Rettungswagen: Vom Sprinter zum Retter

Der Fuhrpark der Johanniter Unfallhilfe
Rettungswagen (Unimog l.) sind kastiger als Krankentransportwagen (Mitte) oder Notarzteinsatzfahrzeuge (re.)© ADAC/Michael Gebhardt

Rettungsdienste müssen schnell zum Einsatzort gelangen. Dafür steht eine Flotte an Fahrzeugen bereit. Doch welche Rettungsautos gibt es eigentlich, und wie wird aus einem Transporter ein Krankenwagen? Ein Blick hinter die Kulissen.

  • Ein Krankenwagen ist kein Rettungswagen

  • Sauerstoff und gefederte Liege: Jedes Fahrzeug wird individuell ausgerüstet

  • Beim Mercedes Sprinter als RTW geht unter 100.000 Euro nichts  

Sauber aufgereiht hängen die Schlüssel in einer Vitrine in der Garage in Herdecke, alle mit einem praktischen Karabinerhaken am roten Johanniter-Schlüsselband. Einfach einen herausnehmen – Fehlanzeige: Ein Hightech-System hilft André Paudtke bei der Verwaltung der Schlüssel.

Der 43-jährige Rettungsassistent ist seit 2011 Fuhrparkmanager bei den Johannitern im Regionalverband Ruhr-Lippe und kann genau festlegen, wer mit welchem Rettungswagen fahren darf: Ohne passende Berechtigung auf der Dienstausweis-Chipkarte gibt der intelligente Schlüsselkasten den Autoschlüssel nicht frei.

Krankenwagen oder Rettungswagen – wann kommt was?

Ein Krankentransportwagen auf Basis des Mercedes Sprinter
Krankentransportwagen auf Basis des Mercedes Sprinter © ADAC/Michael Gebhardt

Das ist gut, denn bei rund hundert Fahrzeugen verliert man sonst schnell den Überblick: Vom einfachen Krankentransportwagen (KTW), über Rettungswagen (RTW) bis zum Notarzteinsatzfahrzeug (NEF), vom Gerätewagen bis zum Gabelstabler, vom Motorrad bis zur Gulaschkanone – all das tummelt sich in den Garagen der Johanniter.

André Paudtke sorgt dafür, dass die Fahrzeuge regelmäßig bewegt und gewartet werden, kümmert sich um die TÜV-Termine und hält den Fuhrpark jung: Alte Fahrzeuge werden ausgemustert, neue angeschafft.

Aber welches Fahrzeug kommt in welchem Fall? Der gewöhnliche Krankentransportwagen (KTW) bringt Patienten, die nicht selber fahren können oder liegend transportiert werden müssen, in die Klinik, zum Arzt oder zur Reha. Hier sind Trage und Tragestuhl, Erste-Hilfe-Set und Notfallrucksack sowie eine einfache Sauerstoffanlage und meistens auch ein automatischer externer Defibrillator (AED) an Bord.

Unterwegs mit Blaulicht

Im Ernstfall muss es schnell gehen, aber auch bei einer Einsatzfahrt hat die Sicherheit oberste Priorität: Anders als das Notarztfahrzeug werden Rettungswagen in der Regel bei 130 oder 140 km/h elektronisch abgeregelt – höhere Geschwindigkeiten wären mit dem schweren Aufbau schlichtweg zu riskant.

Wenn der RTW mit Patient unterwegs ist, fährt er deutlich langsamer. Patienten werden auf einer luftgefederten Trage möglichst sanft transportiert und mit Gurten gesichert. Auch Notarzt und Sanitäter müssen sich während der Fahrt anschnallen. Eine Behandlung von Patienten ist also nur im Stand möglich. Unterwegs geht es vor allem um die Überwachung des Patienten.

Wird die Situation kritisch, kann der Fahrer per Alarmknopf zum Anhalten aufgefordert werden.



Rettungswagen für professionelle Versorgung

Ein Rettungswagen der Johanniter Unfallhilfe während der Fahrt
Rettungswagen: Mehr Platz, bessere Geräte und viele Medikamente an Bord© ADAC/Michael Gebhardt

Wer nach einem Unfall oder bei einem medizinischen Notfall die 112 wählt, dem schickt die Leitstelle in der Regel einen Rettungswagen (RTW).

Der ist nicht nur um einiges größer und bietet den Rettern mehr Platz zum Arbeiten. Hier kann der Patient auch professionell mit Sauerstoff versorgt und der Herzschlag per EKG überwacht werden. Außerdem ist eine umfassende Ausstattung an Arzneimitteln dabei, und im Notfall können lebensrettende Eingriffe wie etwa das Anlegen einer Thoraxdrainage durchgeführt werden.

Trotz dieser Unterschiede: Was unter dem "Koffer" – so das Fachwort für den Aufbau – steckt, ist bei beiden Fahrzeugarten ähnlich: KTW und RTW basieren auf herkömmlichen Transporter-Fahrgestellen. Vor allem der Sprinter von Mercedes steht bei den Rettungsdiensten hoch im Kurs, aber auch der Ford Transit und ähnliche Kastenwagen.

Bis aus einem normalen Transporter ein Rettungsfahrzeug wird, dauert es. Zwar ist der eigentliche Umbau in ein paar Wochen erledigt, doch sind die wenigen Experten im Kofferbau lange im Voraus ausgebucht. "Wir warten teilweise ein halbes Jahr oder länger, bis nach der Auftragserteilung mit dem Umbau angefangen wird", erzählt Paudtke.

Zeit, die für die Planung genutzt wird. Oft werden zwar mehrere baugleiche Fahrzeuge auf einmal bestellt, aber im Grunde statten die Rettungsdienste jedes Auto individuell aus. Es muss also festgelegt werden, wo zum Beispiel Kühl- und Wärmeschränke für die Medikamente angebracht werden, welche Trage man verbaut, wie der Wagen beklebt wird – und natürlich, welche Sondersignalanlage aufs Dach kommt.

Das Martinshorn gibt es immer noch

Die meisten Rettungsfahrzeuge sind heute mit Lautsprechern ausgestattet, die das gesetzlich vorgeschriebene "Quarten-Intervall" unterschiedlich abstrahlen können; in der Stadt-Schaltung wird das Tatütata rundum abgegeben, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Im Landstraßen-Modus dagegen richtet sich der Schall vor allem nach vorn. 

Auf die klassische Kompressor-Tröte, das Martinshorn – das seinen Namen übrigens von der Firma Martin hat – wollen die meisten Retter aus nostalgischen Gründen trotzdem nicht verzichten und bauen es zusätzlich als Signalanlage ein. Genauso wichtig: das Blaulicht. Hier hat die modernere Blitzleuchte die alte Drehspiegellampe weitgehend ersetzt. Und meist wird die Lichtanlage auf dem Dach noch durch Blitzer im Kühlergrill ergänzt. Denn wenn der RTW direkt hinter einem steht, sieht man das Blaulicht auf dem Dach nicht.

Auch Sprinter haben Gewichtsprobleme

Ein Notarztwagen und ein Krankentransportwagen vor der Johanniter Fuhrparkgarage
Ein Notarztwagen muss groß genug, aber auch schnell und wendig sein© ADAC/Michael Gebhardt

Ein Problem, mit dem alle Rettungswagen-Bauer zu kämpfen haben, ist das Gewicht der Fahrzeuge. Während die meisten Krankenwagen noch relativ problemlos die 3,5-Tonnen-Grenze einhalten, ist es bei einem RTW schwierig, darunterzubleiben.

Nicht, weil immer mehr Ausstattung mit muss, sondern weil die Fahrgestelle schwerer werden. Der Mercedes Sprinter beispielsweise hat gerade wieder um einige Kilogramm zugelegt – wegen der neuen Abgasreinigungsanlage: Die Dieselfahrzeuge erhielten ein AdBlue-System. 

Das Gewicht und vor allem der Platz spielen auch bei den Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) eine Rolle. Obwohl damit nur der Notarzt zum Einsatzort gelangt (wo er auf die RTW-Mannschaft trifft), ist das Fahrzeug bis unter den Rand vollgepackt: Zu den üblichen Gerätschaften kommt eine größere Menge an Medikamenten und Betäubungsmitteln, die teilweise gekühlt, teilweise auch warm gelagert werden müssen.

Damit sind die meisten Kombis und Kompakt-SUV schon überfordert. Auf größere Modelle greifen die Rettungsdienste trotzdem ungern zurück, weil die Einsatzfahrzeuge möglichst flott selbst durch enge Gassen und zugeparkte Straßen kommen sollen.

Ganz besondere Sonderfahrzeuge

Neben den normalen Rettungs- und Krankenwagen gibt es noch eine ganze Reihe spezieller Fahrzeuge. Teilweise werden Lkw zu Rettungswagen umgebaut, um etwa Adipositas-Patienten (fettleibige Menschen) transportieren zu können. Es gibt rollende Intensivstationen für eine Patienten-Verlegung, damit die Behandlung nicht unterbrochen werden muss. In manchen Gemeinden ist ein sogenannter Storchenwagen unterwegs, ein Kreissaal auf vier Rädern.

Außerdem gibt es spezielle Fahrzeuge für Kinder- und Babynotärzte, die genau auf die kleinen Patienten zugeschnitten sind. Seit einiger Zeit erproben mehrere Rettungsdienste sogenannte Stroke-Einsatz-Mobile (STEMOs). Sie rücken bei Verdacht auf einen Schlaganfall aus, bei dem jede Sekunde zählt, und bringen zusätzlich ein CT-Gerät mit. Damit können entscheidende Untersuchungen direkt vor Ort durchgeführt werden.



Auch Oldtimer retten Leben

Fuhrparkmanager André Paudtke vor dem Unimog aus den 80ger Jahren
Fuhrparkmanager André Paudtke vor dem "neuen" Unimog© Johanniter

Natürlich spielt auch der finanzielle Aspekt eine wichtige Rolle: Gut 100.000 bis 200.000 Euro sind für einen Rettungswagen auf Sprinterbasis keine Seltenheit. Kein Wunder, dass sich mittlerweile auch für RTW ein reger Gebrauchtwagenmarkt entwickelt.

Selbst Oldtimer sind gefragt: In André Paudtkes Garage in Herdecke wartet seit einiger Zeit ein zum Rettungswagen umgebauter Unimog aus den 80er-Jahren auf seinen Einsatz. 

Den knapp sieben Tonnen schweren Allradler haben die Johanniter von der Bundeswehr übernommen und mit einem komplett neuen Koffer auf den aktuellen Stand der Rettungstechnik gebracht. Er rückt aus, wenn normale Fahrzeuge nicht mehr weiterkommen. Sei es, weil ein Unfall im Wald passiert ist, oder weil umgestürzte Bäume, Hochwasser oder Schneetreiben die Straßen in der Stadt unpassierbar machen.

Text: Michael Gebhardt

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