Der Herr der Datenbanken: Dominik Herrmann kennt alle in Deutschland erhältlichen Autos

ADAC Blog

Dominik Herrmann an seinem Arbeitsplatz in Landsberg
© ADAC/Ralph Wagner

Dominik Herrmann pflegt eine handverlesene Autodatenbank, vermutlich eine der größten in Deutschland: 138.000 Autos hat er bisher erfasst.

Man braucht natürlich schon eine gewisse Liebe zu den Zahlen, muss eisern Ordnung halten, die Zusammenhänge verstehen und sich gut organisieren. Ich muss die Datenbank ja pflegen und erweitern, und nicht nur einmal aufsetzen. Dazu braucht es ein gewisses Grundverständnis.

Jeden Tag nutzen knapp 50.000 Menschen das Ergebnis meiner Arbeit: Sie informieren sich in den angeschlossenen Anwendungen über die Daten ihres Wunschautos – sei es über die technischen Daten, Preise, sein Umweltverhalten oder ob der gesuchte Wagen etwa über einen Knie-Airbag verfügt. Außerdem klicken die 1700 Straßenwachtfahrer bei jeder einzelnen Pannenhilfe auf das entsprechende Auto, rund zehntausendmal am Tag. Fuhrparkbetreiber arbeiten mit Lizenzen der Datenbank, sogar einige Premium-Autohersteller stehen auf der Liste der Nutzer. Das ist schon großartig. Ich glaube, das ist mit eine der meistgenutzten ADAC Leistungen.

Diese Datenbank ist wie mein Kind, das hab ich großgezogen. 1990 haben wir erstmals die Idee gehabt, eine Datenbank aufzusetzen, erst nur für den internen Gebrauch wie z.B. für den ADAC Autotest. Sie sollte alle Autos erfassen, die der ADAC getestet hat. Daraus wurde schnell mehr. Einige Jahre später fügten die ADAC Ingenieure die Fahrzeugdaten hinzu. So erreichte die damalige Struktur schnell ihre Grenzen, Wildwuchs entstand. Gleichzeitig stieg die Zahl der Merkmale: Als Zusatzmerkmal verzeichneten wir lange nur Komfort-Features wie z.B. elektrische Fensterheber. Kurz vor der Jahrtausendwende nahm schließlich nicht nur die Anzahl verfügbarer Komfort-Ausstattungen ungeheuer zu, der Fokus lag dann vor allem auf Sicherheitssystemen wie ESP und Airbags, hinzu kamen die vielen neuen aktiven Sicherheitsmerkmale.

Das älteste Modell ist von 1946

Also setzten wir die Datenbank zum ersten Mal neu auf. Dafür muss man schon ein bisschen analytisch begabt sein, abstrakt denken und eben Spaß an Zahlen haben. Nach dem Aufsetzen der neuen Datenstruktur und der Übernahme aller aktuell gängigen Modelle galt es, die Datenbank mit Exoten und Fahrzeugen der 50er- bis 80er-Jahre nachträglich zu vervollständigen. Das älteste Fahrzeug ist ein VW Käfer von 1946. Die Datenbank umfasste dann statt der bisher 60.000 über 100.000 Modelle. Vor einigen Jahren war eine technische Umstellung der Datenbank dringend notwendig. Über einen langen Zeitraum planten wir die neue Struktur auf SQL-Basis, allein die Umsetzung hat zwei Jahre gedauert. In dieser Zeit arbeitete ich parallel in zwei Datenbanken. Jetzt aber verfügen wir über eine performante, neue Datenbank mit viel Platz, die wir künftig erweitern können.

Dominik Herrmann schraubt in seiner Garage an einer Vespa
Privat ein Bastler: Dominik Herrmann schraubt gern an Vespas.© privat

Heute sind 138.000 Fahrzeuge erfasst, davon allein 12.000 aktuelle Modelle, praktisch alle in Deutschland erhältlichen Autos, also etwa jeder Golf mit Motor-, Getriebe-, Antriebs- und Ausstattungsvarianten. Als Suchkriterium ist heute auch wichtig, ob es beispielsweise DAB und Bluetooth gibt, welches Radio eingebaut oder Wireless Charging des Mobiltelefons verfügbar ist. Inzwischen ist die aktive Sicherheit auf über 30 Einzelmerkmale angestiegen, die passive Sicherheit – also z.B. Airbags und Gurtstraffer – beinhaltet weitere zehn Punkte. Deshalb erfasst die Datenbank für jedes Modell, ob es zum Beispiel über Center-Airbags, Kopfstützen, Isofix oder Kurvenlicht verfügt. Hinzu kommen alle relevanten technischen Daten wie Gewichte, Anhängelasten, Motordaten und Fahrleistungen. Für die E-Fahrzeuge schufen wir rechtzeitig Platz, denn diese haben andere Merkmale: Akkus, Ladezeiten und -kabel oder ob der Wagen mit Gleich- oder Wechselstrom geladen werden kann. Ich bin gespannt, was da noch alles auf mich zu kommt.

Jeden Tag das Internet durchsuchen

Alle Daten gebe ich im Grunde von Hand ein. Wir versuchten, die Daten automatisiert von den Herstellern zu bekommen, aber das geht nicht. Ich glaube, die Hersteller haben daran kein Interesse. Porsche oder VW veröffentlichen ohnehin keine Preislisten mehr. Da beziehe ich die Daten aus den Konfiguratoren. So beginnt auch mein Arbeitstag: Ich suche auf den Seiten der Hersteller, auf Presseportalen, in Verkaufsunterlagen und technischen Datenblättern oder anderen Quellen alle Neuerscheinungen und übertrage sie. Inzwischen weiß ich, wo ich wann nachschauen muss, um an die Daten zu kommen. Die 138.000 Fahrzeuge sind also handverlesen.

So eine Datenbank lebt. Vor einigen Jahren entwickelte ich ein extra Werkzeug, das entscheidet, in welche Klasse ein Fahrzeug gehört. Das ist nicht exakt definiert, und manche Hersteller wollen ihre eigenen Autos gerne in der „Oberen Mittelklasse“ sehen. Wir stufen die Fahrzeuge anhand statistischer Auswertungen von Vergleichsfahrzeugen etwa in die besser passende „Mittelklasse“ ein.

Allein 2020 mussten wir das neue Abgasprüfverfahren WLTP einarbeiten, da ging es um neue Verbrauchszyklen und mehrstufige Abgasnormen. Das bedeutete für mich: Tausende von Daten neu erfassen und umschreiben. Dann kam die Mehrwertsteuer. Erst runter, dann wieder rauf: Vor allem der zweite Schritt bereitete mir Kopfschmerzen. Es war nicht nur ein enormer Recherche- und Pflegeaufwand, sondern wir wollten auch wissen, ob die Hersteller diese erneute Umstellung für versteckte Preiserhöhungen nutzten.

Breite Autos ausgefiltert

Der ganze Aufwand ist gerechtfertigt. Die Datenbank dient als Basis für den ADAC Autotest, den ADAC Ecotest, die ADAC Crash-Datenbank, die ADAC Autokosten, die Auftragsannahme der Pannenhilfe. Die Daten werden als PDF heruntergeladen und als Kaufentscheidung herangezogen. Ich kann aus der Datenbank auch ersehen, welche Fahrzeuge etwa breiter als zwei Meter sind. Das ist für Tiefgaragen und Baustellen wichtig, die oft eng sind. Oder welche Autos einen großen Wohnwagen ziehen können oder einen Pferdeanhänger. Die Möglichkeiten sind fast unendlich. Unter dem Begriff Z-D-F (also Zahlen – Daten – Fakten) generieren meine Kolleginnen und Kollegen regelmäßig spannende Einzelthemen aus dem riesigen Datenschatz. Das ist schon faszinierend und macht mich auch ein bisschen stolz.

Ein obskurer Internetanbieter hat eine Zeit lang sogar versucht, alle unsere Daten abzugreifen und mit ihnen auf seiner eigenen Website Geld zu verdienen. Das war schon frech! Dagegen sind wir mit allen Mitteln vorgegangen und konnten dies auch wieder eindämmen.

Bei aller Liebe zu den Zahlen. Als ehemaliger Maschinenbaustudent mache ich auch gern etwas mit den eignen Händen. Zum Beispiel Vespas restaurieren.

Autor: Roman Breindl