Hohe Anforderungen, 50 Stunden Umbau, Crash-Test: So wird ein Auto zum Straßenwachtfahrzeug

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© ADAC/Beate Blank

Die Pannenhilfe-Fahrzeuge der ADAC Straßenwacht sind rollende Werkstätten mit rund 500 Kilogramm Extra-Ausrüstung an Bord. Bis ein Auto seinen Dienst als Straßenwachtfahrzeug aufnehmen kann, muss es so manche Hürde nehmen.

Für Straßenwachtfahrzeuge gelten harte Anforderungen. „Das ist mehr als ein Arbeitsplatz, das ist eine rollende Werkstatt“, sagt Rudolf Hofmann, Chef der ADAC Ausrüstwerkstatt für die Straßenwacht. Er verantwortet im Technikzentrum des ADAC im oberbayerischen Landsberg die Fertigung von rund 220 Fahrzeugen pro Jahr.

Insgesamt unterhält der ADAC eine Flotte von 1700 Straßenwachtfahrzeugen, die mit fast genauso vielen Fahrern und Fahrerinnen bundesweit vor allem auf 13.000 Kilometern Autobahn und in Städten im Einsatz sind – Tag für Tag. Nur wenige Fahrzeugtypen können zu so einem Spezialgefährt aufgerüstet werden. Ein Kandidat muss etliche Bedingungen erfüllen, bevor er als mobiler Arbeitsplatz eines Gelben Engels auf die Straße kann.

Ein Katalog listet die Auswahlkriterien für Straßenwachtfahrzeuge auf

Allein die Vorauswahl eines solchen Fahrzeugs dauert etliche Monate. Zunächst legt Hofmann möglichen Autoherstellern ein dreizehnseitiges ADAC Lastenheft vor. Der Katalog reicht von der möglichen Zuladung über die Höhe der Ladekanten bis zur eingebauten Elektrik. Auch die Rundumsicht muss perfekt sein, denn beim Abschleppen ist ein freier Blick nach hinten wichtig. Alle Anforderungen stimmen mit den Vorgaben der Straßenverkehrszulassungsordnung überein. Diese definiert, was ein Pannenhilfe-Fahrzeug ausmacht.

Die Sitze müssen ebenfalls den hohen Ansprüchen des ADAC entsprechen: „Wir bestellen immer die beste Ausstattung, damit die Fahrer gut sitzen. Sie sollen es so bequem wie möglich haben.“ Immerhin verbrächten die Gelben Engel einen Großteil ihres Arbeitstages in dem Fahrzeug, da komme es neben der Insassensicherheit auch auf die Ergonomie an, so der Chefausrüster.

Rudolf Hofmann lehnt an einem ADAC Strassenwachtauto
Rudolf Hofmann ist Chef der ADAC Ausrüstwerkstatt für die Straßenwacht und verantwortet im Technikzentrum des ADAC im oberbayerischen Landsberg die Fertigung der Fahrzeuge.

© ADAC/Beate Blank

Bei der Anlieferung eines geeigneten Fahrzeug-Modells in Landsberg muss unter anderem bereits die Rückbank aus- und die Elektrik nach ADAC Vorgaben umgebaut sein. „Der Wagen fährt quasi nackt vor“, erklärt Hofmann. Die typische gelbe Rundumleuchte allerdings soll schon auf dem Dach montiert sein. Mit Leuchte darf das Fahrzeug dabei nicht höher als zwei Meter in die Höhe ragen, sonst wird die Einfahrt in Tiefgaragen unter Umständen problematisch.

Jeder Straßenwachtfahrzeug-Kandidat muss einen Crashtest bestehen

Schafft es ein Typ nach vielen Filtervorgängen in die Vorauswahl, geht das Auto voll aufgerüstet in die Crash-Anlage. Der kontrollierte, exakt geplante Zusammenstoß erfolgt nach den Maßstäben der europäischen Crash-Organisation EuroNCAP. Überprüft wird, ob die Einbauten sicher installiert sind, das Trenngitter eventuell umherfliegende Teile abhält, und nicht bei einem Unfall Einbauten durch die Gegend sausen und den Fahrer verletzen könnten – und natürlich, ob das Fahrzeug selbst den Belastungen standhält.

Noch tief sitzt der Schrecken, als sich der ADAC vor einigen Jahren für einen Fahrzeug-Typ interessierte, der im Crashtest praktisch vollkommen kollabierte. Sogar die Fahrgastzelle gab auf, was selten passiert. Ein Unfall auf der Straße hätte entsprechend katastrophale Folgen gehabt. Das Modell wurde daraufhin sofort von der Kandidatenliste gestrichen.

Besondere Ausstattung für besondere Aufgaben

Die mitgeführten Werkzeuge, Batterien, Ersatzteile und Einbauten – zusammen rund 500 Kilogramm – machen bei allen Fahrzeugen ein verstärktes Fahrwerk notwendig. Im Schnitt sind die stets voll beladenen Wagen sieben Jahre im Dauereinsatz auf der Straße und absolvieren dabei bis zu 500.000 Kilometer. Für diese außergewöhnliche Belastung legen Hersteller ihre Serienfahrwerke nicht aus.

Die Elektrik wird von ADAC Fachleuten umgebaut und erweitert. Zu den wichtigsten Ergänzungen gehören ein eigenes Power Management System, eine Stromverteilung und ein Laderegler zum Aufladen der Starthilfe-Powerpacks. Alle Fahrzeuge sind zudem mit einer zusätzlichen, umfangreichen Kommunikationstechnik inklusive GPS ausgestattet. Damit bestimmen die Disponenten in den Pannenhilfe-Zentralen exakt den Standort jedes einzelnen Helfers, damit nach einem Pannenruf immer der nächstpositionierte freie Gelbe Engel anrückt.

Die richtige Ordnung spart Zeit

Die Zusammenstellung und Verteilung der Werkzeuge und Ersatzteile im Fahrzeug ist genau ausgetüftelt. Jedes Teil muss gut erreichbar sein, falsch Platziertes kostet wertvolle Zeit und belastet den Rücken unnötig. „Das Starthilfe-Equipment und die Pylonen sind genauso von hinten zugänglich wie das wichtigste Werkzeug“, erklärt Hofmann. Die Fahrer könnten schließlich in gefährliche Situationen geraten, wenn sie von der Wagenseite an die Ausrüstung müssen.

Jedes Werkzeug ist zudem in eine Schaumstoffeinlage gebettet. „So klappert nichts, und der Fahrer sieht auf den ersten Blick, ob etwas fehlt.“ Eine Schublade im Wagen können die Pannenhelfer individuell befüllen.

Das ordentliche Erscheinungsbild der Straßenwachtwagen ist Hofmann wichtig. Ein Gelber Engel könne nicht mit einem alten, unaufgeräumten Fahrzeug vorfahren, und dann die Panne beheben. Das würde keinen seriösen Eindruck machen.

Nach der Probezeit wird nachgebessert

Ist die Wahl auf einen Wagen gefallen, wird zunächst ein Prototyp vorbereitet und getestet, und dann erst eine kleine Serie umgebaut. Mit dieser Serie gehen zunächst nur einige Fahrer auf die Straßen. Deren Erfahrungen fließen in die endgültige Serienproduktion ein.

Rund 50 Stunden pro Fahrzeug investieren die acht ADAC Elektriker, Mechaniker und Schreiner in Landsberg, um einen „Rohling“ in eine perfekte rollende Werkstatt zu verwandeln. Dabei ist präzises Arbeiten gefragt, jedes Teil muss millimetergenau eingepasst sein. Dann erst nimmt der TÜV das Fahrzeug ab. Ganz am Ende erhält der Wagen mit vielen, genau definierten Schriftzügen das unverwechselbare Design der bundesweiten Gelbe-Engel-Flotte.

E-Bikes und Quads verstärken die Pannenhilfe-Flotte

Hofmann produziert in seiner Werkstatt neuerdings auch alternative Pannenhilfe-Fahrzeuge. So erprobt der ADAC derzeit zwei Hybridfahrzeuge. Außerdem sind bald acht E-Bikes mit Anhängern unterwegs. „Wir wollen in Großstädten umweltfreundlicher mobil sein und gleichzeitig die Wartezeit für unsere Mitglieder verkürzen“, erklärt Hofmann. „Unsere Radler sind im dichten Innenstadtverkehr und in unmittelbarem Umkreis mit ihren Pannenhilfe-Bikes schneller unterwegs als ein Auto.“ Geradelt wird derzeit in Hamburg, Berlin, Köln, Münster und in Darmstadt.

Die ansonsten „normalen“ E-Bikes verfügen über die erforderliche Kommunikationstechnik und einen Anhänger mit spezieller Bremsanlage und einer Ladekapazität von bis zu 60 Kilogramm – das wichtigste Werkzeug ist also dabei. Damit können die radelnden Engel in den meisten Fällen helfen, bei allen anderen fährt der Kollege mit dem Auto vor.

„In unwegsamem Gelände, zum Beispiel bei Festivals und anderen Großveranstaltungen, setzen wir auch gern Quads als Pannenhilfe-Fahrzeug ein“, sagt Hofmann. Die blieben, anders als ein großes, schweres Straßenwachtfahrzeug, weder in Menschenmengen noch im Schlamm so schnell stecken. Sechs Quads sind im Moment für den ADAC unterwegs, ausgestattet mit den gängigsten Werkzeugen und einer Seilwinde.

Und wie sieht es mit Drohnen für die Pannenhilfe aus? „Wir sind da ganz offen“, meint Hofmann. „Wir suchen immer nach der besten Lösung.“

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