Staubilanz 2020: Weniger Stau, NRW aber weiter Stauland Nr. 1

Stau auf der Autobahn
Etwa 75.000 Stunden steckten Autofahrer 2020 in NRW im Stau fest.© digitalstock

Coronabedingt deutlich weniger Stau auf den Autobahnen, dafür weiterhin Stauland Nr. 1 in Deutschland: So lautet das Fazit der ADAC Staubilanz 2020 für Nordrhein-Westfalen. Die Aussichten für das stark vom Verkehr geplagte NRW könnten gut sein – wenn vor allem Arbeitgeber und Arbeitnehmer an den richtigen Stellschrauben drehen.

Auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen gab es im Corona-Jahr 2020 mehr als ein Drittel weniger Staus. Laut ADAC Verkehrsdatenbank sank die Anzahl der Staumeldungen von gut 253.000 (2019) auf knapp 162.000 – ein Minus von 36 Prozent. Die Gesamtlänge aller Stauereignisse (Stau und stockender Verkehr) in NRW ging noch stärker zurück, von fast 453.000 auf rund 197.000 Kilometer (-56 Prozent). Auch die Staudauer hat sich von 171.000 (2019) auf nur noch 75.000 Stunden halbiert (-56 Prozent).

"Infolge der Corona-Pandemie gab es weniger Berufsverkehr, Dienstreisen wurden abgesagt und auch der Ausflugs- und Reiseverkehr war stark eingeschränkt", erklärt ADAC Verkehrsexperte Prof. Dr. Roman Suthold.

Starke Auswirkungen durch Corona auf die Staus in NRW

Besonders interessant sind die Auswirkungen durch die coronabedingten Lockdowns auf den Verkehr. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Anzahl der Staus im März um über 52 Prozent, die Staukilometer verringerten sich um mehr als 62 Prozent. Im April zählte der ADAC sogar 77 Prozent weniger Staumeldungen und fast 90 Prozent weniger Staukilometer gegenüber 2019.

Gesamtlänge der Staus auf den NRW-Autobahnen 2020 pro Woche in Kilometern
Bis im Februar war das Staugeschehen in NRW noch weitgehend normal – dann gab es einen extremen Rückgang© ADAC/OnlineDialog

Vor allem der Abfall in Kalenderwoche 12 durch den ersten Lockdown ab dem 16. März war mit 79 Prozent (!) weniger Staukilometern im Vergleich zur Vorwoche besonders drastisch (siehe Grafik). Im Herbst ging das Staugeschehen hingegen nicht erst durch den "Lockdown light" ab dem 2. November zurück, sondern aufgrund des hohen Infektionsgeschehens und der daraus resultierenden Konsequenzen bereits ab Mitte Oktober.

NRW weiter Stauland Nr. 1 in Deutschland

Trotz stark rückläufiger Stauzahlen belegt Nordrhein-Westfalen in der ADAC Staubilanz im Bundesvergleich unverändert den Spitzenplatz. Knapp ein Drittel aller Staus entfielen 2020 auf NRW (32 Prozent). Auch bei den Staukilometern und Staustunden (jeweils 29 Prozent) hatte Nordrhein-Westfalen unverändert den größten Anteil.

Besonders belastet waren in NRW auch im vergangenen Jahr die Autobahnen 40, 1, 46 und 3. Der Autobahnabschnitt mit den meisten Staus war die A 40 zwischen Duisburg und Essen (10.610 Meldungen). Die in Summe längsten Staus gab es mit 10.589 Kilometern auf der A 1 zwischen Köln und Dortmund. Bezogen auf die Anzahl der Staukilometer je Kilometer Autobahn erreichte die A 40 zwischen Dortmund und Essen den NRW-Höchstwert (340) und lag damit bundesweit auf Platz vier. Die meiste Geduld brauchten Autofahrer auf der A 46 zwischen Düsseldorf und Wuppertal (Staudauer: 4158 Stunden).

Bezogen auf die gesamten Staukilometer entfielen bundesweit knapp 60 Prozent auf die Autobahnen mit überregionaler Bedeutung (Fernautobahnen). Betrachtet man die Staukilometer der einzelnen Fernautobahnen bezogen auf die jeweilige Länge der Autobahn, liegt 2020 die A 1 (88 Staukilometer je Autobahnkilometer) vor der A 5 (84) und A 3 (77). Mehrere Abschnitte in NRW (besonders Großraum Köln) gehörten erneut zu den Top-15-Stauschwerpunkten, wenn auch auf deutlich niedrigerem Stauniveau als im Vorjahr:

  • A 3 Oberhausen – Köln (5.): 146 Staukilometer je Autobahnkilometer

  • A 1 Köln – Dortmund (6.): 120 Staukilometer je Autobahnkilometer

  • A 4 Aachen – Köln (8.): 117 Staukilometer je Autobahnkilometer

  • A 1 Dortmund – Münster (13.): 98 Staukilometer je Autobahnkilometer

Zu den bundesweiten Top-15-Abschnitten mit den meisten Staukilometern je Autobahnkilometer auf den übrigen Autobahnen zählten acht aus NRW:

  • A 40 Essen – Dortmund (4.): 340

  • A 40 Duisburg – Essen (5.): 334

  • A 43 Recklinghausen – Wuppertal (6.): 241

  • A 46 Düsseldorf – Wuppertal (7.): 234

  • A 45 Hagen – Dortmund (8.): 199

  • A 59 Bonn – Köln (11.): 175

  • A 42 Kamp-Lintfort – Dortmund (12.): 164

  • A 59 Duisburg – Dinslaken (14.): 154

Besonders ausgeprägte lokale Stauspitzen traten auf den Autobahnen in NRW zwischen folgenden Anschlussstellen auf:

  • A 1 Kreuz Dortmund/Unna – AS Schwerte

  • A 1 AS Burscheid – Kreuz Leverkusen

  • A 1 Kreuz Leverkusen – Kreuz Leverkusen-West

  • A 3 AS Leverkusen-Zentrum – Kreuz Leverkusen

  • A 4 AS Köln-Poll – Kreuz Köln-Süd

  • A 40 AS Duisburg-Rheinhausen – AS Duisburg-Homberg

  • A 43 Kreuz Herne – AS Herne-Eickel

  • A 45 Kreuz Hagen – AS Schwerte-Ergste

  • A 45 Kreuz Castrop-Rauxel-Ost – Kreuz Dortmund Nordwest

  • A 57 AS Köln-Chorweiler – Kreuz Köln-Nord

So könnte sich die Stausituation in NRW 2021 entwickeln

Für 2021 rechnet der ADAC in NRW mit einer allmählichen Normalisierung der Corona-Situation und in Folge dessen wieder mit zunehmend mehr Kfz-Verkehr sowie Staus und Behinderungen auf den NRW-Autobahnen.

Prof. Dr. Roman Suthold, Mobilitätsexperte des ADAC Nordrhein

Damit es auch nach der Corona-Krise weniger Staus gibt, dürfen Arbeitgeber aber auch Arbeitnehmer nicht wieder in alte Denkmuster verfallen. Die Pandemie hat gezeigt, dass sich die Zahl der Arbeitswege sowie dienstlichen Reisen durch Homeoffice und Mobiles Arbeiten deutlich reduzieren lässt. An Bürotagen sollten Arbeitnehmer, egal ob mit dem Auto oder ÖPNV, nicht alle um 8 Uhr hinfahren und um 17 Uhr wieder zurück. Flexible Arbeitszeiten können den Berufsverkehr entzerren und Straße, Bus und Bahn entlasten. Ansonsten läuft der Verkehr in NRW bald wieder am Limit. Wenn aber das Verkehrsaufkommen nur um fünf bis zehn Prozent sinkt, hat das überproportional positive Auswirkungen auf die Stausituation.

Prof. Dr. Roman Suthold, Verkehrsexperte des ADAC in Nordrhein-Westfalen©ADAC Nordrhein/Christopher Köster

Nach Ansicht des ADAC in NRW sollten Pendler mit Besserung der Corona-Lage auch wieder verstärkt den ÖPNV nutzen. Aus Angst vor einer Ansteckung sind zahlreiche Nutzer von Bus und Bahn auf das Auto umgestiegen. Diese Kunden müssen zunächst wiedergewonnen werden. Der ADAC fordert deshalb, dass die Modernisierung der Schienensysteme im Nah- aber auch Fernverkehr konsequent vorangetrieben wird, um ein zuverlässiges, leistungsfähiges und attraktives Angebot zu gewährleisten. „Wichtig ist auch, dass nicht nur Pendlern, die jeden Tag unterwegs zur Arbeit sind, günstige Zeitkarten bzw. Abos angeboten werden. Gerade Menschen, die nicht mehr täglich ins Büro fahren, weil sie im Homeoffice arbeiten, benötigen neue digitale Tarife, so dass sie flexibel den ÖPNV nutzen können und dabei nicht auf teure Einzeltickets angewiesen sind“, betont Suthold.

Hintergrund zur ADAC Staubilanz

Der ADAC nutzt zur Stauermittlung Fahrzeugflotten mit ihren Geschwindigkeitsdaten. Eine wichtige Bedeutung haben hier die Fuhrparks von großen Speditionen. Insgesamt liefern circa 300.000 Lkw ständig anonymisiert und automatisiert ihre Positions- und Geschwindigkeitsinformationen („Floating Car Data“) von deutschen Straßen. Weitere Daten senden Online-Navigationsgeräte und Smartphone-Apps mit der Funktion „Staudaten übertragen“ (4,5 Millionen Nutzer). Diese Live-Daten werden zur Berechnung von Verkehrsstörungen verwendet.

Wenn mehrere Fahrzeuge über fünf Minuten unter 40 km/h auf einer Länge von mindestens 500 Metern (= ein Autobahn-Segment) fahren, erfasst der ADAC eine Verkehrsstörung und deren Dauer. In die Längenbilanz (Gesamt-Kilometer) fließen nur Verkehrsstörungen ab einem Kilometer Länge ein. Liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 40 und 20 km/h, spricht der ADAC von dem Ereignis „stockender Verkehr“, bei Geschwindigkeiten unter 20 km/h von „Stau“. Beide Ereignisse werden als Verkehrsstörung gezählt. Wichtig: Jede Verkehrsstörung wird nur einmal gezählt. Die längste räumliche Ausdehnung, die die Verkehrsstörung im zeitlichen Verlauf aufweist, fließt in die ADAC Statistik ein. Wenn die Fahrzeuge auf dem betreffenden Meldungsabschnitt wieder über 60km/h fahren, wird die Meldung aufgehoben.

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Christopher Köster
Redakteur ADAC Nordrhein
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