„Ich bin für Sie da“

ADAC Blog

Martin Kunz unterwegs mit einem aDAC Strassenwachtfahrer
© ADAC/Martin Kunz

In der Frühschicht durch den Münchner Osten – unterwegs mit ADAC Pannenhelfer Masehe Madijd.

Ich sollte mich warm anziehen und an festes Schuhwerk denken, riet mir die Einsatzzentrale am Vorabend meiner ersten Gelbe Engel-Mitfahrt. Schließlich warnte der Deutsche Wetterdienst vor einem abrupten Wintereinbruch am 26. Februar. Morgens um 7.30 Uhr stand ich mit meiner Kanada-erprobten Outdoor-Ausrüstung in München Trudering, dann meldete sich Straßenwachtfahrer Masehe Madijd am Telefon: „Ich bin gleich da!“ Wenige Minuten später rollte der gelbe VW Touran vor meine Haustür. Ein bestens gelaunter ADAC Kollege stellte sich vor, wir boten uns gegenseitig spontan das Du an, dann ging’s gleich los.

Ein ADAC Strassenwachtfahrer im Einsatz
© ADAC/Martin Kunz

7.58 Uhr: Ein Reifendruck-Problem führt uns nach München-Haidhausen. Auf dem Weg ist Zeit, etwas über Masehe zu erfahren: Er ist 29 Jahre alt, Mechatroniker und seit sechs Jahren beim ADAC, vorher hat er bei verschiedenen Autohändlern und Kfz-Werkstätten in München gearbeitet. Ich frage ihn, wie man seinen Vornamen richtig ausspricht. „Sag einfach Masi“, rät er mir, denn sein eigentlicher afghanischer Vorname sei zu kompliziert. Seinen jetzigen Job, das merkt man gleich, liebt Masi sehr. „Das ist viel besser als früher. Jetzt helfe ich den Leuten, und meistens mache ich sie glücklich.“ Dabei sei das mechatronische Wissen nur die Voraussetzung, „30 Prozent sind Technik, und 70 Prozent sind bei unserem Job Mitgefühl. Denn die meisten Clubmitglieder sind, wenn wir gerufen werden, in einer echten Notsituation. Da brauchst du schon jede Menge Einfühlungsvermögen. Ich möchte, dass die das Gefühl haben, ich bin für sie da, auf mich können sie sich 150-prozentig verlassen“.

Ein schneller Reifen-Rundum-Service

Dieses Generalvertrauen kann Masi jetzt gleich ausspielen, denn der Mann, der das Reifendruck-Problem hat, sitzt in einem Rollstuhl und erwartet uns am Rand einer viel befahrenen Einfallstraße. Mit einem schnellen Rundum-Reifenservice und einer Extraportion Luft für den rechten Vorderreifen ist das Problem behoben. Der ältere Herr im Rollstuhl bekommt dann noch den Ratschlag, sich nicht gleich neue Reifen aufschwatzen zu lassen, vermutlich müsse man nur das Ventil vorne rechts austauschen. „Das hilft mir sehr“, sagt das Clubmitglied sichtlich dankbar, „ich muss auf jeden Euro gucken.“

Ein ADAC Strassenwachtfahrer im Einsatz
© ADAC/Martin Kunz

8.42 Uhr: „Das wird jetzt interessant“, sagt Masi, Schlüssel im Fahrzeug liegen gelassen. Wir fahren in die Messestadt Riem, im Untergeschoss eines Parkhauses wartet ein jüngeres Basis-Mitglied, wie Masi betont, vor einem verschlossenen Opel. Bevor er sich als Autoknacker betätigt, klärt Masi, ob der Anrufer auch der Fahrzeugbesitzer ist. Dann geht’s ganz schnell: Er klebt eine Schutzfolie an den Holm, spreizt die Tür leicht auf, danach dehnt er den Spalt mit einem Spreizkissen – der Rest ist Betriebsgeheimnis. Er braucht keine drei Minuten, um das Fahrzeug ohne Kratzer zu öffnen. Den Glücksmoment des jungen Fahrers nutzt Masi für einen Hinweis auf die erheblichen Vorteile einer Plus-Mitgliedschaft, „besonders bei Ihren zahlreichen Fahrten ins Ausland“.

Unterwegs der eigene Chef sein

Um 9.19 Uhr erscheint auf dem Pannenhelfer-Display der nächste Auftrag: „Anlasser springt nicht an“ in Johanneskirchen, etwa acht Kilometer entfernt. Auf der Fahrt erzählt Masi von der Arbeit: „Auf der einen Seite bin ich unterwegs mein eigener Chef. Aber als Münchner Team machen wir viel zusammen, auch in der Freizeit und mit den Familien. Einmal waren wir alle zusammen im Schwarzwald. Das harmoniert in der Arbeit so gut, ich glaube, da bleiben die meisten bis zur Rente. Und das gibt’s nur in ganz wenigen Firmen.“ Draußen scheint mittlerweile die Sonne, ein herrlicher Tag. Lag der Wetterbericht denn komplett daneben?

Ein ADAC Strassenwachtfahrer im Einsatz
© ADAC/Martin Kunz

In Johanneskirchen fahren wir wieder in eine Tiefgarage, ein Audi A4 steht seit Wochen dort mit entladener Batterie. Nachdem Masi mit dem Überbrückungskabel das stromtote Gefährt wiederbelebt hat, ist der 18-jährige Besitzer happy: „Wow, Sie haben mir echt geholfen. Das werde ich nie vergessen.“ – „Hoffentlich“, meint Masi, „denkt der sogenannte ADAC Young Driver noch daran, wenn er nach seinem 21. Geburtstag eine Voll-Mitgliedschaft abschließen kann.“

Es ist 9.48 Uhr, als gleich zwei Aufträge eintreffen: Erst fahren wir zu einer Garage in der Nähe, genauer gesagt zu einem 31 Jahre alten Nissan Patrol, der einer Pensionärin gehört. Der völlig verrostete Geländewagen wird mit größerem Aufwand aus der Parklücke gezogen und dann gestartet. Eine gewaltige Dieselwolke verpestet die Garage. Schnell druckt Masi den Pannenbeleg aus – wir flüchten aus dem Feinstaub-Verließ.

Bedienungsfehler beim Oldtimer

Nicht weit davon entfernt wartet schon ein sehr netter Professor vor seinem 1983er- Mercedes Coupé. „Der Rückwärtsgang geht nicht mehr rein“, klagt er. Masi setzt sich in den schicken Oldtimer, legt den Rückwärtsgang ein und fährt den Wagen problemlos aus der Lücke. Dann versucht es der Professor erneut – und erneut vergeblich. „Sie müssen beim Benz den Hebel nach oben ziehen“, erklärt Masi dem Besitzer. Der etwa 80-Jährige ist völlig verdutzt und erzählt, dass er ein halbes Jahr in Kanada gewesen sei und anscheinend vergessen habe, wie die Gangschaltung funktioniert. „Bedienungsfehler“, notiert der Gelbe Engel auf dem Pannenbeleg, „kann vorkommen“.

Ein ADAC Strassenwachtfahrer im Einsatz
© ADAC/Martin Kunz

Ich bin für Sie da Eigentlich wäre es jetzt Zeit fürs Mittagessen, meint Masi. Dann ploppt der nächste Auftrag rein: ein Batterieschaden in Haidhausen, den der ADAC Mann routiniert behebt. Danach steuern wir nach kurzer Essens-Entscheidung (bayerisch, italienisch oder …) ein indisches Restaurant an. Mit dem letzten Schluck Cola Light meldet sich der nächste Einsatz mit drei Buchstaben auf dem Display: SNA, das heißt Motor Springt Nicht An! In einem Industriegebiet im Münchner Osten steht Anne S., eine nette Dame, vor ihrem silberfarbenen Toyota IQ. Mithilfe des Batterietesters stellt Masi fest, dass diese Batterie wohl am Ende ist. Er gibt der Frau, sie ist ADAC Plus Mitglied, selbstverständlich aber Starthilfe und einen Tipp, wo sie in der Nähe eine geeignete Batterie einbauen lassen kann, denn gerade für dieses Modell hat er nicht die passende dabei.

Münchenweit altersschwache Batterien

Ähnlich liegt der Fall, der um 13.23 angezeigt wird: Schon wieder SNA, jetzt in Haidhausen. Es ist nun merklich kälter geworden, ich bekomme langsam klamme Finger, und anscheinend streiken münchenweit altersschwache Batterien. Auch der nächste automobile Patient springt nicht an. Ein zehn Jahre alter VW Fox besitzt zwar eine neuere, starke Batterie, die aber erstaunlicherweise völlig entladen ist. Masi klärt den Besitzer auf: „Die Kälte und die Feuchtigkeit, da muss irgendwo Kriechstrom sein, der diese sehr potente Batterie entladen hat.“ Das Mitglied ist froh, dass der Wagen nach der elektrischen Fremdbeatmung wieder läuft, ist aber von der Diagnose technisch überfordert. „Ich schreib es auf den Pannenbeleg“, beruhigt Masi den Mann, „dann gehen Sie damit einfach zu Ihrer Werkstatt. Die müssen herausfinden, wieso diese eigentlich gute Batterie entladen wird.“

Ein ADAC Strassenwachtfahrer im Einsatz
© ADAC/Martin Kunz

Nun neigt sich Masis Frühschicht dem Ende zu, wir fahren bei beginnendem Schneefall nach Hause. Vor meinem Gartenzaun machen wir noch einige Selfies, dann verdunkelt sich der Himmel, ein Blizzard im Münchner Osten! Masi erreicht gerade noch seinen VW Touran, bevor ein gewaltiger Schneesturm seine weiße, eisige Fracht ablädt. Der Wetterdienst hatte also doch recht. Das gibt jetzt sicher reichlich Arbeit für die Kollegen. Aber Masi hat nach vier Tagen Schichtdienst jetzt drei Tage frei. „Drei Tage Ehemann und Papa“, sagt er, „und dann bin ich wieder Gelber Engel.“