Ungebremste Freude – Inklusion im Kartsport
ADAC Ortsclubs verbinden Menschen mit einem gemeinsamen Ziel. Ein ganz besonderes hat Kurt Lada vom Motorsportclub Hemau mit seinem einzigartigen Zweisitzer-Kart-Projekt für Kinder mit Behinderung verwirklicht. Hier erzählt er, wie es dazu kam – und welche Herausforderungen es zu bewältigen gab.
Mit Projekten zur Inklusion von Menschen mit Handicap hatte ich eigentlich nie was zu tun. Das änderte sich schlagartig, als 2016 einige neue Kinder dem Motorsportclub Hemau* beitraten, wo ich zweiter Vorsitzender und Jugendleiter bin. Sie waren nicht nur motorsportbegeistert, sondern teilten noch eine andere wichtige Gemeinsamkeit: Sie hatten jeweils Geschwister mit körperlichen und geistigen Handicaps.
Bei unseren Veranstaltungen, zu denen auch die Familien eingeladen sind, konnte ich mit den gehandicapten Kindern in Kontakt treten. Mir fiel sofort ihre große und ungefilterte Begeisterungsfähigkeit auf, wenn die Karts über die Piste flitzten oder ein Motor besonders hochdrehte. Das ging mir richtig nah.
Besonderes Engagement bei den ADAC Ortsclubs
In den ADAC Ortsclubs engagieren sich Ehrenamtliche für Motorsport und Klassik, setzen sich für Inklusion ein oder organisieren Benefiz-Events. Vielfalt spielt in den Clubs eine große Rolle, vereint arbeiten dort Menschen mit einem gemeinsamen Ziel.
Die Mitgliedschaft als ADAC Ortsclub ist kostenfrei. Interessierte Clubs müssen lediglich aus mindestens 30 ADAC Mitgliedern bestehen und sich in den Bereichen Mobilität, Motorsport, kraftfahrttechnisches Kulturgut, Verkehrssicherheit oder Tourismus engagieren. Auf unserem Blog stellen wir einige ADAC Ortsclubs mit besonderen Projekten vor – und die Menschen, die dahinterstehen.
Eine Idee und viele kompetente Ratschläge
Für mich war das der Startschuss für ein Projekt, das mich bis heute nicht mehr loslässt: Ich wollte es auch diesen Kindern ermöglichen, Rennluft im Kart zu schnuppern. Sie sollten nicht mehr nur Zuschauende sein. Nach längeren Überlegungen kam ich zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern auf die Idee, ein Doppelsitzer-Kart mit Platz für einen Copiloten und einer zusätzlichen Lenkradattrappe zu bauen.
Vorbilder gab es dafür nicht. Was die Sache zusätzlich knifflig machte, war, dass auf dem Beifahrersitz junge Menschen mit den unterschiedlichsten Einschränkungen Platz nehmen sollten. So begann ein langer Lernprozess. Ich startete eine Recherche, holte mir Rat bei Experten und Einrichtungen wie der Lebenshilfe.
Hier darf ein junger Motorsportfan mit Handicap im eigens konstruierten Doppelsitzer-Kart neben Kurt Lada Probe sitzen. Foto: Motorsportclub Hemau
Viele Hürden auf dem Weg zum Doppelsitzer-Kart
Erst musste ich noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Es gab viele Fragen und Berührungsängste. Vor allem die Haftung war Gegenstand langer Diskussionen und so mancher sah sich schon mit einem Fuß im Gefängnis. Immerhin fanden wir später eine Versicherung, auch wenn sie nicht günstig ist.
Beim Austausch mit den Pflegeeinrichtungen für Kinder mit Handicap war anfangs auch erst eine gewisse Skepsis gegenüber unserer Arbeit spürbar. Das änderte sich allerdings grundlegend an dem Tag, an dem wir das fertige Kart präsentierten und rund 25 Kinder aus entsprechenden Einrichtungen zu Probefahrten luden. Ihre ungebremste Freude überzeugte selbst Zweifler.
Die Begeisterung der Kinder lohnt die Mühe
Bis heute ist das Strahlen in den Gesichtern der Kinder der schönste Lohn für die vielen Stunden der Arbeit und die langen Diskussionen. Viele von ihnen kommen immer wieder und die Dankschreiben der Eltern und ihre Schilderungen, wie sehr die Kinder aufblühen, sprechen für sich. Dabei bestätigen Pflegepersonen und Eltern häufig auch, dass die Kinder als Folge neue Reaktionen und motorische Feinheiten erlernen.
Für mich ist das Projekt des Fun-Kart-Racing-Teams die beste Idee meines Lebens! Allerdings hatte ich auch tatkräftige und entschlossene Unterstützung aus meiner Familie: Meine Frau stand – und steht – immer hinter mir und treibt mich an. Zum Beispiel auch bei der anfangs noch privaten Finanzierung des Projekts. Und meine Tochter Steffi, die heute in einer Einrichtung für Kinder mit Handicaps arbeitet, teilt sich inzwischen mit mir den Posten als Pilot im Kart.
Anerkennung gab es auch von der Öffentlichkeit: Die BMW Group zeichnete mich 2019 für mein Engagement aus – verbunden mit einer Spende für das Projekt und mit persönlichen Worten von BMW-Motorsportchef Jens Marquardt und dem früheren Formel-1-Piloten und heutigen Werksrennfahrer Alessandro Zanardi, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt.
Slalom-Kart mit Handbetrieb als nächster Schritt
Nach wie vor finanziert sich das Projekt aus Spenden, Zuwendungen und Sponsoren wie dem ADAC oder dem BMW-Werk Regensburg. Für die Kinder und ihre Angehörigen kostet die Fahrt nichts. Und weil es oft einfacher ist, zu den Kindern zu kommen und dort beispielsweise auf einem abgesperrten Parkplatz zu fahren, habe ich inzwischen einen Anhänger für das Doppelsitzer-Kart gebaut.
Folglich können die Fahrten von Einrichtungen und Veranstaltungen überregional gebucht werden. So kamen bislang schon Hunderte von Kinder in den Genuss, in einem Renn-Kart zu sitzen. Trotzdem gibt es bereits eine neue Idee: In Zusammenarbeit mit einem jugendlichen Rollstuhlfahrer entwickelte ich ein Slalom-Kart mit Handbetrieb. Es kommt ohne Pedale aus und wird vollständig mit den Händen gesteuert – eine wichtige Voraussetzung für Jugendliche mit Gehbehinderung und wieder ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Inklusion.
Für jedes Kind mit Handicap eine Erfahrung, die sonst nur gesunde Kinder machen können.