangenen Jahren auch, landete die defekte Batterie mit 44,1 Prozent auf Platz eins der häufigsten Pannenursachen, auf Platz zwei mit 22,8 Prozent folgten Probleme mit dem Motormanagement.
Was waren die größten Veränderungen bei der Pannenhilfe seit 1954?
In den Anfängen waren die Pannenhelfer ja noch auf Motorrädern mit Beiwagen bei Wind und Wetter unterwegs. Es war eine Art Patrouillieren, das heißt die Straßenwachtfahrer sind ohne Funk umhergefahren und haben versucht, Havaristen zu finden und ihnen dann Hilfe anzubieten. Regelmäßig riefen sie auch in der Zentrale an, um von eventuell neu vorhandenen Aufträgen zu erfahren. Heute haben wir technisch sehr gut ausgestattete und hochmoderne Fahrzeuge und werden per App zum Einsatzort geschickt. Aber auch die Erwartungshaltung der Kunden hat sich geändert: Die meisten Menschen sind nach wie vor einfach nur dankbar, wenn wir ihnen helfen, doch manchen kann die Hilfe nicht schnell genug gehen.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für die Gelben Engel?
Die Fahrzeugtechnik wird immer komplexer und differenzierter. Es gibt viele verschiedene Antriebsformen sowie Bauweisen und jedes Jahr kommen neue technische Entwicklungen auf den Markt. Moderne Autos sind voll mit Technik und Elektronik, die störanfällig ist. Und je mehr verbaut ist, desto mehr kann auch kaputtgehen. Doch durch die regelmäßigen Fortbildungen und unsere Erfahrung können wir auch komplexe Probleme lösen. Dennoch haben wir nicht auf alle Fahrzeugdaten Zugriff. Das wird leider von den Herstellern zum Teil beschränkt. Eine große Herausforderung ist es auch, die Fehler, die das On-Board-Diagnosegerät anzeigt, zu interpretieren. Wir müssen durch Erfahrung und Nachdenken die Möglichkeiten eingrenzen, um dann die genaue Ursache zu finden und eine Weiterfahrt zu ermöglichen – und das gelingt uns in über 85 Prozent der Fälle.
Welche Rolle spielen dabei E-Autos und Hybrid-Fahrzeuge?
Rund zwei Prozent der havarierten Fahrzeuge, denen wir Pannenhilfe leisten, sind E-Autos und Hybridfahrzeuge, Tendenz natürlich steigend. Doch E-Autos unterscheiden sich bei den Pannen gar nicht so sehr vom Verbrenner. Die Starterbatterie ist auch bei ihnen das anfälligste Bauteil, dann kommen die Reifen und danach verschlossene Fahrzeuge. Derzeit läuft übrigens an den beiden größten Flughäfen Deutschlands – in Frankfurt und München – ein Pilotprojekt für mobile Not-Ladestationen von E-Autos – ein sicherlich wichtiges Thema für die Zukunft.
Pannenhilfe auch per App
Neben dem klassischen ADAC Notruf unter der Kurzwahl „22 22 22“ können ADAC Mitglieder die Gelben Engel auch über die „Pannenhilfe“-App des Clubs oder das Internet zu Hilfe rufen. Der Vorteil: Nutzer können im Pannenfall wichtige Informationen und Fahrzeugdaten sowie den exakten Standort dank GPS direkt und unkompliziert an die ADAC Pannenhilfezentrale übermitteln. Durch den aktuellen Status zum Auftrag bleibt das Mitglied über den Stand seiner Pannenmeldung informiert und erfährt zum Beispiel, wann der ADAC Pannenhelfer losfährt.