Landtagswahl in NRW 2022: Das empfiehlt der ADAC

Wie sollen und können sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen in Zukunft fortbewegen? Was passiert mit den Radwegen? Wie wird mit dem Parkdruck in Städten umgegangen? Und wie wird sich die Elektromobilität entwickeln? Zur Landtagswahl NRW 2022 nimmt der ADAC in NRW die wichtigsten Verkehrs- und Mobilitätsthemen des Bundeslandes unter die Lupe.
Wahl NRW 2022: Das sind die Empfehlungen des ADAC an die Landespolitik
1. Radinfrastruktur ausbauen
Das Fahrrad hat in den vergangenen Jahren eine Renaissance erlebt. Damit das Fahrrad für mehr Pendler zu einer echten Pkw-Alternative wird, braucht es neben Abstellmöglichkeiten vor allem ein lückenloses Radverkehrsnetz mit sicheren, bequemen und direkten Radwegen. Nur so erzielt man mit dem Fahrrad eine ähnliche Reisezeit wie mit dem Pkw. Radfahrer können bei Entfernungen bis zu zehn Kilometern im Stadtverkehr ähnlich schnell am Ziel sein wie Autofahrer. Hier liegt großes Potenzial – denn rund zwei Drittel aller Pkw-Fahrten haben eine Länge von weniger als zehn Kilometern.

Radschnellwege müssen daher schneller realisiert werden. Der Ausbau geht jedoch nur sehr langsam voran: So wird zum Beispiel seit 2012 am sogenannten RS 1 gebaut, dem Radschnellweg zwischen Moers und Hamm gebaut. Bislang sind von den geplanten 116 Kilometern noch keine 20 Kilometer fertiggestellt. Die anderen sechs Radschnellwege in NRW befinden sich größtenteils in der Planungsphase oder es wurden vereinzelt Bauabschnitte begonnen wie z.B. beim RS 2, von Isselburg nach Coesfeld.
Im November 2021 ist in NRW als erstem Flächen-Bundesland das Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz (FaNaG) verabschiedet worden. Positiv aus Sicht des ADAC in NRW: mit Mobil- und Fahrradstationen sollen zum einen mehr Umsteigepunkte errichtet werden. Zum anderen wurde im FaNaG festgehalten, dass die Verkehrsmittel nicht gegeneinander ausgespielt, sondern die freie Wahl des Verkehrsmittels weiterhin gewährleistet werden soll. Daher ist der richtige Ausbau der Radinfrastruktur entscheidend.
Eine 2020 vom ADAC veröffentlichte Befragung in Großstädten hat gezeigt, dass sich Radfahrer von allen Verkehrsteilnehmern am unsichersten fühlen. Gleichzeitig stimmten 42 Prozent der Aussage zu, dass Flächen zugunsten von Fußgängern und Fahrradfahrern neu verteilt werden sollen. Um aber kein Verkehrschaos auszulösen, brauchen Autofahrer attraktive Alternativen. Nur im Zusammenspiel von guten Angeboten und Flächen-Neuverteilung kann der Radverkehr auf lange Sicht einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und gleichzeitig Städte von Stau und Parksuchverkehr entlasten. Der Weg zu einer anderen Mobilitätskultur ist nur gemeinsam, nicht gegeneinander zurückzulegen.
Empfehlungen des ADAC
Pendlerrouten müssen ein sicheres und schnelles Vorankommen ermöglichen
Kürzere Bau- und Planungszeiten, Genehmigungsverfahren beschleunigen
Fokussierung auf zentrale Pendlerachsen, Förderung interkommunaler Zusammenarbeit
Umsetzung des Leitfadens zu Radschnellverbindungen in NRW
Baulich getrennte Radwege da, wo es möglich ist

2. Wie das Dauerproblem „Parken“ angegangen werden kann
Die Flächenkonkurrenz in den (Groß-)Städten nimmt immer mehr zu. Denn Verkehrsteilnehmer haben unterschiedliche Ansprüche an den Straßenraum: Fahrradfahrer, Fußgänger und Pkw-Nutzer wollen separate, komfortable und direkte Wege. (Ältere) Fußgänger wünschen sich Sitzmöglichkeiten zum Erholen, Fahrräder, E-Tretroller und Autos benötigen Abstellflächen. Der Fahrzeugbestand wächst dabei immer weiter – aktuell gibt es weit über zehn Millionen Pkw in NRW – der verfügbare Platz ist aber derselbe geblieben.
Außerdem sorgen weitere Effekte für steigende Verkehrsmengen, z.B. der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Gerade junge Familien und einkommensschwache Haushalte können sich die hohen Mieten in der Stadt nicht mehr leisten und sind zunehmend gezwungen, ins Umland zu ziehen. Dadurch wachsen die Distanzen, die sie täglich auf dem Weg zur Arbeit zurücklegen müssen, und auch insgesamt nehmen die Pendlerzahlen zu. Zwei Drittel der Pendler nutzen dabei noch das Auto, weil oft attraktive Alternativen fehlen.
Bisher nutzen Kommunen häufig Bewohner-Parkausweise, um Anwohnern die Parkplatzsuche zu erleichtern und Fremdparker fernzuhalten. Hierfür werden Gebühren von maximal 30,70 Euro pro Jahr verlangt, was 2,56 Euro pro Monat entspricht. Der Preis spiegelt nicht die Knappheit der Ressource „öffentlicher Raum“ wider. Im Mai 2021 hat der Bundestag daher einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Länder und Kommunen ermächtigt, in Vierteln mit Parkplatzmangel den Preis für Bewohner-Parkausweise eigenständig festzusetzen.
Die Idee ist im Grundsatz richtig. Es sollte eine Obergrenze festgelegt werden, denn Mobilität muss bezahlbar bleiben! Die Gebührenanpassung darf immer nur bedarfsweise, sozial verträglich und abhängig vom Parkdruck erfolgen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Preise willkürlich festgelegt werden oder zusätzliche Einnahmen für die kommunalen Kassen generiert werden.
Empfehlungen des ADAC
Die Erreichbarkeit der eigenen Wohnung mit dem Pkw muss erhalten bleiben
Parken in Wohnungsnähe darf kein Statussymbol sein
Quartiersgaragen als zentralen Baustein der städtischen Mobilität fördern
Gebührenordnung an maßvolle Obergrenzen und (digitalisierte) Parkraumkonzepte binden
Alternativen zur Pkw-Nutzung attraktiver machen
(Hochwertige) Abstellflächen für (teure Spezial-) Fahrräder und E-Tretroller in Parkraumkonzepten berücksichtigen
Parkscheine für Park-and-Ride-Anlagen mit ÖPNV-Tickets verknüpfen
Digitales Lieferzonenmanagement fördern
3. Bundesland NRW: Staumäßig spitze und marode zugleich
NRW ist das bevölkerungs- und verkehrsreichste Bundesland. Als Transitland bzw. als Logistikdrehscheibe muss die Infrastruktur neben dem Personenverkehr auch große Güterverkehrsmengen aufnehmen. Sobald ein Straßenabschnitt oder ein Kraftfahrzeug fertiggestellt wird, beginnt der Verschleiß durch die (Ab-)Nutzung. Dabei belastet ein Lkw durch seine wesentlich größere Achslast im Vergleich zum Pkw die Straße um das mehrere Zehntausendfache (Vierte-Potenz-Gesetz). Die Auswirkungen kennt jeder: Schlaglöcher, Nutzungseinschränkungen (gesperrte Fahrstreifen oder Temporeduzierung) und im schlimmsten Fall sogar Vollsperrungen.
Das bekannte Beispiel der Leverkusener Brücke war ein deutliches Alarmsignal. Seit 2012 ist die wichtige Rheinbrücke der A1 für Lkw gesperrt. Jetzt hat die Rahmede-Talbrücke der A45 traurige Berühmtheit erlangt und muss abgerissen werden. Dies führt täglich zu mehreren hunderttausend Kilometern Umweg im Fernverkehr und verstopften Stadtstraßen sowie chaotischen Zuständen rund um Lüdenscheid. Ein Domino-Effekt, dass Brücke für Brücke in NRW gesperrt wird, muss unbedingt verhindert werden.

Seit Jahren belegt NRW den ersten Platz in der ADAC Staustatistik und hat einen Anteil von ca. einem Drittel der erfassten Staukennzahlen in Deutschland. So wurden zum Beispiel im Jahr 2021 mehr als 215.000 Staus auf den NRW-Autobahnen gezählt. Neben dem hohen Verkehrsaufkommen tragen auch Baustellen wesentlich zur Staubelastung bei. Doch ohne Baustellen kann die Verkehrsinfrastruktur nicht saniert werden.
Dabei könnten viele Verkehrsteilnehmer einen Teil der Belastung selbst drosseln, z.B. durch Nutzen von Home-Office-Regelungen. Die Rechnung ist einfach: Wer zwei Tage im Home-Office arbeitet (sofern möglich), senkt seinen persönlichen Berufsverkehr pro Woche um 40 Prozent. Weil die Anzahl der Präsenztage aber im Laufe der Pandemie wieder zugenommen hat und an diesen eher mit dem Pkw zur Arbeit gefahren wird, sind die zunächst positiven Effekte der COVID-19-Pandemie wieder schwächer geworden.
ADAC Empfehlungen
Erhaltungsmaßnahmen stärker priorisieren
Mehr Personal akquirieren, Ausbildung attraktiver machen
Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Bauzeiten beschleunigen
Mehr Mut zur Anwendung innovativer Baumaßnahmen und Digitalisierung der Verfahren
Vereinfachte Verfahren bei Instandhaltungsmaßnahmen – Erfahrungen aus dem Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe nutzen
Gesetzesrahmen für Home-Office nach Pandemielage beibehalten