Klimaschutz im Verkehr: Global denken – lokal handeln 

Roman Suthold Kolumne Klimaschutz
Unsere eigene Mobilität spielt beim Erreichen der Klimaschutzziele eine wichtige Rolle, aber nicht die einzige, schreibt Verkehrsexperte Roman Suthold.© ADAC Nordrhein e.V.

Können wir das Klimaschutzziel 2030 erreichen, wenn wir so weitermachen wie bisher? Nein, sagt ADAC Verkehrsexperte Prof. Dr. Roman Suthold. Er fordert: Alle müssen endlich ihre Hausaufgaben für mehr Klimaschutz machen. Dazu zählen der Bund, die Kommunen, die Fahrzeughersteller und auch wir Menschen.

Lieber würde ich an dieser Stelle eine Vielzahl neuer hilfreicher Maßnahmen für mehr Klimaschutz aufzählen. Wirklich. Denn wer wiederholt sich schon gerne? Aber wenn ich mir meine Ansätze von 2011, also von vor genau zehn Jahren, anschaue, gibt es einige Maßnahmen, die bis heute noch nicht umgesetzt sind. Allerdings sind sie dringend notwendig, um das Pariser Klimaschutzziel 2030 im Verkehrssektor zu erreichen. Denn bis dahin sollen die CO2-Emissionen um mindestens 40 Prozent gesenkt werden.

Das Problem: Der Kohlendioxid-Ausstoß von Pkw zwischen 1995 und 2018 ist um 3,7 Prozent gestiegen. Denn die einzelnen Pkw wurden zwar immer sauberer, doch durch die stark wachsende Zahl an Fahrzeugen stiegen im gleichen Zeitraum auch die Emissionen an.

Was schon vor zehn Jahren galt, gilt auch heute: Einen Königsweg gibt es beim Thema Klimaschutz nicht. Vielmehr hilft eine Vielzahl von Maßnahmen, wie der Green Deal der EU und das Klimaschutzpaket der Bundesregierung zeigen. Die Maßnahmen sind schon lange bekannt, sie müssen nun endlich konsequent durchgesetzt werden! Damit das klappt, muss jeder seine Hausaufgaben machen:

Was der Bund tun muss

Für den Bund ist es wichtig, die richtigen Rahmenbedingungen für die langfristige Emissionsreduzierung zu setzen. Mit der CO₂-Bepreisung als Punkt des Klimaschutzprogrammes beispielsweise will der Bund die Bevölkerung animieren, den Energieverbrauch zu reduzieren und Treibhausgasemissionen zu verringern. Zu Beginn des Jahres haben die Bürger an den Tankstellen schnell gemerkt, dass fossile Mobilität in Zukunft teurer wird. Zum Start kostet die Tonne CO₂ 25 Euro und steigt dann auf 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 an. Danach soll der Einstieg in den Emissionshandel erfolgen. Die Kraftstoffe werden sich deshalb für Autofahrer bis zum Jahr 2025 schrittweise um 15 Cent beim Benzin und um 17 Cent beim Diesel erhöhen. Der Verbraucher bekommt so klare Preissignale, damit er beginnt, nach Alternativen zur fossilen Mobilität zu suchen.

Natürlich ist nicht nur die Bepreisung des CO₂-Ausstoßes Teil des Klimaschutzprogramms im Bereich Verkehr, sondern auch die Verbesserung des ÖPNV-Angebots, eine schnelle Umsetzung von überregionalen Radschnellwegen als Alternative für den Autopendler sowie Investitionen in alternative Antriebe. Um die Antriebswende überhaupt realisieren zu können, muss der Bund die Ladeinfrastruktur massiv ausbauen lassen. Außerdem muss der Bund aus dem Dieselskandal lernen: die EU-Grenzwert-Vorgaben für Neufahrzeuge müssen unabhängig überprüft werden. Es bringt nichts, wenn Grenzwerte existieren, aber niemand sie streng kontrolliert.

Prof. Dr. Roman Suthold, Mobilitätsexperte des ADAC Nordrhein

Allein auf Elektromobilität zu setzen, ist natürlich nicht der richtige Weg.

Prof. Dr. Roman Suthold©ADAC Nordrhein/Christopher Köster

Was immer der Bund auch macht: Für Verbraucher und Wirtschaft ist Transparenz, Planbarkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz von politischen Entscheidungen. Unrealistische Ziele führen hingegen dazu, Dinge schleifen zu lassen. Und Verbote – zum Beispiel Zulassungsverbote von Verbrennungsmotoren – sollten das letzte Mittel der Wahl sein, um die Widerstände aus der Bevölkerung nicht zu groß werden zu lassen.

Was der Mensch tun muss

Umweltschutz ist für viele Menschen zunehmend wichtiger geworden – in allen Lebensbereichen. So ist auch für eine Mehrzahl der Mitglieder laut einer aktuellen ADAC Umfrage eine klimafreundliche persönliche Mobilität von Bedeutung.

Um das zu schaffen, muss der Mensch sein Mobilitätsverhalten verändern. Der Idealfall sähe so aus: Mit dem Auto fahren wir nur noch, wenn es wirklich notwendig ist. An der Tankstelle leisten wir in einem ersten Schritt kleine Beiträge zum Klimaschutz, indem wir auf E10 und später auf E20 setzen. Wenn wir in ein neues Auto investieren, dann in klimaschonende Antriebe wie zum Beispiel in ein Elektroauto. Grundsätzlich nutzen wir mehrere Verkehrsmittel, also sind multimodal unterwegs. Gerade auf der Kurzstrecke unter fünf Kilometer nehmen wir das Fahrrad oder gehen zu Fuß. Besonders im städtischen Raum nutzen wir sogenannte Mobilitätsstationen mit Carsharing, Lastenleihrädern und E-Tretrollern. Unser Smartphone fungiert dabei als digitale Mobilitätszentrale. 

Im Idealfall ist der Mensch multimodal unterwegs.
© Onlinedialog

Wer Menschen davon überzeugen will, genau das Verkehrsmittel zu nutzen, dass sie schnell und effizient ans Ziel bringt, muss das Umsteigen bequemer machen – und das an den Stadtgrenzen sowie auch in der Stadt selbst. Multimodal unterwegs zu sein ist heute aber immer noch kompliziert, umständlich, teuer und zeitraubend. Auch die Nutzungsquote von klimafreundlicheren Kraftstoffen lässt in Deutschland noch zu wünschen übrig. Hier gibt es Aufklärungsbedarf!

Modellstädte, in denen Menschen ihr Verhalten bereits geändert haben, sind in Asien die Metropolen Hongkong und Singapur: Hier wohnen Millionen auf engstem Raum und können vor Ort einen fast perfekt funktionierenden ÖPNV nutzen. Zudem verliert das Auto dort an Prestige und die meisten Bürger können sich das Auto aus Kostengründen wegen horrenden Steuern und Lizenzkosten nicht mehr leisten. Ergänzt wird der klassische ÖPNV durch multimodale Mobilitäts-Apps, selbstfahrende Busse und Taxen, Mini-Shuttles sowie E-Tretroller. Die Kombination von öffentlich und privaten Angeboten sorgt für eine Vielzahl von Mobilitätslösungen. Der öffentliche Verkehr wird individueller und der private Verkehr wird öffentlicher.

Was Fahrzeuge können müssen

Allein auf Elektromobilität zu setzen, ist natürlich nicht der richtige Weg. Nicht falsch verstehen: Die Förderung von E-Mobilität ist wichtig. Aber man sollte sich nicht auf eine einzige Antriebsart festlegen. Alternative Antriebstechnologien sowie neue Fahrzeugkonzepte und deren Einsatzmöglichkeit bieten die größten CO2-Einsparpotenziale. Neben der Elektrifizierung über Batterieelektrik und Wasserstoff-Technologie sollten aber die Potenziale von Gas und alternativen Kraftstoffen wie E10 oder synthetischen Treibstoffen genutzt werden. Die Autofahrer möchten in Zukunft ein sicheres, sauberes, bezahlbares und alltagstaugliches Fahrzeug haben.

Hierbei geht es nicht nur um Privat-Fahrzeuge. In Deutschland gibt es rund 50.000 Taxis, die oft rund um die Uhr unterwegs sind. Dementsprechend fällt auch die Schadstoffbilanz aus: Im Vergleich zu einem Standard-Taxi stößt ein Eco-Taxi durch den geringeren Kraftstoffverbrauch bis zu neun Tonnen weniger CO₂ pro Jahr aus. Wer also ein grünes Taxi wählt, leistet aktiven Umweltschutz. Daher sollten auch andere deutsche Städte dafür sorgen, dass sie es Berlin, Hamburg oder München nachmachen und verstärkt Fahrzeuge mit Eco-Taxi-Zertifikate einsetzen.

Steckbrief Prof. Dr. Roman Suthold

Prof. Dr. Roman Suthold (48) ist seit 2004 beim ADAC und seit 2006 Leiter des Fachbereichs „Verkehr und Umwelt“ beim ADAC Nordrhein. Der gebürtige Kölner lehrt zudem als Honorarprofessor an der Hochschule Fresenius (Köln) zum Thema „Mobilitätsmanagement“ und ist als Lehrbeauftragter an der Hochschule Bochum („Verkehrssysteme und -konzepte“) tätig. Seine Spezialgebiete sind Mobilität in Ballungsräumen, kommunale Verkehrsplanung und Digitalisierung im Mobilitätsbereich.


Neben Antrieb und Kraftstoff müssen die Autos der Zukunft sich vernetzen: Das intelligente Auto eröffnet Chancen, die Nutzer bei der Mobilitätswahl zu unterstützen. Der persönliche Mobilitätsassistent kennt die persönlichen Mobilitätsgewohnheiten, zeigt bei Staus Umsteigemöglichkeiten in Echtzeit auf und vermittelt Mitfahrangebote – dabei findet natürlich nur ein Datenaustausch statt, wo es notwendig ist und wenn der Verbraucher auch zugestimmt hat

Was Kommunen tun müssen

Um die Umweltbelastung flächendeckend zu senken, müssen selbstverständlich auch die Städte dauerhaft nicht nur Luftreinhalte- und Klimaschutzpläne am Schreibtisch entwerfen, sondern deren Maßnahmen konsequent umsetzen. Ein erster konsequenter Schritt wäre, die eigenen Fahrzeugflotten auf alternative Antriebe umzustellen – die Busse der Stadtwerke Hürth fahren beispielsweise seit mehr als fünf Jahren mit Wasserstoff. Zudem muss weiter mit Künstlicher Intelligenz an Ampelsteuerungen gearbeitet werden, um Verkehrsflüsse deutlich effizienter leiten zu können.

Ebenso darf der Ausbau der Rad- und Fußweginfrastruktur nicht auf die lange Bank geschoben werden. Ergänzungen zum klassischen ÖPNV, wie beispielsweise private klimaschonende On-Demand-Shuttle-Services, müssen gefördert werden. Zu guter Letzt darf niemand Angst vor neuen Lösungsansätzen haben: Weltweit wird durch immer neue Projekte der Nutzen von urbanen Seilbahnsystemen als Ergänzung für Busse und Bahnen nachgewiesen. Nicht umsonst werden vernetzte Seilbahn-Lösungen für München, Bonn und Köln aktuell diskutiert.

Damit sinnvollen Ideen erfolgreich umgesetzt werden können, müssen Hürden wie Denkmalschutz und Überfahrrechte geklärt und überwunden werden. In Deutschland Infrastruktur zu bauen, ist sehr schwierig und vor allem häufig langwierig. Nicht nur bei Straßen- oder Eisenbahnbauprojekten, selbst Radschnellwege stoßen auf große Widerstände. Um die Prozedur zu vereinfachen, könnte man dem Kölner Beispiel folgen: Dort gibt es den Klimarat, bei dem alle relevanten Gruppen der Gesellschaft aus den Bereichen Verkehr, Energie, Wohnen, Industrie und Logistik an einem Tisch sitzen. So lassen sich Klimaschutz-Projekte besser und schneller umsetzen.

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Prof. Dr. Roman Suthold
Leiter Verkehr und Umwelt ADAC Nordrhein
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