Eine Crash-Halle für den Fußgänger-Schutz

ADAC Blog

Volker Sandner steht in der neu gebauten Fußgängercrashhalle
ADAC Testingenieur Volker Sandner in der neuen Crashhalle© ADAC/Ralph Wagner

Die Schwächsten schützen: Diesem Ziel dient die neue 1,4 Millionen Euro teure Crash-Halle im Landsberger ADAC Technikzentrum. Denn ungeschützte Fußgänger werden schon bei Autounfällen mit zehn Stundenkilometern schwer verletzt, ab rund 30 km/h sinken die Überlebenschancen drastisch.

Die Testergebnisse aus dem Landsberger Neubau sorgen ab sofort für mehr Fußgänger-Schutz. Denn die hochmoderne Technik prüft und bewertet neue Autos auf ihr Verhalten bei Zusammenstößen mit Fußgängern und hilft so die oft katastrophalen Folgen zu mindern.

Stolz steht Projektleiter Volker Sandner in der vor wenigen Wochen eröffneten Halle, sie misst 20 mal neun Meter im Geviert, ist knapp sieben Meter hoch, an der Decke Laser, an den frisch geweißelten Wänden hängen Scheinwerfer-Batterien, auf dem Boden warnen grelle Markierungen, eine schwere Schutz-Scheibe sichert den Leitstand. Trümmer flogen erstmals am 2. Mai durch die Halle, da donnerte hier der erste Fußgänger-Prüfkörper streng protokolliert und überwacht auf ein Auto.

Seit 20 Jahren für den Fußgänger-Schutz

Entwickelt wurde die Halle nach ADAC Vorgaben, um die künftigen Ansprüche des EuroNCAP* zu erfüllen. Dieses Verbraucherschutz-Konsortium, dem auch der ADAC angehört, bewertet seit 20 Jahren den Fußgänger-Schutz. Bei diesen Tests untersucht unter anderem der ADAC das potenzielle Risiko vor allem von Verletzungen an Kopf, Becken und den Beinen. Denn das Risiko für Fußgänger ist hoch, die Folgen eines Unfalls sind oft tödlich oder langanhaltend. Das will ADAC Ingenieur Volker Sandner ändern.

Kollision mit einem Fußgänger beim Bremsversuch
Für die Sicherheit: Dummys donnern auf Autos. Dank der neuen Fußgänger-Schutzhalle auch ganzjährig. © ADAC/Uwe Rattay

Sind die Testergebnisse schlecht, straft EuroNCAP die Industrie mit schlechten Bewertungen in den Autotests ab: Es fehlen die begehrten Sterne. Autos mit wenigen Sternen verkaufen sich kaum. Allein deshalb sind die Crash-Ergebnisse für die Industrie enorm wichtig. Denn die Industrie sei gewinnorientiert, und erfülle „gerade mal, was die Gesetze vorschreiben, aber kein bisschen mehr“, erklärt Volker Sandner. Der ADAC verstehe sich dagegen als "Verbraucherschützer, wir reagieren schneller und machen auf Missstände aufmerksam".

Der Gesetzgebung zehn Jahre voraus

Oft reagieren Gesetzgeber und Industrie erst, wenn der ADAC seine Ergebnisse veröffentlicht. Belege finden sich zuhauf: „Für die Verbesserungen beim Seitenaufprall-Schutz für Kindersitze wartete der Gesetzgeber zehn Jahre, bevor die Vorschriften nachgebessert wurden.“ In dieser langen Zeit reagierte immerhin die Industrie auf die Kritik des ADAC, verbesserte die Sitze und wendete viel Leid von Kindern und Familien ab. Nach ADAC und EuroNCAP-Tests für die hinteren Sitzplätze wurden Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer serienmäßig verbaut, ohne dass es eine gesetzliche Vorschrift dafür gibt.

Dass Geländewagen ohne die für Fußgänger hochgefährlichen „Kuhfänger“, also die martialischen Vorbauten aus Stahl, unterwegs sind, ist ein weiterer Verdienst der Landsberger Techniker. ADAC und EuroNCAP waren mit ihren Tests zum Fußgängerschutz der Gesetzgebung immer mehr als zehn Jahre voraus.

Die Landsberger Fachleute bauen auf einem enormen Erfahrungsschatz auf. Sandner arbeitet seit über 20 Jahren im Testzentrum: „Wir sehen etwas, testen, veröffentlichen. Dann ändert sich etwas. Das ist die Arbeit, die wir leisten.“ Sandner und seine Crew überarbeiten die Tests immer wieder nach aktuellen Erkenntnissen der ADAC Unfallforschung und passen sie dem aktuellen Unfallgeschehen an.

Millisekunden entscheiden

In diesem Jahr untersuchen Sandner und sein Testteam in der neuen Halle neun Fahrzeuge auf Schwachstellen und besondere Risiken für die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Jedes einzelne Auto wird mit über 20 Einzel-Crashs auf Folgen bei einem Zusammenstoß mit einem Fußgänger hin untersucht. Die unter der Decke hängenden Laser vermessen das Fahrzeug vor dem Test millimetergenau, Scheinwerfer leuchten jede Lücke, jede Nische taghell aus. Hochgeschwindigkeits-Kameras zeichnen den Millisekunden dauernden Moment auf, wenn stellvertretend für den empfindsamen Menschenkörper Dummy-Teile auf den Wagen treffen. Später offenbaren Messdaten, welche Knochen gebrochen wären, welche Bänder verletzt, und ob der Mensch zumindest überlebt hätte.

Die Crash-Tests sind geplant

Pro Fahrzeug kostet ein Durchgang rund 25 000 Euro – eine gute Investition in die Sicherheit. „Die Vor- und Nachbereitung dauert über einen Tag, pro Fahrzeug testen wir etwa zwei Wochen“, erklärt der 50-jährige Bereichsleiter. Dieses Jahr ist mit Tests schon komplett durchgeplant.

„Wie erhöhen wir die Sicherheit für die Fußgänger?“, das fragen sich Sandner und sein Team fast jeden Tag. Doch der Weg zu höherem Schutz war lang: Die Halle hatte drei Jahre Planungs- und Bauzeit.

Baustelle im ADAC Test-und Technikzentrum
Drei Jahre Planungs- und Bauzeit waren für die neue Halle nötig.© ADAC Test und Technik

Die Prüfkörper, wie die Dummy-Teile genannt werden, mussten entwickelt und die Vergleichbarkeit mit dem menschlichen Körper, also die Biofidelität, musste nachgewiesen und die anschließende Bewertung anhand von Verletzungs-Wahrscheinlichkeitskurven entwickelt werden. „Für jedes Leben, das wir retten, jedes Leid, das wir mindern lohnen sich diese aufwändigen Versuche“, meint Sandner.

Radfahrende im Focus

Die mithilfe der neuen Halle gewonnenen Erkenntnisse werden wieder etwas verbessern, da ist sich Sandner sicher, etwa die Form künftiger Motorhauben oder Stoßfänger. Bald steht die Sicherheit der Radfahrer im Focus: „Kollisionen mit Autos führen bei Radfahrenden zu anderen Aufprall-Szenario als bei Fußgängern: Sie prallen oft auf die Windschutzscheibe und den Dachrahmen.“ Daher müsse der Testablauf genau angepasst werden. Und dafür war der Hallen-Neubau unumgänglich.

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